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Autor: Anthea

Erstellt am: 02.02.2007

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Die Reise



Geschrieben von:   Anthea


Anmerkungen des Autors:
Ein größeres Projekt, das noch viel Zeit zum Wachsen brauchen wird.



Die Gefährten wanderten bereits seit Tagesanbruch durch das Felstal, das vor unermesslich langer Zeit einmal ein Fluß in den Berg geschnitten haben musste, denn die steilen Felswände waren so glatt, als hätte sie einer der besten Edelsteinschleifer der großen Handelsstädte be-arbeitet. An der Spitze der kleinen Gruppe ging Fridjolf, der nordische Krieger. Sein rotes Haar glänzte im hellen Schein der Sonne und schien die Rot- und Erdfarben der Felsen rings um sie herum anzunehmen. Sowohl sein Haar als auch den Bart hatte er zu Zöpfen geflochten, die ihm bis auf die Schultern reichten. Sein mächtiges, zweihändiges Schwert trug er auf dem Rücken, in einer aus Fell gefertigten Scheide. Seine Schritte waren weit ausgreifend, die Hitze, die in dem engen Tal herrschte schien ihm nichts anhaben zu können. Zumindest zeigte er seinen Unmut nicht, obwohl er derjenige war, der die sengend heiße Sonne am wenigsten gewohnt war, hatte er doch lange Jahre auf einem der schlanken Drachenboote verbracht, die so typisch waren für die Seefahrer seiner Heimat. Keiner der Gefährten kannte allerdings den Grund, warum er das Land weit im Norden verlassen hatte.
Hinter ihm ging die rundliche Algunde, deutlich kleiner als der Nordmann. Ihr hellblondes Haar, das sie im Nacken mit einem Lederband zusammengebunden hatte, wirkte im hellen Sonnenschein beinahe weiß. Das schlichte, grüne Kleid der Heilerin war etwas knapp be-messen um die Hüften, sodaß ihr etwas watschelnder Gang den gesamten Körper in Be-wegung versetzte, und der Lederbeutel, den sie über die Schulter trug, lustig zum Takt ihrer Schritte auf ihrer ausladenden Hüfte hüpfte. Die Frau hatte kaum mehr als 30 Sommer ge-sehen, und sie verstand es jeden mit ihrem Lachen anzustecken. Es gab kaum einen Tag, an dem sie säuerlich oder gar finster dreinblickte. Ihr Gemüt schien von einer Sonne beleuchtet zu sein, die es mit der am Himmel in ihrer Helligkeit aufnehmen konnte. Und sie war immer zu einem Scherz aufgelegt.
Alannas Platz war an dritter Stelle der wandernden Gefährten. Die Sonne hatte den engen Ein-schnitt zwischen den turmhohen Felswänden so aufgeheizt, dass die Magierin das Gefühl hatte, ihre Robe klebe an ihrem Körper fest, obwohl sie aus feinem, leichten Leinen gewebt und an den Seiten bis über die Knie geschlitzt war. Sie hatte die weiten Ärmel so gut es ging hoch geschlagen und auch noch einen Zipfel ihres Robensaumes in den breiten Gürtel ge-steckt, der sich um ihre Hüften wand, aber es verschaffte ihr dennoch recht wenig Kühlung. Oft musste sie sich eine der braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht schieben, die an der feuchten Haut kleben blieben. In solchen Augenblicken wünschte sie, sie würde ihr Haar nicht immer nach Tradition der Magier offen und lang tragen. Schließlich kramte sie mit einem re-signierenden Achselzucken ein dünnes Lederband aus ihrem Beutel hervor, mit dem sie die Haare im Nacken bändigte. Obwohl sich ihre Gedanken scheinbar damit beschäftigten, wie sie der Hitze zumindest ein klein wenig entgehen konnte, drehte die schlanke Frau immer wieder den Kopf, besah sich ganz genau ihre Umgebung. All dies ließ sie nervös wirken, denn sie hatte schon den ganzen Tag das Gefühl, etwas verfolgte sie. Auch versuchte sie zu erken-nen, ob die anderen ihrer Gruppe das gleiche fühlten wie sie. Sie überlegte ernsthaft, ob sie sich Lindjan, dem hoch gewachsenen Kämpfer, der den Schluß der kleinen Gruppe bildete, anvertrauen sollte. Alanna wusste, dass der Kämpfer ihren Worten Gehör schenken würde, denn er hatte ebenfalls eine anständige Ausbildung an einer Akademie genossen und wusste ihre Gedanken und Einfälle immer zu schätzen. Dennoch wagte sie es diesmal nicht, ihn sofort in ihre Ängste einzuweihen, da sie keinen Grund dafür benennen konnte. Lindjan schien aber Alannas Unruhe gespürt zu haben, und so hatte er seine Schritte beschleunigt und war von hinten an die Magierin heran getreten, um ihr eine Hand auf die Schulter zu legen. Als die Frau in der hellblauen Robe so unvermittelt zusammenzuckte, wusste er, er hatte richtig vermutet. Zu lange waren sie schon zusammen unterwegs, zu sehr waren sie mit einander vertraut, als dass er ihre Gesten und Bewegungen nicht hätte deuten können. Leise fragte er: „Was ist los mit dir? Was lässt dich so unruhig die Steilwände absuchen?“ Mit einem dankbaren Lächeln wandte sie sich ihm zu. Er hatte leise gesprochen, damit weder der Krieger, noch die Heilerin, die voraus gingen etwas hätten hören können. Alanna war sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass die beiden anderen sie zwar duldeten, und sie auch ihre Freundin nannten, aber ihrer Magie immer sehr misstrauisch gegenüber gestanden hatten und es auch immer noch taten, denn Magie war etwas Seltenes, gar Gefürchtetes in diesem Land. Die Elementaristin hatte es sich abgewöhnt die beiden anderen mit ihren Empfindungen, die sich manchmal sogar zu Visionen auswuchsen zu behelligen. Ihr einziger Rückhalt war Lindjan, der geschulte Kämpfer aus adeligem Hause, dessen Eltern ihn nicht in die Erbfolge hatten aufnehmen können oder wollen. Alanna wusste bis zu diesem Tage kaum etwas über seine Vergangenheit, obwohl sie bereits viele Jahre zusammen durch das Land gezogen waren, und miteinander schon so manche ruhige Stunde und zärtliche Nacht verbracht hatten.. Sie zuckte als Antwort auf seine Frage nur mit den Schultern und meinte ebenso leise: „Ich weiß es nicht, aber ich habe das Gefühl etwas beobachtet uns, oder folgt uns sogar. Ich kann dir aber nicht sagen was es ist, oder woher mein Gefühl kommt, es ist viel zu wage.“ Lindjan nickte nur um ihr zu verstehen zu geben, dass er ihren Worten wie immer Bedeutung zumaß.

Er war sehr alt… er konnte sich nicht erinnern, wie lange er geruht hatte, aber nun war er erwacht… nein, etwas hatte ihn aus seinem Schlaf geholt… eine Veränderung in dem Äonen alten Gefüge zu dem sich die Kraftlinien des Mana spannen… ein Wesen, das zumindest über die schwächeren der Kräfte gebieten konnte, war in den Bereich seiner Wahrnehmung ge-treten… träge begann er in den Zustand des Wachseins hinüber zu gleiten… ob es sich überhaupt lohnte?… aber er war nicht so alt geworden, wäre er jemals unvorsichtig ge-wesen… sein mächtiges, gelbes Auge öffnete sich…

Die Gruppe erreichte lange, heiße Stunden nach dem höchsten Stand der Sonne das Ende der Schlucht. Und es war wahrhaftig ein Ende. Vor den Füßen der Gefährten fiel die Felswand viele hundert Schritt senkrecht ab. So weit, dass man keinen Boden mehr sehen konnte, aber die Aussicht über das Land, das sich vor ihnen - soweit das Auge reichte - ausbreitete, war umso atemberaubender. Von dem Punkt aus, an dem sie standen, konnten sie den Smaragd-wald in seiner ganzen Größe überblicken. Die Wipfel der Bäume wogten im sanften Abend-wind wie die Wellen eines tiefgrünen Meeres. Weit hinten im Westen, wo sich die Sonne bereits zu senken begann, erhoben sich die unbezwingbaren Gipfel der Himmelsstützen, jener Berge, die noch keiner überquert hatte, weil sie bis in die höchsten Wolken reichten. Und hätte es jemals einer geschafft, so war er nicht zurückgekehrt um von seinen Abenteuern zu berichten. Algunde und Fridjolf standen ratlos vor dem Ende des Weges, wo der Abgrund ins Nichts zu führen schien. Alanna aber breitete die Arme aus, stellte sich fest und sicher auf den Fels und sandte ihre geistigen Finger aus, um nach den Elementen zu rufen. Viele Augen-blicke lang, hatte sie so gestanden, hatte in einer für die Gefährten fremden, aber sehr melodischen Sprache gemurmelt, beinahe hätte man es für Gesang halten können. Mit einem Mal ließ sie den letzten Ton verklingen, senkte langsam die Arme, beendete somit ihre Anrufung und lächelte die Freunde zufrieden an. Fridjolf wandte sich verärgert an die kleine Heilerin: „ Was sollte denn das? Glaubt sie etwa, sie könnte uns mit Singen von hier fort bringen?“. Mit einem überlegenen Lächeln trat die Elementaristin daraufhin auf den Nord-mann zu, fasste ihn bei den Schultern, drehte ihn zum Abgrund herum und deutete mit ausgestrecktem Arm auf das Ende des Weges. Dort schwebten zwei mindestens fünf Schritt messende, kreisrunde, fast einen Schritt dicke Steinplatten aus glänzendem Obsidian. „Steigt auf, sie werden uns zum Fuße dieses Berges bringen“, forderte Alanna die anderen auf, und trat selbstsicher auf einen der fliegenden Steine. Ohne zu zögern folgte Lindjan ihrem Bei-spiel. Er stand dicht hinter ihr, schlang einen Arm um ihre Hüften, um die zierliche Magierin vor einem Sturz in die Tiefe zu bewahren, sollte sie auf der glatten Oberfläche des Steines ins Rutschen kommen. Schon vor langer Zeit waren die beiden übereingekommen, dass sie vor ihren beiden Gefährten ihre wahren Gefühle für einander nicht verbergen mussten. Trafen sie allerdings auf Fremde, zeigten weder Lindjan noch Alanna besondere Vertrautheit, und es war ihnen schon oft bei gefährlichen Situationen zu gute gekommen, wenn sie rasch klare Gedan-ken hatten fassen müssen. Sowohl Algunde, als auch Fridjolf zögerten auf die Steine zu treten. Schließlich fasste sich die kleine Frau ein Herz und wagte den Schritt auf den schwe-benden Obsidian. Das konnte der große Krieger allerdings nicht hinnehmen und folgte ihr noch im selben Augenblick. Manchmal veranlasste es Alanna zu einem Lächeln, wie sehr Fridjolf sich bemühte, es Lindjan gleich zu tun. Die Heilerin war allerdings um einiges kleiner als der Nordmann, also konnte er nur seinen Arm um ihre Schultern legen. Der stämmigen Frau mit dem freundlichen Wesen schien es ausreichend Gefühl der Sicherheit zu bieten. Sie hob ihr Gesicht mit den rot überzogenen Backen dem großen Krieger entgegen und lächelte ihn zufrieden an.
Auf einen Wink Alannas hin begannen die Steine langsam an der steilen Felswand entlang hinab zu sinken. Es dauerte fast das Ganze einer Stunde, bis sie den Talboden erreicht hatten. Der Abstieg mit den fliegenden Steinen war angenehmer, als es sich die Gefährten hatten vor-stellen können. Die Obsidiane schwebten ruhig den Fels hinab, ohne auch nur einmal auf die starken Winde zu reagieren, die an der Steilwand entlang fegten. Am Fuße des Berges ange-kommen, entließ die Elementaristin die fliegenden Obsidiane aus ihrem Dienst und die Steine verschwanden wieder die Felswand hinauf. Unten war es schon deutlich dunkler, als hoch oben, wo sie noch vor einer kleinen Weile gestanden hatten. Auch breitete sich vor ihnen ein kleiner Wald aus, dessen dunkle Bäume das schwächer werdende Licht des verklingenden Tages noch weiter minderten. Die vier wanderten in den Wald hinein, denn sie hatten von oben gesehen, dass sie ihr Weg durch diesen Wald führte. Auch hier verließ die seltsame Ahnung Alanna nicht, die sie schon im Felsental verfolgt hatte. In manchen Augenblicken zuckte sie sogar vor dem Geräusch von sich im Wind bewegenden, trockenen Blättern zurück. Besorgt kam Lindjan an ihre Seite und nahm ihre Hand in die seine. Halt suchend ver-schränkte die Magierin ihre eiskalten Finger mit den seinen. Zuerst bemerkten es die beiden nicht, aber Fridjolf und Algunde entfernten sich immer mehr von ihnen, gingen immer weiter voraus. Es dauerte beinahe bis Einbruch der Dunkelheit, bis die Gefährten den Waldrand erreicht hatten. Wie auf ein geheimes Zeichen hin begannen der Nordmann und die Heilerin zu laufen. Zu den beiden am Waldrand kam ausgelassenes Lachen herüber, als die anderen über eine breite Wiese eilten, um in einem der Windschutzgürtel zu verschwinden. Alannas Warnung kam zu spät; sie lief los, ohne ihre Hand aus dem Griff des Kriegers zu befreien. Das durfte nicht sein, sie musste die anderen zurückholen, ehe sie zu weit fort waren. Atemlos kam sie bei einer dichten, mannshohen Hecke an, in die sie die beiden hatte verschwinden ge-sehen. Aber außer ein paar raschelnden Zweigen fand sie keine Spur von ihnen. Langsam drehte sie sich zu dem Mann an ihrer Seite um, versuchte Worte dafür zu finden, was sie ihm erklären musste. „Diese Hecke, das ist ein Portal… ich weiß nicht warum die beiden hin ge-laufen sind, aber… hast du das auch gespürt? Das Verlangen einfach los zu laufen? … und plötzlich wusste ich, dass ich das nicht durfte, ich musste sie davon abhalten, dort hinein zu gehen… sie haben nicht auf mich gehört…“ all das brachte sie in einem Fluß von scheinbar nicht zusammen hängenden Worten hervor. Ängstlich blickte sie Lindjan an, es schien fast, als erwarte sie von ihm eine Lösung für dieses Problem, obwohl es doch viel mehr in ihre Profession gehörte, sich solch unnatürlicher Dinge anzunehmen. Der Kämpfer betrachtete die zierliche Frau viele Herzschläge lang, ehe er seine Hand zärtlich an ihre Wange legte und ihr eine der dunklen Haarsträhnen hinter das Ohr strich. „Wir werden sie finden. Aber heute Nacht nicht mehr. Sag mir darüber alles, was du glaubst zu wissen… wir werden schon einen Weg finden, aber zuerst brauchen wir eine Nacht Ruhe“, versuchte er sie zu beruhigen. Gleichzeitig wollte er eine gute Strecke Weges zwischen sie und die Hecke bringen, die ein Portal darstellen sollte. Er wollte nicht die Nacht in der Nähe eines magischen Ortes ver-bringen. Also machte er sich daran, mit Alanna weiter zu wandern, bis sie einen sicheren Lagerplatz für die Nacht gefunden hätten.

Er streckte seine geistigen Fühler weiter in den Raum, in dem das Mana in wilden Fäden floß… er musste unbedingt herausfinden, wer diese Magie ausübte, diese wilde Magie, die nicht zuvor kunstvoll die wilden Manaströme zu Fäden und Mustern geflochten hatte… dieses Wesen nahm einfach, es gebrauchte die Macht des Manas ohne an die Folgen eines solchen, ungelenkten Einsatzes zu denken… selbst für einen der Alten wie ihn war ein solches Wirken gefährlich, selbst er flocht die Fäden zu einem kunstvollen Zauber… staunend forschte er weiter, schickte seinen Geist immer weiter fort, um das Wesen zu finden und zu ergründen, das eine solche Ungeheuerlichkeit wagte…

Algunde erwachte als erste. Müde rieb sie sich die Augen, aber es blieb schwarze Nacht, so sehr sie sich auch anstrengte etwas zu sehen. Dabei war sie sich völlig sicher, die Augen geöffnet zu haben. Wo war sie eigentlich, dass sie dermaßen zerschlagen erwachte? Hatten sie an einem Ort im Freien übernachtet? Wo hatten sie überhaupt übernachtet? Fragend schüttelte die Heilerin den Kopf; sie konnte sich an den letzten Abend beim besten Willen nicht erinnern. Aber sie hatten doch nicht gefeiert, sie hatte mit Sicherheit keinen Wein getrunken. Das Letzte woran sich ihre noch immer wirren Gedanken erinnern konnten, war, dass sie mit Fridjolf den Wald verlassen hatte, und auf die Wiese hinaus gelaufen war. Verständnislos fuhr sie sich mit den Fingern durchs Haar, band sich die Haare erneut zusammen. Dies tat sie immer, wenn sie im Augenblick nicht weiter wusste. Warum war es immer noch so dunkel? Vorsichtig tasteten ihre Hände die Wand in ihrem Rücken ab – Stein hinter ihr, und auch der Boden, auf dem sie saß war Felsen. Panik breitete sich in den Gedanken Algundes aus. Wo war sie bloß, und wo waren die anderen? Ängstlich flüsterte sie Fridjolfs Namen. Keine Antwort. Viele Herzschläge lang blieb sie reglos sitzen, lauschte dem lauten, angstvollen Pochen ihres Herzens und wagte sich nicht zu bewegen. Sie war noch nie besonders einfallsreich in ihr unbekannten Situationen gewesen, aber dies überstieg bei weitem ihre Kraft. Sie war immer die Ruhe selbst, wenn es darum ging Verletzte oder Kranke zu versorgen, bei ihrer Arbeit konnte sie nichts erschüttern, sie hatte beinahe jedes Leid bereits gesehen, aber in diesem Augenblick fühlte sie sich so hilflos wie die Neugeborenen, die sie schon auf die Welt geholt hatte. In ihrer Verzweiflung zog sie die Knie an, legte die Arme darum und den Kopf darauf. Sie schloß fest die Augen und wagte lange nicht, sie wieder zu öffnen. Algunde hoffte inständig, dass dies ein böser Traum sein möge, und dass alles vorbei wäre, wenn sie das nächste Mal die Augen öffnete. Aber aus Angst, es könnte doch kein böser Traum sein, hielt sie die Augen fest geschlossen und wagte es nicht einmal den Kopf zu heben. Plötzlich hörte sie leises Stöhnen und schweres Atmen. Sie hielt den Atem an, um besser zu hören, und tatsächlich, sie hörte es wieder. Als sich die Geräusche beständig wiederholten, wagte sie doch den Kopf zu heben und die Augen zu öffnen. Zu ihrer bitteren Enttäuschung hatte sich an ihrer Lage nichts verändert. Die Heilerin nahm all ihren Mut zusammen und fragte noch einmal „Fridjolf, bist du das?“ in die Schwärze um sie herum. Und tatsächlich bekam sie eine leise Antwort. Es war Fridjolf, der leise ihren Namen rief. Immer noch wagte sie weder aufzustehen, noch sich sonst irgendwie zu bewegen, aber als Fridjolfs Stimme lauter wurde, er immer wieder nach ihr rief, antwortete sie wieder. „Ich kann nichts sehen“, war ihre verzweifelte Antwort. „Geh auf Händen und Füßen und folge meiner Stimme. Du kannst das!“ versuchte der Nordmann seine Gefährtin zu beruhigen. Am ganzen Leibe zitternd erhob sich die rundliche Frau auf Hände und Knie und verharrte mucksmäuschenstill, bis sie Fridjolfs Stimme wieder vernahm. Dann drehte sie sich langsam in die Richtung aus der das kontinuierliche Rufen kam, und begann sich endlos langsam vorwärts zu bewegen. Ihre Handflächen waren vor Angst ganz feucht und kalt, aber sie spürte deutlich, dass der Stein sehr glatt war, als wäre der Boden behauen worden. Nach endloser Zeit, wie es Algunde schien, stießen ihren Fingerspitzen an Fell. Ein leiser Aufschrei entrang sich ihrer Kehle, aber als sie Firdjolfs beschwichtigende Worte hörte, beruhigte sie sich rasch, und kroch näher. Der Krieger saß mit dem Rücken an die Felswand gelehnt, das Schwert in seiner Fellscheide an seiner Seite. Dieses Fell hatte Algunde als erstes ertastet. Erleichtert schlang sie dem Mann aus dem hohen Norden die Arme um den Hals. Sie zitterte am ganzen Körper und konnte sich gar nicht mehr beruhigen, obwohl er ihr sanft über den Rücken strich und leise auf sie einredete.