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Autor: knochengott

Erstellt am: 10.06.2008

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laufen



Geschrieben von:   knochengott


Teil des Episodenwerkes: jekyll

  - Einleitung
  - Kapitel 1: unbekanntes element
  - Kapitel 2: laufen
  - Kapitel 3: oberhand
  - Kapitel 4: ihr spiel


Mein Bett bewegt sich. Ich sehe es niemals, aber ich weiß genau wie es seinen Schatten an die Wand wirft. Und heute morgen war er verändert. Genau wie gestern und vorgestern. Sie denken ich merke es nicht, aber sie sind zu unvorsichtig. Wenn ich aus dem Fenster sehe kann ich den wolkenverhangenen Himmel sehen und er ist blau hinter den Wolken. Dabei weiß ich sicher, daß er rot ist, rot wie Wasser. Sie beobachten mich, untersuchen mich, katalogisieren mich. Doch ich sehe ihre Fehler, ihre Signale überall. Sie versuchen mir das Gefühl zu geben, ich würde wahnsinnig werden. Machmal wünschte ich es wäre so. Simpler Wahnsinn. Dann wäre alles in Ordnung, die Welt wäre in Ordnung. Doch so ist es leider nicht. Woher habe ich sonst dieser Bilder, diese Fetzen in meinem Kopf. Bilder von verzerrten Menschen, Visionen von menschenverachtenden Dingen, von Gewalt, Blut und Sex, immer wieder Sex. Und dann ist da diese Angst, dieser konturlose klare Angst immer wenn ich in einen Spiegel sehe. Das warten, ob ich mich diesmal verändern werde, ob diesmal die Wirklichkeit mir mein wahres Gesicht zeigen würde. Es ist beängstigen.

Ich denke von Tag zu Tag mehr, daß sie dazugehört. Es muß einfach so sein, denn von Tag zu Tag dringt mehr und mehr der Gedanke in mich ein, ihr diese Kälte aus dem Gesicht zu schlagen. Das kann nicht ich sein, daß sind sie, die mir diesen Gedanken einpflanzen. Ihre Augen sind so kühl und urteilend unter dem Pony, ihr schlanker Körper gebaut an Orten, die es nicht geben soll. Sie ist für mich da, soll mich ausreizen, ausspionieren. Sie kommt von ihnen. Aber bin ich mir sicher? Die ehrliche Antwort lautet nein. Ich denke sie ist gebaut worden, im echten jetzt und hier, nicht geboren in dieser Überwirklichkeit, die sie erschaffen haben. Es muß so sein, denn ich erinnere mich an Bilder aus dem hier und jetzt. Doch warum wollen sie mir glauben machen, daß es 2004 ist? Warum nur?
Sie setzt mir diese Stimme in den Kopf, die es gerne sehen würde, wenn dieser ruhige Ausdruck in ihrem Gesicht ein anderer weichen würde. Vielleicht Ekstase, vielleicht Angst, vielleicht Schmerz – egal, nur endlich ein Ausdruck. Etwas das mir zeigt, daß sie kein Automat ist, kein Ding ohne Seele. Ich zweifle, schwanke - doch letztendlich muß ich mich wohl überwinden. Doch mir graut davor, ihr diese Dinge anzutun. Mir graut vor der Freude, die bei dem Gedanken in mir entsteht.

Zeichen. Sie hinterlassen überall Zeichen, denn sie sind sehr beschäftigt, überall leckt die Realität durch. Schriftzüge mit unbekannten Worten auf Toiletten, deren Klang mir einen Schauer über den Rücken laufen läßt. Fehler in meinem Kopf, unfertige Löschung des Gehirns, durchdringen von bizarren Gedanken, die mich zweifeln lassen, ob wir noch Menschen sind. Ob ich noch Mensch bin. Und dann heute wieder so ein Riß in der Realität. Die Bushaltestelle war voller Menschen, die sich stimmlos und bedrohlich hin und her schoben, dem Regen auswichen und mich umschlossen. Da riß die designte Realität und ein Stück Wirklichkeit drang durch. Ein sechsbeiniges gepanzertes Ding schlich die Straße entlang, die grauen stumpfen Augen auf mich gerichtet. Auf seinem Rücken ritt ein Mann in schwarzen Uniform mit einem silbenen Gewehr, dessen Lauf vier Meter lang schien. Keuchend und giftig stinken schlängelte sich das Ding an der Haltestelle vorbei und genauso plötzlich wie die Überrealität gerissen war, schlug sie wieder zusammen und nahm die beiden mit. Ich schloß die Augen, biß mir auf die Faust und redete mir immer wieder ein – der Himmel ist rot, nicht blau – rot nicht blau. Manchmal funktioniert es und ich spüre mich wieder, wie ich in die Realität, die sie für uns geschaffen haben zurückfalle. Aber nicht heute. Nicht heute.

Wieder ein Nacht, in der ich glaubte Bewegungen zu spüren. Mühselig riß ich mich von meinem Traum los. Wieder war mein Bett bewegt worden und wieder ist niemand zu sehen. Ich unterdrücke die letzten Bruchstücke des Traumes, doch sie sind störrisch und drängten mir entgegen. Wieder einmal der Traum von meiner Gemeinschaft. Wir sind vier und wir richten. Wir richten wen wir kennen und wir richten mit Freude. Diesmal einen Freund von mir, ohne das mir einem meiner Gesellen einen Grund genannt hätte. Wir brachen bei ihm ein, es waren verwaschenen Bilder, der Himmel brannte rot und die Erde war schwarz – heiß. Er war da, seine Freundin ebenfalls. Während immer einer von uns ihn systematisch zusammenschlug, vergewaltigten und prügelten wir anderen seine Freundin im Nebenzimmer, immer darauf bedacht, daß sie laut genug schluchzte und schrie.
Gräßlich.
Ich ziehe mir die Decke von den nassen Beinen und da ist ein nasse Fleck in meinem Schritt. Mein Penis ist steif und pochte wie ein kranken Zahn. Wer war ich früher? Das kann kein Traum gewesen sein, daß muß eine Erinnerung an die Wirklichkeit gewesen sein! Der rote Himmel, die bizarre Situation, alles spricht dafür. Diese menschenverachtende Art. Doch im Moment frage ich mich, ob es wirklich Realität sein kann. Ob es nicht vielleicht doch ich bin, der diese Gedanken und Gestalten hervorbringt und ob mich nicht doch der Wahnsinn beschleicht.
Ich bin jetzt sicher, daß es morgen sein muß. Ob ich ihr die Augen unter dem Pony ausdrücken muß, um zu sehen, ob es mich abstößt oder ob die Freude überwiegen wird. Meine Hände zittern und das ist furchtbar – ich weiß nicht, ob es Vorfreude oder Abscheu ist. Ich weiß es einfach nicht.