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Autor: knochengott

Erstellt am: 10.06.2008

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ihr spiel



Geschrieben von:   knochengott


Teil des Episodenwerkes: jekyll

  - Einleitung
  - Kapitel 1: unbekanntes element
  - Kapitel 2: laufen
  - Kapitel 3: oberhand
  - Kapitel 4: ihr spiel


Die Fleischerei sah von außen unscheinbar, staubig und verlassen aus. Es regnete leicht als ich mit den anderen aus dem Auto stieg und ich atmete den Duft in vollen Zügen ein. Auf der Fahrt saß ich hinter ihr und mußte die ganze Zeit auf ihr dunkles Haar schauen. Sie trug einen Zopf, der bei jeder ihrer Kopfbewegungen wippte und zitterte. Es machte mich ganz krank und ich war zweimal kurz davor mich zu übergeben. Doch ich gab dem Drang nicht nach, schluckte bittere Galle herunter, preßte die Zähne zusammen, als ein Würgen meinen Rachen erweiterte und hielt es eisern zurück. Meine Finger sind stumme Zeugen. Die anderen kannten sich, genau wie mich kaum und versuchten die Distanz mit Sinnlosigkeiten zu füllen. Ich war versucht zu schreien, nur um etwas Menschlichkeit in dieser Groteske zu zeigen. Doch mir war klar, daß sie nur wollten, daß ich die Kontrolle verlor und mich verriet. Und ich kann ihr Spiel genauso gut wie sie spielen.
Manchmal sogar besser.

Im Inneren noch mehr Staub und es roch muffig. Wir gingen leise durch den Verkaufsraum, keiner sagte etwas. Man spürte das Vergessene, das Verlorene gegenwärtig und alles was in dem Augenblick blieb war Schweigen. Sogar sie erkannten das. Wir erreichten den Aufenthaltsraum, der uns mit einem Tisch und Stühlen willkommen hieß. Spürbar fiel die Anspannung ab, sofort wurden neue Sinnlosigkeiten ausgetauscht und alte wieder aufgegriffen. Ich sonderte mich ab, nutzte mein nichtrauchen als Ausrede. Sofort wurde mir ein mir nur vom sehen bekanntes Individuum zur Seite gestellt, wir sollten den Lagerraum begutachten. Ich ging stumm vor und er folgte ebenfalls schweigend. Ohne zu wissen wonach ich suchte öffnete ich die erstbeste Tür, sie war aus Eisen und sehr massiv, und fand mich im Schlachthaus wieder.

Der Geruch überraschte mich. Es roch nur nach völliger Abwesenheit von allem, einfacher Leere. Kein Blutgeruch, keine Fleischgeruch. Es war, als fehlte dem Raum seine persönliche Note. Ketten hingen in einer Ecke von der Decke, die Haken abgenommen, nehme ich an. Mein stiller Begleiter folgte mir in den Raum und riß einen mir nicht verständlichen Witz. Seine Worte hallten stark und ich war zudem abgelenkt. Eine Sekunde später war ich wieder allein in dem Raum. Ich verließ in rückwärts, behielt dabei die Ketten im Auge. Sie beunruhigten mich. Ich konnte mir zu gut ihre Funktion vorstellen, die daran befestigten Haken und daran blutiges Fleisch. Schwer fiel die Tür zu und schloß das Bild aus. Meine Gedanken jedoch nicht.
Nicht diese.

Den restlichen Tag versuchte ich es zu vermeiden an den Raum zu denken und ihr zu nah zu kommen, doch allen Bemühungen zum trotz war sie immer dort wo ich mich aufhielt und suchte Blickkontakt. Ich fragte mich immer dringender wohin das führen soll, was sie damit bezweckt, was daraus werden soll. Ich fand keine plausible Erklärung, doch war mir ihre Bemühung und die damit verbundene Nähe unangenehm. Dann bat sie mich um einen Gefallen und ich konnte nicht anders, ich mußte mich aufrichten und ihr ins Gesicht sehen um meine Verkleidung zu wahren, um die anderen nicht mißtrauisch werden zu lassen. Dabei fielen mir ihre Ohren auf, die mit silbernen Ohrringen verziert waren. Silbern und gebogen. Und plötzlich war die Assoziation zwischen Fleisch und Metall da und ich begriff. Metall und Fleisch, Fleisch und Metall. Der Rest des Tages fanden meine Gedanken Ruhe, denn endlich war mir klar, daß dies alles einen Sinn hat. Er ist verwinkelt und schwer zu überblicken und auch ich sehe nur ein Bruchstück, aber es gibt einen Sinn.
Sie und ich.
Endlich verstehe ich es.