Der Tag, an dem jemand den Hörer abnahm Anmerkungen des Autors:
gewidmet allen, die mal im call center gearbeitet haben


Der Tag, an dem jemand den Hörer abnahm

„Hallo?“
„Guten Tag, mein Name ist Abea Intawjua vom Staatsamt für mentale Annihilation. Wir führen zur Zeit eine Umfrage zu einem Thema, das ich Ihnen nicht nennen werde, durch. Wären Sie bereit, ein paar Fragen zu...“
„Kein Interesse...“
„Wissen Sie eigentlich, dass es illegal ist, kein Interesse zu haben?“
„Was?“
„Sie haben schon richtig gehört. Wir führen die Umfrage nämlich im Auftrag des staatlichen Staatsministeriums für ministeriale Staatsangelegenheiten durch und jeder Bürger ist verpflichtet, Auskunft zu geben. Aber keine Sorge, es dauert nicht lang.“
„Staatsministerium?“
„Exakt. Und die erste Frage haben Sie bereits falsch beantwortet. Aber das macht nichts, das geht den meisten so. Kommen wir zur zweiten Frage: Seit 2006 können Sie ihren Regen frei wählen und müssen ihren Niederschlag nicht mehr von der ortsansässigen Bewölkung beziehen. Wissen Sie das bereits und haben Sie schon über einen Wechsel nachgedacht?“
„Regen?“
„Die Frage ist Ihnen offenbar zu schwer, machen wir einfach weiter: Wenn Sie mal ganz allgemein an Streichholzhersteller denken, also Hersteller von Streichhölzern, aber auch von Zünd- und Schwefelhölzern, welche Namen fallen Ihnen dann ein?“
„Äh...“
„Schätze, es ist zwecklos Ihnen welche vorzulesen. Die Grenzen Ihrer kognitiven Kapazitäten scheinen recht eng gezogen zu sein. Kommen wir zu etwas leichterem: Wie oft atmen Sie in einer normalen Woche durch die Nase?“
„Warum wollen Sie das denn wissen?“
„Hören Sie, diese Fragen wurden von namhaften Psychotikern erstellt und es ist durchaus möglich, dass sie auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen. Vertrauen Sie mir, dass dahinter einiges an Brainpower steckt. Also, welchen Wert darf ich für Sie eintragen?“
„Keine Ahnung! Das habe ich nie gezählt!“
„Hm. Naja. Lassen wir das erstmal so stehen. Und wie viele Satzzeichen befinden sich in Ihrem Haushalt?“
„Was?“
„Satzzeichen. Satz – Zei – Chen.“
„Ich weiß was Satzzeichen sind!“
„Na also. Wie viele?“
„Wollen Sie mich verarschen?“
„Ich werde das jetzt mal nicht als Beamtenbeleidigung auffassen. Aus meinen Unterlagen geht hervor, dass Sie die damit verbundene Geldbuße nicht aufbringen könnten und ich will Ihnen eine Haftstrafe ersparen. Sie müssen sich allerdings etwas zusammenreißen, es geht hier schließlich um den Staat.“
„Aber ich weiß doch nicht, wie viele Satzzeichen...“
„Das dachte ich mir bereits. Machen wir weiter: Wie viele Fragen sind es noch?“
„Das müssen Sie doch wissen!“
„Werden Sie jetzt bitte nicht sarkastisch.“
„Woher zum Donnerwetter soll ich denn wissen, wie viele Fragen Sie mir noch stellen wollen? Das müssen Sie doch wissen!“
„Tut mir leid, aber ich darf Sie nicht beeinflussen. Antworten Sie einfach aus dem Bauch heraus.“
„Was weiß ich?! Tausend vielleicht?!“
„Gut. Tausend also. Und als welches Geräusch möchten Sie am liebsten wiedergeboren werden? Bitte antworten Sie auf einer Skala von 1 – Mikrowellenbrummen, bis 4 – Unterdrückter Nieser. Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Antwort abstufen.“
„Oh mein Gott, kreuzen Sie irgendwas in der Mitte an.“
„Ich darf die Fragen nicht einfach so für Sie beantworten. Bitte nennen Sie mir eine Ziffer, die ich für Sie ankreuzen darf.“
„Zwei!“
„Prima. Nun noch ein paar Fragen zu Ihrer Person, dann sind wir auch gleich fertig.“
„Endlich!“
„Darf ich fragen, wie alt Sie sind?“
„Fünfzig!“
„Bitte beantworten Sie die Frage mit 'Ja' oder 'Nein'.“
„Hä?! Ja! Ja, Sie dürfen mich fragen, wie alt ich bin!“
„Gut. Also 'Ja'. Und welchen Reißverschluss haben Sie?“
„Was für einen Reißverschluss?!“
„Also ohne Reißverschluss. Dann kommt auch schon die letzte Frage: In welches Haus ordnen Sie Ihren einkommenden Nettoklassengehalt ein, 'A', 'Blau' oder 'Vertikal'?“
„Oh Mann! Kreuzen Sie Vertikal an! War's das jetzt endlich?!“
„Vertikal? Oh, dann gehören Sie gar nicht in unsere Zielgruppe. Tut mir leid, auf Wiederhören!“
„Wa -“
klick, tututututututut...