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Beitrag   3 Bewertungen  



Landschaft



Geschrieben von:   Franklin M. Bekker



Medienlandschaft
geschrieben von Morgenstern am 30.06.2010
Bewertung zum Beitrag Landschaft
Wie immer fällt es mir äußerst schwer etwas von dir zu bewerten, da du dir wahrscheinlich mehr bei gedacht hast als ich erkennen kann.
Die erste Strophe ist nachvollziehbar und insbesondere im Bezug auf den Titel für mich insofern zu verstehen, dass sämtliche Medien, Informationen, Dinge eben, um dich herum deine Aufmerksamkeit wollen. Das mag das Fernsehen sein oder das Werbeschild vor dem unterdurchschnittlichen Bagdad-Döner.
Aber jetzt wird es schwierig, denn du nimmst dir heraus diesen Dingen Persönlichkeit zu geben. Wieso? Nun gut es mag sein, dass du von dem Zittern der Dinge und der zerschmelzenden Bedeutung zurück auf die Person schließt. Jetzt verlasse ich die Deckung und schieß einfach mal ins Blaue, was mir auch im Bezug auf die dritte Strophe ungewöhnlich leicht fällt: Alles voller unbedeutender Information, alles voll mit Müll. Keine Zeit mehr für diese, vielleicht aus der Zeit gekommene, Liebe zur Natur, keine Zeit mehr für die Schönheit der Dinge. Denn irgendwann muss auch der beste Filter versagen und dann wird alles abgeblockt, nicht nur der Müll. Ich finde dass sich das lustlose Abwinken in Vers drei, Strophe zwei sich ein wenig mit „in die Augen spannen“ beißt. Letzteres bedeutet zumindest für mich mehr Interesse oder Kritik, auf jeden Fall weniger Teilnahmslosigkeit oder Abblocken.
Die letzte Strophe gefällt mir sehr gut, sie stützt meine Interpretation und ist auch sonst sehr schön geschrieben. Allerdings würde ich noch „du hältst keine Aktien“ vorschlagen und mir dann noch die Frage erlauben, ob das heißen soll dass man im Geiste schon von hier weg ist, oder ob die Aktien ein Mitspracherecht symbolisieren sollen. Dann müsste wohl eher von einer Mehrheit der Aktien gesprochen werden, aber nun gut ich studiere nicht BWL.
Freundlicher Gruß
Medienlandschaft
geschrieben von Lightbringer am 10.07.2010
Bewertung zum Beitrag Landschaft
Erwähnte ich bereits, dass ich deine Werke häufig zu abstrakt finde? Aber offenbar hältst du an deiner Methode fest, dem Leser viel Raum für eigene Gedanken zu lassen. Vielleicht um ihn zu zwingen, sich auch wirklich welche zu machen, wenn er dem Gedicht etwas abgewinnen will.
Also schön, einiges erschließt sich mir, zumal die Überschrift hilft: Das Buhlen der Medien um schnelle Aufmerksamkeit, das Kurzfristige, Portionierte. Zittern ruft die Assoziation „flimmernder Bildschirm“ wach, der lustlose Wink der Hand kann dann Umschalten bedeuten. Könnte aber genauso gut auch ein Umblättern sein, wie gesagt, du legst dich nicht fest.
Auffällig dann die persönliche Involvierung des Lesers als Medienkonsument: Das Verb „küssen“ als Antwort auf das Buhlen der Medien ist völlig überzogen.
Und auch die Folgerung, das „Zerfallen“ der in den Medien dargestellten Leben, hinderte den Betrachter daran, sein eigenes zu ändern, ist erklärungsbedürftig und diskussionswürdig.
Aber um diese Diskussion führen zu können, müsste wohl erst mal ein Konsens zwischen den Teilnehmern geschaffen werden, worum es hier eigentlich geht. Dazu aber sind wir in der Mehrzahl zu faul und so wird dein Gedicht „im lustlosen Wink unserer Hand“ vom Bildschirm verdrängt.

@ Morningstar - Verzeihung Morgenstern

Ich werte es als einen Beleg für einen Mangel an Konkretisierung, dass du in dieses Gedicht mühelos dein Bedeutungsschema des romantischen Betrauerns einer untergegangenen natürlicheren Welt und des Überdrusses gegenüber der bestehenden hineinlesen kannst.
Pfui Teufel was für ein Satz; wer Fehler drin findet darf sie behalten :o)


Kommentar des Autors vom 12.07.2010.

Ich danke euch für eure Kommentare. Ihr habt einige meiner Bedenken, was die wörtlichen Details angeht, bestätigt und ich hatte bereits nach Morgensterns Beitrag mit einer Überarbeitung des Textes begonnen. Ich reagiere umfassender auf den kritischeren Kommentar, der ja weitgehender ist, indem er einige Wendungen zurückweist und damit meinem Text und nicht seiner Interpretation Inkonsistenz vorwirft. Diese Rückreaktion bezieht sich auf beide Kommentare. Wie man sehen wird, habe ich den Anlass genutzt, um selbst nachzudenken, auch ich liefere nur Interpretationen oder stelle gar bloß Fragen. Man möge mich so verstehen.

Abstraktheit: Sprache an der man nicht hängen bleibt, ist Sprache, die nicht buhlt und das verbietet sich in diesem konkreten Text… Man darf doch die Paradoxien nicht scheuen. Die Sprache meiner Texte insgesamt verweist insofern auf Unmündigkeit, alsdass sie gar nicht vorgibt zu solchen Lesern zu sprechen. Wiederum verweist der konkrete Text auf einige konstruktivistische Grundannahmen. Der Leser möge nicht aufhören, sich an sich selbst zu halten. Ich bin weder ein Aufklärer noch ein Leitstern, ich bin Franklin M. Bekker und das heißt nichts. Eure Bildungsideale sind längt dekonstruiert, um mit der Intention des Textes zu sprechen.
Die Überschrift war glatt noch zu konkret. Lightbringer versteht Medien nicht als Metapher, freilich. Aber was ist heute nicht Medium? Es geht dem ICH um einen universalen Prozess. Die zweite Strophe dann erweckt offenbar die Assoziation von Aufmerksamkeitsdefiziten. Aber es geht um die Durchschaubarkeit von Sinnkonstruktionen, um ihre Lächerlichkeit. Ich habe eine Mystifizierung vorgenommen, die den Zweifel auf ein paar Augenblicke reduziert, zur spielerisch beherrschten Technik macht, die niemals versagt und den Sinn der Dinge restlos entzieht.

Textdetails nach Lightbringer „Das Verb „küssen“ als Antwort auf das Buhlen der Medien ist völlig überzogen.“ Die Frage ist doch, selbstdenkend, unter welchen Bedingungen dies nicht so ist. Verschone mich mit deiner Theorie der Bedeutungslosigkeit von Berührungen durch Blicke. Ich sehe Google, ich sehe die Werbung, ich sehe die Gefälligkeit von allem und den Gefallen, den alles darin findet, angesehen zu werden.

„Pfui Teufel was für ein Satz“ – was sagt das über dein Verhältnis zu Konstruktion und Dekonstruktion von Sinn, das nicht auch in meinem Text reflektiert wäre?

Textdetails nach Morgenstern:
„du nimmst dir heraus diesen Dingen Persönlichkeit zu geben. Wieso? Nun gut es mag sein, dass du von dem Zittern der Dinge und der zerschmelzenden Bedeutung zurück auf die Person schließt.“ Ist es nicht erstaunlich, wieviele Personen hinter den Dingen stehen und wie wenig Persönlichkeit? Und ist dieses Buhlen nicht Unangemessen, Zudringlich, in Anbetracht der Tatsache, dass es nur Dinge sind? Mit welchen Recht bitteschön, führen sie sich so auf?

„Die letzte Strophe gefällt mir sehr gut, sie stützt meine Interpretation und ist auch sonst sehr schön geschrieben.“ Das war aber auch die Strophe, die den Sinn des Textes unsinnig gestreut hat. Zumal mit der unmotivierten Aktienmetapher.

3 Konkretionen:
1. Rainer Maria Rilke, Archaïscher Torso Apollos
Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
darin die Augenäpfel reiften. Aber
sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,
sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
zu jener Mitte, die die Zeugung trug.
Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
unter der Schultern durchsichtigem Sturz
und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;
und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.

2. Peter Sloterdijk: Du mußt dein Leben ändern, S. 37.
„Am ästhetischen Gebilde, und nur an ihm, haben wir gelernt, uns einer nicht-versklavenden Form von Autorität, einer nicht-repressiven Erfahrung von Rangdifferenz auszusetzen. Das Kunstwerk darf sogar uns, der der Form Entlaufenen, noch etwas ‚sagen‘, weil es ganz offensichtlich nicht die Absicht verkörpert, uns zu beengen. […] Was sich selbst ausgesetzt und in der Prüfung bewährt hat, gewinnt unangemaßte Autorität.“

Man beachte also die Prüferinstanz in meinem Text „Landschaft“

3. Konstruktion und Dekonstruktion, Beobachtungstheorie

Landschaft
geschrieben von Lightbringer am 12.07.2010
Bewertung zum Beitrag Landschaft
Vielen Dank, das war ausgesprochen hilfreich. Auch wenn ich wohl immer noch weit davon entfernt bin, deinen Gedankengängen bis zum Ende folgen zu können. Aber das Kunstwerk als persönlicher Gegenüber, als Träger unangemaßter Autorität, wie es in den Konkretionen verstanden wird, bildet einen guten Kontrast, zu den Medien die du beschreibst.
Den Medien...tja und schon sind wir an einem Punkt, wo uns der gemeinsame sprachlichen und somit auch gedankliche Nenner abgeht. Ich habe die Interpretation gewählt, die Medien im engeren Wortsinn gebraucht, weil ich dem Gedicht so eine konkretere Aussage entnehmen konnte. Mit Formen des Konstruktivismus als Weltanschauung kann ich mich nicht anfreunden. Somit besteht eine schwer auflösbare Diskrepanz zwischen deiner Absicht als Verfasser und meiner Leseweise, die nur ein Stück weit gemildert und überspielt wird durch die Verwebung der (Massen-)Medien mit allen Lebensbereichen. Wobei du mir durch deine Antwort einen Anstoß gegeben hast, wieder einmal für mich zu klären, wieweit individuelle Sinngebung und Weltdeutung gehen können und wo die „eigentliche Wirklichkeit“ anfängt.

Deiner neuen Version ist gerade das Kernstück meiner Interpretation zum Opfer gefallen. Und dann dieses dreifache Leben in der letzten Strophe, ist das beabsichtigt?

Zuletzt noch einmal das Küssen als Stein des Anstoßes: Der Kuss ist in meines Wissens in seiner ursprünglichen Bedeutung eine persönliche, körperliche Sympathiebekundung zwischen Menschen. Natürlich kann er dann auch als symbolische Handlung, oder im übertragenen Sinne gebraucht werden. Aber indem du ihn als Bild für die von den Dingen angestrebte Reaktion des Betrachters verwendest, überspannst du den Bogen für mein Empfinden. Die Sympathie oder das Gefallen, um die hier gebuhlt wird, sind weder persönlich, noch körperlich, noch zwischenmenschlich. Sie bildhaft als „küssen“ zu beschreiben, ist entweder unpräzise oder bewusst irreführend.
Noch sicherer als durch zu starkes Eingrenzen, kann man einem Wort den Sinn nehmen, indem man seine Bedeutung zu weit ausdehnt, bis kaum noch etwas vom ursprünglich gemeinten zu spüren ist. Ich behaupte also nicht eine „Bedeutungslosigkeit von Berührungen durch Blicke“, sondern dass das Verb „küssen“ hier seine Bedeutung verliert, weil es in diesem Kontext nicht wirken kann.

Aber Genug der Detailanalyse. Viel Erfolg beim weiteren Schaffen.