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Autor: Hagalaz

Erstellt am: 13.12.2007

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KAROLA



Geschrieben von:   Hagalaz


Teil des Episodenwerkes: Join (Oder: Mein Leben, wie ich es sehe)

  - Einleitung
  - Kapitel 1: DER "Goldene Krug"
  - Kapitel 2: DIE SCHERGEN
  - Kapitel 3: KAROLA
  - Kapitel 4: MISCHA
  - Kapitel 5: PIRATEN


Während ich mich durch den Wald schlug, dachte ich darüber nach, was ich eigentlich von Karola wußte. Sie war über viele Jahre mein Kindermädchen gewesen. Als ich noch ganz klein war, hatte sie mich immer auf ihrem Schoß sitzen lassen und mich getröstet, wenn ich mir weh getan hatte, mit mir geschimpft, wenn ich Unsinn gemacht hatte. Sie hatte mir die Bedeutung von richtig und falsch beigebracht, als ich größer wurde. Aber viel mehr wußte ich nicht, weil sie mir trotz ihrer Fürsorge für mich immer sehr unnahbar erschien. Sie war zwar immer für mich da, aber sie war auch immer sehr verschlossen, was ihre eigene Person anbelangte. Und seit ich damals auf die Akademie gegangen bin, hatte ich sie nicht mehr gesehen. Ich wußte zwar, wo sie wohnte, weil sie mich einmal mit zu ihr nach Hause genommen hatte, als mein Vater sich schwer verletzt hatte und ins Spital musste, aber damals war ich noch sehr klein und ich kann mich nicht mehr wirklich daran erinner. Aber merkwürdigerweise stellte in nun fest, dass ich mich trotzdem noch sehr gut an den Weg zu ihr erinnern konnte. Plötzlich fiel mir auf, was mein Vater gesagt hatte. Er nannte sie 'Seherin'. Aber ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Wiedereinmal wurde mir bewußt, dass ich wirklich viel zu wenig von dem wußte, was um mich herum alles passiert.

Es war bereits dunkel, als ich endlich die kleine Lichtung erreichte, auf der Karolas kleine Hütte stand. Zu meiner Erleichterung bemerkte ich hinter einem der schmalen Fenster ein dünnes Licht. Sie war zu Hause, den Göttern sei dank. Ich wußte nicht, was ich getan hätte, wenn sie nicht da gewesen wäre. Ich ging zu der schweren Holztür und klopfte.
"Komm herein, mein Sohn!" Ihre warme Stimme machte es mir gleich ein wenig wärmer ums Herz, denn ich erinnerte mich bei ihrem Klang sofort wieder daran, dass ich mich in ihrer Gegenwart immer absolut sicher und geborgen gefühlt hatte. Also trat ich ohne weiteres Zögern ein.
Ihre Hütte war genauso, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ein einziger Raum in dessen Mitte der große Kachelofen stand, der für wohlige Wärme sorgte und auf einer Seite eine niedrige Fläche hatte, die als Herd diente. Auf dieser Seite stand ein Tisch an dem drei Stühle standen. Auf einem saß sie´und las in einem Buch, wobei eine Kerze auf dem Tisch für das bischen Licht sorgte, das sie benötigte. Auf der entgenegesetzten Seite stand ihr Bett, in dem ich damals mit ihr geschlafen hatte, wobei sie mich sanft in die Arme geschlossen hatte, so dass ich gwusst hatte, bei ihr musste ich nie Angst haben. An der der Eingangstür zugewandten Ofenseite stand eine große, schwere Truhe, in der sie einige wichtige Utensilien aufbewahrte, soweit ich das noch wusste. Und an der hinteren Wand stand ein riesiger Schrank, der bis zur Decke reichte, in dem sie in der einen Hälfte ihre Kleidung und in der anderen Hälfte Geschirr, Töpfe und Besteck aufbewahrte. Obwohl sie so klein war, dass sie nicht bis zu den oberen Fächern des Schrankes reichen konnte, wusste ich, dass sie dazu immer auf einen Hocker stieg, der sich neben dem Schrank befand.
Ich schaute mich eine Weile in dem Zimmer um und ließ die Eindrücke aus meiner Kindheit auf mich einwirken. Als mein Blick wieder zu ihr und dem Tisch zurückschweifte, bemerkte ich, dass sie mich aufmerksam und mit einem fröhlichen Lächeln beobachtete. "Du hast länger gebraucht, als ich dachte.", sagte sie mit ihrem Lächeln im Gesicht.
Ich starrte sie nun verdutzt an. "Du hast mich erwartet?" - "Natürlich. Ich habe schon lange damit gerechnet, dass dein Vater dich irgendwann einmal zu mir schicken würde. Setz dich." Sie deutete auf den Stuhl ihr gegenüber. "Du hast doch bestimmt Hunger, oder nicht?" Ohne auf meine Antwort zu warten, ging sie zum Schrank, holten einen Teller und einen Löffel heraus. Sie füllte etwas von dem Eintopf, der auf dem Herd stand, in den Teller und stellte ihn vor mich auf den Tisch. Noch bevor ich ihr eine Frage stellen konnte, wischte sie mit einer kurzen Bewgung alle meine Fragen zur Seite und sagte mir, ich sollte erst einmal etwas essen. Wir hätten hinterher noch genug Zeit uns zu unterhalten.
Erst jetzt wurde mir bewußt, wie hungrig ich war, also schlang ich so schnell den Eintopf hinunter, dass ich mich verschluckte. Sie hatte inzwichen schon einen Bescher geholt und ihn mit dem klaren Wasser gefüllt, dass sie aus ihrem Brunnen vor dem Haus in eine Karaffe gefüllt hatte, die neben der Kerze auf dem Tisch stand. Ich nahm einen Schluck und löffelte danach etwas ruhiger meinen Teller leer. Nachdem sie dann die Sachen in einem Eimer abgespült abgespült hatte, stellte sie sie wieder in den Schrank zurück. Erst jetzt setzte sie sich wieder zu mir an den Tisch und schaute mich erwartungsvoll an. Meine Gedanken schwirrten wild in meinem Kopf herum. Ich war nicht in der Lage, eine Frage zu stellen und so stammelte ich nur vor mich hin. "Du bist ... ich meine ... warum hat mir nie jemand ... was machst du hier eigentlich ... ich...!" Sie lächelte mir wieder zu und unterbrach mich dann sanft. "Langsam mein Sohn. Ich glaube ich kann dir alles erklären, was du wissen willst. Und vielleicht kann ich dir auch einiges erklären, was du nicht wissen willst, aber wissen solltest."
Nun beruhigte ich mich etwas, denn ihr Blick löste in mir wieder dieses Gefühl aus, dass ich jetzt absolut geborgen war. Sie legte bedächtig ihren Kopf auf die Seite und schien in weite Ferne zu blicken. Ihr Lächeln wich einem angestrengten Gesichtsausdruck, der mich allerdings nicht weiter beunruhigte.
"Es wird nicht ganz einfach für dich sein, das alles zu verstehen, aber ich versuche dir das so einfach wie möglich zu erklären. Da ich eine der Seherinnen hier in der Gegend bin, war ich bei deiner Geburt dabei und half deiner Mutter, dich auf die Welt zu bringen. Es war eine sehr schwere Geburt.Nicht nur, weil du schon 2 Wochen über der Zeit warst. Irgendwie schien es, als wolltest du gar nicht heraus kommen zu wollen. Und das alleine war schon eigenartig genug. Dazu hatte ich das Gefühl, dass deine Mutter dich irgendwie auch nicht hergeben zu wollen schien. Es war so, als wollte sie dich für immer ganz nah bei sich - gar in sich behalten. Sie schien damals schon auf irgendeine Weise gewusst zu haben,dass ihr zwei nicht sehr viel Zeit gemeinsam verbringen würdet. Als sie dann so plötzlich starb, als du gerade mal zwei Jahre alt warst, bin ich dann als Kindermädchen zu euch gekommen.Dein Vater hat den Verlust seiner geliebten Ehefrau nie überwunden und sich völlig in sich zurückgezogen. Und einer musste sich doch um dich kümmern. Aber das wichtigste daran ist, dass ich schon bei deiner Geburts gemerkt habe, dass du anders bist als alle anderen Babys, die ich in meinem Leben zur Welt gebracht hatte. Ich kann dir zwar nicht sagen oder beschreiben, in welcher Weise du anders bist, aber ich habe den Eindruck, dass du kein Schksal hast. Es ist so, als wäre dein Lebensweg völlig offen, wohingegen bei jedem anderen Mensch schon bei der Geburt zu spüren ist, in welche Richtung er sich mal entwickeln wird. Ich glaube die Götter alleine wissen, was aus dir einmal werden wird. Aber Bäcker wirst du wohl nicht werden."
Ihr Blick festigte sich wieder und plötzlich lachte sie hell auf. Erst jetzt merkte ich, dass ich sie mit offenem Mund und großen Augen ungläubig anstarrte. Ich klappte meinen Mund zu und versuchte mich etwas zu entspannen, was mir aber nicht besonders gut gelang. "Ich habe mir auf dem Weg hierher auch die Frage gestellt, was aus mir mal wird und ich habe gemerkt, dass ich Angst habe, vor dem, was vor mir liegt. Auch wenn ich nicht weiß, was es ist." Meine Stimme bebte vor Erregung. Karola ergriff meine zitternden Hände und ich spürte, wie sie mich zu beruhigen versuchte. "Mach dir nicht so viele Gedanken darüber, was werde wird. Denn weder du noch sonst irgendeiner auf der Welt wird dir diese Frage beantworten können. Das einzige, was du tun kannst, ist den nächsten Tag zu erwarten, zu erleben und darauf zu vertrauen, dass du auf deinem Weg immer wieder auf Menschen treffen wirst, die du nicht kennst, aber die dir helfen werde. Und die werden selbst nicht wissen, warum sie dir helfen wollen. Vertaue auf die Götter, denn sie wissen, was sie tun. Aber jetzt ist es gut. Du kannst dich ins Bett legen und schlafen, denn du musst müde sein. Sei gewiss, dass du hier absolut sicher bist, vor allem, was dir vielleicht schaden möchte. Ich muss nochmal weg, werde aber morge früh wieder zurückkommen."
Ohne einen weiteren Wiederspruch ging ich zu ihrem Bett hinüber, zog mich auf und schlüpfte unter die Decke. Meine Augen fielen schon zu, als ich gerade noch bemerkte, wie Karola die Hütte verlies. Und schon war ich eingeschlafen.....