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Autor: Franklin M. Bekker

Erstellt am: 24.10.2007

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Der Beschluss



Geschrieben von:   Franklin M. Bekker


Der Beschluss stand fest, dass ich mich in ihr Leben drängen würde. Oder vielmehr würde ich den mir zustehenden und mir so lange verwehrten Platz einnehmen. Also fuhr ich hin zu ihr und war ja angemeldet, fuhr auf ihren Wunsch, ja vielleicht hatte man mich eingeladen und es war gewollt, dass ich endlich in ihr Leben trete. In die Wohnung helfen musste ich mir jedoch allein. Man hatte mir bereits gesagt, dass man für mich keine Tür aufsperren werde. Ich solle doch durch die Löcher und Ritzen zu schlüpfen suchen, die ich vorfinden konnte. Ja schlüpfen hatte man gesagt, als ließe sich bei der ganzen Angelegenheit irgend eine Art von Haltung bewahren. So war ich denn etwas ratlos, bis ich ein angeklapptes Fenster fand zu dem ich hinauflangen und durch es den Hebel seines Fensterflügels ergreifen, diesen umlegen und mich dann in die Wohnung hinein zerren konnte. Ihre Zimmertür war glücklicherweise nur angelehnt. Davor stehend konnte ich bereits das Schluchzen meines Mädchens hören.
Tausend alte Dichter riefen „Feinsliebchen“ in mein Ohr und ich trat in die Türöffnung. Die Wohnung im Allgemeinen war eine sehr enge, ihr Zimmer aber im Besonderen ein Schmales, das trotz seiner Schmalheit kurz wirkte, obgleich sie auf dem Bett, das an der hinteren Wand stand, in den Armen einer Freundin gewogen liegend unendlich fern erschien. Die Frauen schauten etwas wie aufgeschreckte Tiere zu mir aus ihren Tränen herauf. Es für besser haltend noch gar nicht gekommen zu sein, gehe ich ohne ein Wort zurück ins Vorzimmer. Die Freundin hatte mit dem Rücken an die Seitenwand gelehnt gesessen und mein nacktes Mädchen mit den Armen die Brüste verdeckend, umschlungen gehalten und getröstet. Mein Blick war auf die großen, in den Zehen breit werdenden Füße gefallen, die aus dem Bett heraus hängend, denn das Bett war freilich ein sehr kurzes nur, in das sich nur Kinder der Länge nach ausstrecken hätten können, aneinander lagen und den Eindruck einer Flosse gaben. Aber dass mein Mädchen eine Meerjungfrau war, das hatte ich schon immer gewusst.
Nachdem nun einige Minuten verstrichen sind trete ich wieder in das Zimmer mit den Frauen. Aber es ist dort noch enger geworden und es scheint nun gar keinen Platz mehr zu geben für mich. So lehne ich mich in den Türrahmen, abgeblätterte Farbe fällt von ihm herab und er ächzt, denn er ist es nicht mehr gewohnt, dass jemand in ihm verharrt. Möglicherweise könnte ich an das Bett treten und die Freundin zum Fenster hinaus werfen, um mir Platz zu schaffen, aber es war ja seit jeher meine Theorie gewesen, dass es einen für mich vorgesehenen Platz gibt, den ich nur zu finden brauche, dass es nicht meine Aufgabe ist irgendjemanden zu verdrängen. Und gleichsam, als hätte sie es geahnt, dass ich versuchen wollen könnte sie dort zum Fenster hinaus zu katapultieren, war die Freundin von einer Korpulenz, die es mir unmöglich machte sie hinfort zu schaffen. Diese Freundin blickt nun zu mir auf und spricht: „Noch nicht.“ Ich sehe zu meinem Mädchen herüber. Offenbar waltet die Freundin nur ihren Willen. „Aber daran lässt sich doch nun nichts ändern.“, sage ich mit Trost spendender Stimme. „Außerdem habe ich mich bereits entkleidet, um meine Zugehörigkeit zu zeigen. Und ich verlange direkt angesprochen zu werden.“
Die Frauen sitzen sich jetzt jeweils an eine Seitenwand des Raumes gelehnt gegenüber und jetzt sehe ich auch, dass mein Mädchen bereits wieder angekleidet ist. In Strümpfen wirken ihre Füße ganz normal groß. „Und diese Schwangerschaft“, fragt die Freundin „das ist im Club passiert?“
„Ja. Romy hatte sich den Kerl angelacht.“
„Wie hieß er denn?“
„Aro.“
„Was für ein schöner Name.“
„Ja, nicht wahr? Der Name hat mir auch gleich gefallen. Also angelacht, aber dann hatte sie das Interesse verloren, war eingeschlafen oder betrunken. Und da habe ich gefragt und er war gleich begeistert.“
Nun stehe ich ganz erschrocken im Türrahmen. Ich hatte gehofft, dass es mein Kind sein würde.
„Und er hat es mitten drin abgebrochen?“, fragt die Freundin.
„Ja. Er hat dann auch das Interesse verloren. Aber für die Schwangerschaft hat es noch gereicht.“
Nun endlich wendet mein Mädchen den Blick nach mir und ruft erschrocken aus: „Huch! Wo ist er denn jetzt?“ Und ich wünsche mir, dass sie vorher hingesehen hätte. Denn vielleicht hätte sie es mir dann sagen können, wohin ich gegangen bin.