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Autor: knochengott

Erstellt am: 23.03.2008

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neugierige hände



Geschrieben von:   knochengott


Anmerkungen des Autors:
zum selben thema habe ich noch eine geschichte geschrieben - sie heißt \"zirkusattraktion\" - aber von den beiden finde ich diese besser. der text ist nicht zu lang, die aussage ohne fingerzeig und ich persönlich kann mich hier mit dem \'held\' gut identifizieren...



Verdammt noch mal.
Ich habe das Gefühl, ich schrubbe hier schon seit schätzungsweise drei Jahren die Schuhe im Waschbecken, aber denken Sie die verdammten Flecken gehen raus!? Das ist etwas, das in allen Filmen vergessen oder beflissen übergangen wird: Blutflecken sind echt schwer auszuwaschen. Anna fragt sich bestimmt schon, warum ich so lange brauche. Sie wartet vor der Herrentoilette. Seit 20 Minuten. Und ich hänge hier über dem einen, winzig kleinen Waschbecken und schwitzte wie ein Schwein, während ich krampfhaft, nein hektisch versuche die Flecken loszuwerden. Nicht das sie auf den dunklen Turnschuhen leicht zu sehen sind, aber man weiß ja nie. Mißgeschicke passieren zu häufig.

Ich hab mal von einem Bankräuber gehört, der geschnappt wurde, weil seine Karre nicht sofort ansprang. Keine göttliche Fügung oder übernatürliche Wesen, die für Recht und Ordnung sorgen, die Bösen bestrafen und die Guten schützen. Einfach ein Mißgeschick. Der Kerl hatte sein Auto an einer Anhöhe (obwohl Anhöhe ist zuviel gesagt, die Vorderräder auf dem Bordstein wären steiler gewesen) geparkt und der verdammte Vergaser war schlicht und einfach abgesoffen. Ein Mißgeschick. Genauso eins ist mir gerade passiert.

Ich wollte den Typ nicht töten, ich kannte den Kerl ja nicht mal. Aber als er rein schlenderte, fingen SIE an zu jucken. Meine Hände. Sie sind an allem Schuld. Jaja, ich weiß, daß klingt nach einer verdammt einfachen Ausrede, aber es ist die Wahrheit. SIE tun es einfach. Ich kann nichts dagegen machen.

Es fing alles vor einem halben Jahr an. Ich bin hierher gezogen. In eine der kleinen Mietskasernen. Gräßliche Bude. Zu wenig Fenster, um im Sommer die Sonne sehen zu können und zu viele Ritzen und Löcher um es im Winter warm und gemütlich zu haben. Naja und kurz nachdem ich eingezogen war fing es an. Erst juckten SIE permanent. Ich war beim Arzt, der allerlei Test machte. Allergietests. Ohne Befund. Also verschrieb er mir so eine Salbe, die meine Finger anschwellen ließ. Aber das Jucken hörte auf, jedenfalls für eine Weile. Und da merkte ich auch, daß das Jucken nicht auf den Händen war, sondern in den Händen. Es fühlte sich an, als ob sie wachsen oder so etwas. Ein leises aber stetiges Jucken und Zwicken. Und dann fingen die Träume an. Jaja ich weiß, wieder so ein Klischee, aber soll ich Ihnen die Tatsachen erzählen, oder nicht? Ich tue nicht zu der Geschichte dazu und lasse auch nichts weg.
Also, die Träume.
Die waren wirklich seltsam. Plötzlich von heute auf morgen waren sie da. Ich sah mich im Bett liegen, schlafend, die Bettdecke wie immer nur bis zum Bauch hochgezogen, alles okay. Aber irgendwie sah die Perspektive verzogen aus. Ich wußte mehr, als das ich sah, das ich es war und das es mein Bett war, den sehen konnte ich ein riesiges Monster, daß furchtbare Laute von sich gab und von etwas Gräßlichem halb bedeckt war. SIE sahen mich so, als etwas Abstoßendes, Scheußliches. SIE fürchteten sich zu Tode vor mir und waren froh, daß die Bettdecke nur die Hälfte von mir zeigte. Ach so, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, SIE reden nicht mit mir, nicht im Sinne von wirklich reden, aber ich kann SIE spüren. Es dauerte eine Weile, bis ich daß begriff. Und SIE tun noch eine Menge mehr als jucken. Das bemerkte ich aber erst später.

Ich war unterwegs, einkaufen, und plötzlich fing das Jucken wieder an. Und ich spürte, wie SIE die Welt sahen, als schrecklich lauten, grellen, extrem bösartigen und feindlichen Ort. Ich sah eine Frau, Mitte zwanzig, blond, sehr sinnlich. SIE sahen ein weiteres Monster, grotesk anzusehen, erschreckend fremdartig. Ich glaube SIE sind interessiert an uns. SIE juckten immer schlimmer und irgendwann bemerkte ich, daß ich der Frau folgte, ohne es wirklich zu wollen. Also ich meine, wenn Sie diese Frau gesehen hätten, der wären Sie auch gern gefolgt. Als wir in eine ruhige Ecke des Kaufhauses, ich glaube irgendwo in der Nähe der Toiletten waren, drehte sie sich um und strahlte mich breit an. Natürlich hatte sie bemerkt, daß ich ihr folgte, immerhin gaben SIE sich keine Mühe das zu verstecken. Sie drehte sich also um, lächelte und wartete. Ich blieb stehen, betrachtete sie durch SIE, ihre Fremdartigkeit, ihre Komplexität, ihre Monstrosität. Und plötzlich machte sie einen Schritt auf mich zu um etwas zu sagen und im nächsten Moment war sie tot. Natürlich nicht einfach so, es passierte eine Menge dazwischen, aber zeitlich kam es ungefähr so hin. Zack, nur einen Augenblick und es war vorbei. Ein Mißgeschick.

SIE sind neugierig, wissen Sie? Nicht intelligent in unserem Sinne, aber neugierig. Und SIE versuchen uns kennen zu lernen. Also beobachten SIE. Das ist nicht immer schön für mich. IHRE Art uns zu sehen ist schon ziemlich, naja krank eben. Und manchmal passieren dabei Mißgeschicke. Wie gesagt, SIE sind nicht wirklich intelligent.

Der fette Kerl eben, daß war auch ein Mißgeschick. Er stand neben mir am Pissoire und pfiff fröhlich vor sich hin. Als er herein kam fingen SIE schon an zu kribbeln. Andere Personen erwecken immer IHRE Aufmerksamkeit. Und als er sich dann auch noch direkt neben mich ans Pissoire stellte, zuckte und vibrierte es in IHNEN so sehr, daß ich mir fast auf die Schuhe pisste. Aber nur fast. Ich warf einen kurzen Blick zu ihn, er erwiderte ihn, maß mich von oben bis unten (wobei er meiner Körpermitte einen besonders langen Augenblick zudachte) und schenkte mir ein breites Grinsen. Ich glaube er war schwul oder sowas. Naja wie gesagte er grinste, ich schrak zurück, angewidert von seinem offensichtlichen Hang zum Spannen und zack, war er tot. Irgend etwas in ihm explodierte einfach und er fiel um, wobei er eine Menge Blut über meinen Turnschuhe vergoß.

Bei der Frau hat es mich noch echt erschreckt, als ihr der Kopf auf einmal auseinanderflog. Mann, war das eine Sauerei, immerhin stand ich kaum zwei Meter von ihr entfernt. Ich wäre gleich weggerannt mit all dem Blut und Hirn im Gesicht, aber SIE blockierten mich und gaben mich erst frei, als ich mich beruhigt hatte. SIE hatte natürlich auch Angst. Das konnte ich spüren. SIE drängten mich in die Toilette und nachdem ich mich gewaschen, ausgekotzt und die Jacke weggeworfen hatte, ging ich einfach.

Und jetzt steh ich hier mit einem Fuß im Waschbecken und betrachte kritisch das Resultat. Es wird wohl so gehen, denke ich. Der Kerl hinter meinem Rücken verbreitet seinen Blutlache immer weiter. Ich sollte jetzt gehen. Anna wartet immer noch. Wir wollen ins Kino. Keinen Horrorfilm, die mag ich nicht. Eine Romanze. Ich freue mich schon. SIE mögen Romanzen auch. Dann vergeht das Kribbeln fast. Ich mach mir nur ein bißchen Sorgen, wegen dem Foyer. Die vielen Menschen könnten problematisch werden. Ich fürchte, es könnte ein Mißgeschick passieren. Wissen Sie, SIE sind unheimlich neugierig, aber SIE haben auch Angst vor uns Monstren. Und man sollte SIE nicht erschrecken. Das hatte der schwule Kerl gerade auf die harte Tour lernen müssen.
Inzwischen stört es mich kaum noch. Nur die Sauerei ist immer nervig. Aber man gewöhnt sich an alles, glauben Sie mir.
Auch an neugierige Hände.