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Autor: Anthea

Erstellt am: 10.07.2008

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White Lie's Bad Consequence 2



Geschrieben von:   Anthea


Hören konnte sie ihn nicht – sie fühlte nur, wie er sich ans Ende der Matratze rollte und aufstand. Er konnte sich so unglaublich leise bewegen, dass sie meist nicht mehr wach wurde, wenn er das Bett verließ. Oft war es so, dass sie mitten in der Nacht aufwachte, er aber nicht mehr neben ihr lag. Einige Male hatte sie ihn danach gefragt, aber nur ausweichende oder gar keine Antwort bekommen. Nicht so heute nacht… dieses Mal würde sie ihm folgen. Während sie darauf bedacht war, entspannt zu liegen, so als schlafe sie, war er in seine Jeans geschlüpft und verließ den Raum barfuß.
Der kalte, raue Zementboden der alten Fabrik war ihm angenehm unter den Füßen. Rasch und lautlos war er hinunter geklettert und begann zu laufen, als er die alte Halle erreicht hatte. Einige rasche Blicke nach draußen, sagten ihm, dass niemand sonst auf dem Gelände war. Er hielt es kaum mehr aus, also begann er über das vom Mond erhellte Gelände zu laufen. Er wusste nicht, dass sie ihm folgte, achtete aber auch nicht mehr auf so etwas.
Sie hatte sich auf dem Dach zusammen gekauert und gewartet, bis er die Fabrik verließ. Nun sprintete sie über das Dach, folgte ihm. Ein etwas gewagter Sprung brachte sie auf das Nebengebäude, eine Lagerhalle. Auch sie konnte sich leise und sicher in der Dunkelheit bewegen, es war ihre Welt, die Welt der Schatten. Immer wieder hielt sie kurz inne, lauschte, und folgte ihm weiter.
Das Gebäude war weitläufig, vor vielen Jahren aber aufgegeben worden. Obwohl es im Hafengebiet von Seattle lag, wagte sich keine der lichtscheuen Gestalten hier her. Er hatte es immer verteidigt – man sagte, es spuke auf dem Gelände. Nach kurzer Zeit hatte er seinen Platz erreicht. Hier hatte sich ein kleiner See auf einer größeren, freien Fläche gebildet, in dem sich der Mond spiegelte. Hier war er weit genug von ihr entfernt, um sich verwandeln zu können.
Mit angehaltenem Atem beobachtete sie was nun geschah. Der Mann, der seit einiger Zeit jede Nacht neben ihr schlief, zu dem sie gekommen war, in den sie sich verliebt hatte, kniete neben dem kleinen See. Er hatte seine Jeans ausgezogen und achtlos zur Seite geworfen. Sie konnte sehen, wie jeder Muskel in seinem Körper angespannt war – so sehr, dass er bereits zitterte. Sie wollte bereits vom Dach klettern und sehen, ob er Hilfe brauchte, als sie in ihrer Bewegung erstarrte. Atemlos beobachtete sie, was nun geschah. Langsam verschwamm die Gestalt des Mannes, nahm neue Züge an. Sie konnte deutlich erkennen, dass er Schmerzen hatte, während sein Körper sich umformte, bis an dem See ein lackschwarzer Wolf lag. Das Mondlicht zeichnete silberne Fäden in sein dichtes Fell. Nichts hielt sie mehr auf dem Dach der alten Lagerhalle.
Er sah sie kommen. Sie lief auf ihn zu. Am liebsten wäre er aufgesprungen und weg gerannt, aber er konnte sich kaum bewegen – noch nicht. Sie hatte ihn beobachtet, hatte alles gesehen, das konnte er in ihrem Gesicht lesen. Als sie ihn erreicht hatte, fiel sie vor ihm auf die Knie, betrachtete ihn schweigend. Auch wenn sie es hätte nicht glauben wollen, was ihre eigenen Augen gesehen hatten, so erkannte sie ihn jetzt sehr wohl. Die bernsteinfarbenen Augen, eines etwas dunkler als das andere. Sein Blick war so unendlich traurig; glaubte er, sie würde nicht verstehen? Vorsichtig hob sie eine Hand, verharrte aber mitten in der Bewegung, unsicher ob sie ihn berühren durfte. Schließlich wagte sie es doch und fuhr mit den Fingern sanft über das nachtschwarze Fell des großen Wolfes. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr die ganze Zeit Tränen über das Gesicht liefen. Mit leider Stimme versicherte sie ihm immer und immer wieder, dass sie ihn liebte. Sie würde ihn niemals verlassen.
Er war deutlich zusammen gezuckt, als sie die Hand gehoben hatte, um ihn zu berühren, aber er ließ es zu. Ihre langen, schlanken Finger strichen durch sein dichtes Fell. Er hörte ihre Worte, dass sie ihn liebte, dass sie bei ihm bleiben würde. Und sein feines Gehör entnahm ihrer Stimme all das, was er wissen wollte. Worte konnten lügen, die Stimme nicht. Ihre Stimme klang weich und warm und bekräftigte ihre Worte. Schließlich verließ die Anspannung seinen Körper, er genoß sogar ihre Berührungen. Die ganze Zeit über blickte er sie unverwandt an, seine hellen Augen ruhten auf ihrem Gesicht.
Als sie spürte wie er sich entspannte, wurde ihr leichter ums Herz. Er würde sie nicht fortschicken, nur sie sein Geheimnis entdeckt hatte. Langsam erhob sie sich, sie würde ihn nun alleine lassen; er brauchte die Zeit für sich. „Ich warte oben auf dich“, sagte sie leise und ging. Mit erhobenem Kopf blickte er ihr nach bis sie verschwunden war. Mit einem tiefen Seufzen ließ er den Kopf auf die Vorderpfoten sinken. Heute Nacht würde er nicht sehr lange hier bleiben.