Benutzer
Passwort

Beitrag   2 Bewertungen  
Autor: sarcoptes

Erstellt am: 23.07.2013

Beitrag für Buch vorschlagen

Zufälliger Beitrag



Artikelliste


Direkter Link zum Artikel



Der Jude



Geschrieben von:   sarcoptes


Anmerkungen des Autors:
Ich habe mich schon immer gefragt, warum Antisemitismus früher immer so weit vebreitet war- Es war ja kein Phänomen, das sich auf Deutschland beschränkte. Ich habe mich auch gefragt, wie es ist, für die bloße Existenz gehasst zu werden. Ich halte es für ganz schön dumm. Und auf der anderen Seite für sehr traurig. Die Kurzgeschichte handelt nicht von einem Juden. Aber der Begriff "Jude" ist für mich eng mit den Gefühlen verbunden, die ich zuvor bei meinen Überlegungen beschrieb. Allerdings bezieht sich das wiederum nur auf den Begriff, nicht auf die Personen, die dahinterstehen. Nur auf die Deklaration sozusagen. Diese Deklaration passt in meinem Gefühlsleben wiederum für mich zu dieser Geschichte. Und deshalb heißt sie "Der Jude".



Sengende Hitze brennt herab auf ihre Köpfe, auf meinen Kopf. Die dunklen Mäntel eng um sich geschlungen winden sie sich um mich herum. Das Kopfsteinpflaster dröhnt vom Klacken der Absätze, vom Schaben der Sohlen. Das Stimmengemurmel bricht sich an den Hauswänden, wird zurückgeworfen auf den Platz, auf dem erhaben über alles der Galgen steht.
Sie schieben mich vorwärts, ich bleibe nicht stehen. Sie drängen mich zur Seite, um schneller voranzukommen. Ich gehe weiter. Sie drängeln und schubsen, bohren ihre Ellenbogen in meine Seite – ein stummer Protest an meine Anwesenheit, den sie selbst niemals aussprechen würden.
Flirrend bricht sich das Licht an den starren Holzbalken. Starre, scharf umrandete Schatten fallen zu Boden und verschwinden in der Masse der Passanten. Meine Augen schmerzen von seinem Anblick.
Meine Fersen sind wund von ihren Stiefelspitzen, ich ringe nach Atem. Die Luft zieht sich schwer. Sie riecht verbraucht und feucht, durchzogen vom Atem aus tausenden Lungen.
Ich bleibe stehen, starr wie dieser Galgen. Ihr Zorn bricht über mich herein wie eine faulige Gicht, doch ich blicke nur noch stumm hinauf zu diesem letzten Freund.