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Autor: Anthea

Erstellt am: 05.11.2007

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Dunkle Nächte



Geschrieben von:   Anthea


Anmerkungen des Autors:
Ein Teil von etwas Größerem



Regen, unzählige Wassertropfen lösten sich aus den tiefhängenden Wolken, deren schmutziges Grau fast die Dächer der Häuser berührte, und zerplatzten, explodierten fast schon auf den Strassen und Dächern der Stadt.
Diese kleine Stadt lag in einem kleinen Tal am Rande eines Gebirges dessen Gipfel man fast nie sehen konnte, da sie in den weißen Wolken verschwanden oder wie in diesem Augenblick im Grau der Wolken untergingen. Nur wenige waren auf den Strassen zu sehen und genossen die Nacht und den Regen. Niemand hatte mehr einen Blick dafür und genoss das Gefühl der auf seinem Gesicht auftreffenden Regentropfen.
Eine einsame Gestalt wanderte über die Dächer der Stadt. Lange nasse Haare klebten ihm im Gesicht und am Kopf und kaum nur bemerkte man die feinen Spitzen seiner Ohren die auf eine elfische Abstammung hindeuten möchten. Nass klebte auch seine Kleidung an seinem Körper doch wagte er nicht sich irgendwo unterzustellen oder sich in ein Gasthaus zu begeben...er genoss das Gefühl zu sehr, das diese Nacht ihm gab. Er verstand die Menschen nicht. Viel zu oft wollte er das auch nicht und viel zu oft hatte man ihn aus der Stadt gejagt. Er war anders als sie und sie hassten was anders ist.
Nur in diesem Augenblick nicht mehr daran denken. Nicht das schöne Gefühl vergessen und verdrängen. Nahe an einer Kante blieb er stehen und schloss die Augen....atmete tief durch und gab sich wieder dem Gefühl hin das ihm der Regen bescherte...
Von einem Augenblick zum nächsten trat ein Lächeln auf seine Lippen, das seinen feinen Zügen ein Leuchten verlieh. In seine dunklen Augen trat ein Ausdruck, der nur als zärtlich beschrieben werden konnte. Er fühlte ihre Anwesenheit, wusste, dass sie hinter ihm mit katzenhafter Leichtigkeit lautlos auf das Dach empor gestiegen war. Er musste sie nicht sehen, um zu wissen, dass ihre tiefblauen Augen leuchteten, dass ihr bläulich-weißes Haar, das so fein war, dass ein jeder Lufthauch es verspielt umherwirbeln konnte, vom Regen durchnässt an ihrem Rücken klebte und immer noch einen weich fließenden Eindruck machte.
Er wartete, bis sie von hinten an ihn heran getreten war und ihre Arme, deren Hautfarbe sich kaum von dem mitternachtsblauen Hemd unterschied, das sie trug, um ihn gelegt hatte. Sie war eine Dunkle, aber dennoch war sie anders als alle Angehörigen ihres Volkes. Sie war gut, und das war ihr größtes Verbrechen. Sie war von ihrem Clan vor langer Zeit verstoßen worden und seither heimatlos – wobei, sie hatte eine Heimat, immer dort, wo auch er gerade war.
Sie war eine Kriegerin für die Göttin der Weisheit und der Wahrheit geworden – ein Paladin. Sie war die erste und mit Sicherheit auch die letzte ihres Volkes, die eine Aufnahme in diesen Orden angestrebt hatte, und die ihr auch gewährt worden war. Sie war Ordenskriegerin, seit vielen Jahren, und eigentlich war es ihr untersagt, ihr Leben an ein anderes Wesen zu binden, aber sie hatte es getan, die Strafe dafür erduldet und überlebt. So durfte sie dem Orden weiter angehören. Sie hatten mehr gemeinsame Nächte verbracht, als ein Menschenleben aufzuweisen hat.
Er erinnerte sich noch genau an jenen Tag, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Ihr gemurmeltes „Lange konnte ich dich nicht sehen, Geliebter“, riß ihn aus seinen Gedanken. Sie hatte sich von hinten an ihn geschmiegt und den Kopf an seine Schulter gelegt. „Ja, ich weiß, lange, Shaiann“, antwortet er so leise, dass der Wind die Worte von seinen Lippen fort trug. Aber sie hatte ihn trotzdem gehört, nicht mit ihren spitzen Ohren, aber mit ihrem Geist. Dieses Band, das zwischen den beiden bestand, ließ den einen auch über hunderte von Meilen hinweg fühlen, wie es dem anderen in jedem Augenblick erging. Sie hatten dieses geistige Band geknüpft, als sie ihrer beider Leben verbunden hatten. Sie beide würden nun auch gemeinsam sterben. Sollte das Licht des einen vom anderen getrennt verlöschen, so würde der andere so rasch folgen, dass er nicht mehr den nächsten Sonnenaufgang sehen könnte.
Seine Hände schlossen sich nun um ihre, lösten sacht die Umarmung, damit er sich zu ihr umwenden konnte.
Und immer noch Regen. Dunkelheit. Und doch war es so schön dies zu fühlen, dies zu fühlen mit ihr. Ein sachtes Lächeln spielte auf seinen Lippen als er nun in ihre Augen sehen konnte. Seine Augen so dunkel, dass sie selbst das Licht zu verschlucken schienen und unendlich tief wirken konnten, wie ein endloser See aus Leere. Und doch erfüllt von Freude weil sie da war. Sie die er so sehr vermisst hatte dass seine Zunge keine Worte dafür fand.
Und so herrschte Stille auf dem Dach des Hauses. Ruhe. Und nur das leise Rauschen des Regens war zu hören. Dafür konnte sie seine Wärme spüren, seine Nähe, die unbändige Kraft und Wildheit fühlen die sich unter der zarten Haut verbarg.
Das, was sie das erste Mal fast schmerzhaft gespürt hatte, was sie gespürt hatte wie eine drohende Wolke an dem Tag, an dem sie ihn zum ersten Mal getroffen hatte. Und nun doch so viel vertrauter. Er war sanft wie ein leiser Windhauch im Sommer und konnte doch schnell zu einem alles zerstörenden Sturm werden.
Er war der letzte seines Volkes,. der letzte seiner Art, der einzig überlebende der grossen Jagd, wie die Menschen die Säuberung der Nachtwälder nannten. Die Unterwerfung der Natur. Er hatte alles verloren an jenem schicksalhaften Tag und doch hatte er später so viel gefunden.
Seine Liebe zu ihr. Er hatte sie gefunden und ihr sein Herz geschenkt. Und das war etwas, das er niemals wieder missen mochte, das Gefühl doch irgendwie in ihr ein neues Zuhause zu haben.
Sie stand viele Herzschläge lang reglos vor ihm, ihre Finger mit den seinen verschränkt. Ihr Blick verlor sich in der unergründlichen Tiefe und Dunkelheit seiner Augen. In manchen Augenblicken huschte ein zärtliches Lächeln über ihre Lippen, aber dies war die einzige Regung während ihre beiden Seelen Zwiesprache hielten. Die Tropfen des unablässig fallenden Regens verschleierten ihren Blick, ermöglichten so den Bildern der Vergangenheit vor ihr geistiges Auge aufzusteigen. Ihre Erinnerung wanderte durch Raum und Zeit, zurück bis zu jenem Tag, an dem sie ihn zum ersten mal getroffen hatte...
Shaiann ritt rasch durch die Nacht, Immer wieder spornte sie den hellen, falbenfarbenen Hengst mit Worten an, und er gehorchte, indem er leichtfüßig über den harten Steppenboden galoppierte. Dieses helle Pferd stand selbst in der Nacht in einem so deutlichen Gegensatz zu seiner dunkelhäutigen Reiterin, die zudem auch noch dunkel gekleidet war, sodaß man meinen konnte, ein Schatten ritte durch die Finsternis. Allein ihr bläulich-weißes Haar, das im schnellen Ritt hinter ihr her wehte, wies sie als lebendes, atmendes Wesen aus, denn Schatten waren unförmige, körperlose Gebilde, die durch keine Haare geziert wurden.
Plötzlich zügelte sie ihren Hengst, ungewöhnliche Laute waren an ihre spitzen Ohren gedrungen. Das helle Pferd hielt tänzelnd an und stand schließlich bewegungslos wie eine Statue, während seine Reiterin aufmerksam in die Nacht lauschte. Nach einigen Atemzügen hörte sie es wieder – es waren deutliche Kampfgeräusche, die vom Waldrand, der in der nur vom Sternenlicht erhellten Nacht gerade noch auszumachen war, an ihr Ohr drangen. Shaiann zögerte nun keinen Augenblick mehr, war es doch ihre Pflicht als Ordenskriegerin im Dienste der Göttin der Weisheit und der Wahrheit, Kämpfe zu schlichten und Ungerechtigkeiten zu verhindern oder auszugleichen. Sie legte ihre Beine eng an die Flanken des Hengstes, der in raschem Galopp auf den dunklen Wald zuhielt.
Dort angekommen, bot sich der dunklen Kriegerin ein Bild, das ihren Zorn zu Recht aufflammen ließ. Sie musste mit ansehen, wie sich ein einzelner Elf mit all seiner Macht, Geschicklichkeit mit der Waffe und Körperkraft gegen sieben junge Männer zu wehren versuchte, die immer wieder mit ihren Waffen und Fackeln auf ihn einhieben. Die jungen Männer waren, ihren Uniformen nach zu urteilen, Landdragoner. Shaianns Zorn stieg zur gleichen Zeit mit der traurigen Gewissheit auf, dass es diesen Hass der Menschen auf die langlebigen Elfen wohl immer geben werde. In einer einzigen, geschmeidigen Bewegung sprang sie vom Rücken ihres Pferdes und lief auf die Kämpfenden zu. Im Laufen zog sie ihr schmales, im Licht des Mondes bläulich schimmerndes Schwert, dessen Klinge mit unzähligen Runen verziert war. Sie rief die Männer an und versuchte ihnen im Namen ihrer Göttin Einhalt zu gebieten, doch statt einer Antwort griffen sie zwei der Dragoner nun die Ordenskriegerin an. Die zwei Männer liefen säbelschwingend auf sie zu. Die Elfe blieb federnd stehen und maß die herannahenden Männer mit ruhigem Blick. Keiner der beiden zählte mehr als 20 Winter und hatte wirklich Erfahrung im Zweikampf. Beide hatten bereits leichte Wunden davon getragen, die ihnen der immer noch kämpfende Elf beigebracht haben musste. Einer war sehr groß und hager, seine Bewegungen schlaksig, ein wenig ungelenk. Der andere war dafür stämmig, bullig und bewegte sich mit größerer Sicherheit auf die Elfe zu. Shaiann wich dem ungestümen Angriff des Bulligen leichtfüßig aus und stand nun zwischen den beiden Menschen. Durch rasche, aber keineswegs hektische Bewegungen, konnte sie beide im Blick behalten. Der Hagere kam nun wieder auf sie zu und führte einen deutlich zu erkennenden Hieb von oben. Das schlanke Schwert schoß vorwärts, aufwärts und Stahl traf kreischend auf Stahl, als sie den Hieb parierte. Mit einer raschen Drehung des Handgelenks hebelte sie den Säbel aus dem Griff des Hageren, der mit verdutztem Blick den Flug seiner Waffe beobachtete. Derart unaufmerksam und ungeschützt, war sein Kinn ein leichtes Ziel für die vorschnellende linke Faust der Elfe. Ohne einen Laut ging der Mann bewusstlos zu Boden, als seine Beine unter ihm einknickten.
Von der eben erbrachten Darbietung ihres Könnens etwas vorsichtiger geworden, umkreiste sie der verblieben Dragoner wie eine wachsame Bulldogge, schien sich aber nicht zu einem unüberlegten Angriff hinreißen zu lassen.
Der andere Elf kämpfte immer noch verbissen.

Auch seine Gedanken rasten zu der Vergangenheit die ihn überrollt wie eine riesenhafte Welle. Doch er war an Erfahrungen reicher geworden und konnte daher die aufsteigende Wut beherrschen.
Sie hatten ihn gejagt. Tage- und Wochenlang. Bis er dann den sieben Menschen in die Arme gelaufen war. Landdragoner und keine Kämpfer doch sieben gegen einen. Im Nu war klar dass diese Menschen ihm nicht so wohl gesonnen waren wie er es sich gewünscht hätte. Säbel wurden mit einem leisen metallischen Geräusch aus den leicht geschwungenen Scheiden gezogen. Warum mussten sie töten was anders war als sie?
Damals war er noch unerfahren gewesen. Geschult in dem was ein Beschützer der Wälder können musste doch ohne Erfahrung darin seine Wut zu beherrschen. Und so hatte er getan was nicht mehr zu ändern war.
Seine Schwerter zog er mit unirdischer Stille. Kürzer als gewöhnliche Langschwerter waren die beiden in einem gleißenden, silbrigblauen Stahl gehalten. Geschmiedet in den Feuern der Schattenberge in der Mitte der Nachtwälder. Meisterwerke wie jedes dieser Art und nur wenige bekamen sie je zu Gesicht.
Im Nachhinein konnte er nicht mehr sagen wie lange er kämpfte. Wieviele Schwerthiebe er parierte und ausführte. Wie oft er verletzte und verletzt wurde. Und mit jedem Hieb wurde sein Zorn seine Wut größer bis sie unhaltbar war und seine Klingen um ihn wirbelten wie ein Sturm. Dass noch jemand in den Kampf eintrat bemerkte er nicht. Mit kraftvollen kaum sichtbar schnellen Hieben entwaffnete er die restlichen Männer ehe er gnadenlos sie alle tötete bis zuletzt nur sie stand.
Seine Klinge an ihrer Kehle hielt er inne um sacht auf die Knie zu sinken und heftig durchzuatmen. Erschöpft steckt er die Klingen weg.
Lange Zeit hatte er dort gekniet und es war Regen; Regen wie in der Nacht des Wiedersehens der ihn weckte. Stolz richtet er sich auf. Jeder Zoll ein Mächtiger unter den seinen. Der letzte eines verlorenen, untergegangenen Volkes.
Ohne ein Wort zu verlieren hatte er den Bogen und den Köcher genommen und sich wieder umgehängt. Um einen Kampf erfahrener.

Wie viel anders war er damals gewesen. Ungestüm, unerfahren, voller Wut und Haß. Wie anders war er heute. Erfahrener als ein Mensch es je sein würde. Noch immer schwelten die Flammen der Wut und des Hasses in ihm doch sehr selten bekam man die tosende Glut zu Gesicht. Und wenn dies geschah musste man sich in acht nehmen. Die Menschen hatten einen seltsamen Namen für ihn so wie sie allem Namen gaben und ihn nannten sie nach einem Vogel der für sie der Bote des Todes hieß: Sturmkrähe. Und kaum ein menschlicher Name passte besser zu ihm.