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Autor: Khaine

Erstellt am: 20.06.2007

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Tischritual



Geschrieben von:   Khaine




Der Autor hat folgende Stimmungen f�r sein Werk angegeben:
verwirrt
unruhig
frustriert
erregt



Sie waren nun schon seit fast zwei Jahren zusammen und es ist ihr nie aufgefallen. Erst vor kurzem, nach einem kleinem unbedeutendem Streit war sie Still am Tisch gesessen und pulte grüblerisch mit ihrer Gabel im Kartoffelpüree, während ihr Blick unbedeutend an den streng routinierten Handbewegungen ihres Partners beim Essen hängen blieb.
Wie eine gut geölte Maschine schnitt er sich jedes Mal ein kleines Stückchen Fleisch ab, das er sich zum Munde führte, aß anschließend zwei Gabeln Kartoffelpüree um sich danach eine gute Portion Salat zu nehmen, ehe er mit etwas Reis und Soße die Runde beendete und wieder von vorn anfing. Die Größe der Häppchen schien aufs Genauste genormt, ebenso die Geschwindigkeit mit der er seine Nahrung zerkaute. Selbst das Nachsalzen oder Trinken war in diesem einheitlichen Ablauf eingebettet und so nippte er alle zehn Runden an einem Rotwein, Saft oder was auch immer grade getrunken wurde.
Ihre anfängliche Wut besänftigte sich und wich zugunsten einer nachdenklichen Melancholie, als ihr Blick von den regelmäßigen, monotonen Handbewegungen ihres Gegenübers eingelullt wurde.
Innig fragte sie sich was dieses Ritual solle und erinnerte sich wie er stets das gemeinschaftliche Essen mit Freunden und Bekannten oder in der Öffentlichkeit zu vermeiden suchte und was ihr von Zeit zu Zeit fehlte. Dass ihm dieses Thema höchst unangenehm war bemerkte sie schon früh, als sie zusammenzogen und er sich bei Tische stets beobachtet und unwohl fühlte, bis sie sich endlich angewöhnte still und mit gesenktem Blick zu ihrem Teller zu essen. Ihn zu fragen, traute sie sich nie.
In den nächsten Tagen und Wochen fiel, wann immer sie zu Tisch aßen, ihr Blick zwangsläufig auf seinen Essensrhythmus, den er sich bei jeder Mahlzeit neu auszudenken schien, abhängig von dem welche Speisen zur Verfügung standen. Selbst die Anordnung im Teller glich einem System, das es ihm ermöglichte wirklich jede Erbse schnell wieder zu finden um den festgelegten Kau- und Nachschubritus nicht zu gefährden.
Angestachelt von ihrer Neugierde, trachtete sie danach dieses perfekt ausgeklügelte System zu durchbrechen, indem sie ihn abzulenken versuchte und so die Reihenfolge der Speiseeinnahme wenigstens einmal vom vorgeschriebenen Plan abweichen zu lassen. Dazu bat sie ihn mal, ihr das Salz zu reichen, ein anderes Mal ihr nochmals einzuschenken und wieder einmal ihr etwas zu holen.
Doch nichts wollte die Erinnerung trüben und so hielt er sich stets am Plan und der Gleichmäßigkeit, welche wie ein Uhrwerk zuverlässig lief.
Ihre kurzen, heimlichen Musterungen waren ihm trotz größter Sorgfalt nicht entgangen und die anfängliche Beklommenheit stellte sich wieder ein. Das System reagierte, beschleunigte den Essvorgang um das tägliche Leid der Mahlzeiten zu minimieren. Auch ihr war diese Veränderung nicht entgangen. Wie ein Virus, befiel auch sie das Unwohlsein zu Tisch so, das das tägliche, gemeinsame Essen zu einer notwendigen Qual wurde, in welcher beide hastig ihre Mahlzeiten schlangen um sich ja schnell von dieser Last zu befreien.
Bis einem der beiden ein Stück im Halse stecken blieb.