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Autor: Khaine

Erstellt am: 21.01.2007

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der Sprung



Geschrieben von:   Khaine




Der Autor hat folgende Stimmungen f�r sein Werk angegeben:
verwirrt
verletzt
unruhig
traurig
sehnsüchtig
frustriert
einsam



Mühevoll erklomm er den Berg, Meter für Meter, immer dem Gipfel entgegen. Mit dem Ziel vor Augen ließ er sich von nichts abhalten – er würde es tun. Der Wind war nicht stark genug ihn zur Umkehr zu bewegen und kein Gott vermochte ihn aufzuhalten.
Dann endlich, war er angekommen. Die Wolken lichteten sich und er stand am Gipfel der Welt. Begeistert ließ er seinen Rucksack zu Boden gleiten und lief aufgeregt mit ausgestreckten Armen an den Sims der Bergspitze zu.
Endlich sah auch er mal auf die Welt herab, die für ihn nichts übrig hatte und er würde jeden Augenblick genießen, bevor er sich wie ein Komet in die Tiefe stürzen und tiefe Wunden in den Erdleib aufrisse.
Er war ein Vogel, ein Vogel mit gestutzten Flügeln und es durstete ihn nach Freiheit und dem Wind in seinem Gefieder. Einmal würde er fliegen - einmal!
Er schloss die Augen, atmete ein letztes mal tief ein, langsam, bewusst. Keine Sekunde sollte ihm entgleiten. Er wollte alles in sich aufnehmen. Ein letztes mal.
Mit seinem Fuß tastete er sich langsam vor. Sein Herz raste, flatterte wie ein Segel im Sturm. Und er zitterte!
Dann wäre er gesprungen – wenn ihn nicht eine Melodie festgehalten hätte.
Sein Lied! Ja sein Lied, wie konnte er nur vergessen sein Lieblingslied ein letztes mal, noch dazu in einem so dramatischem, fast schon möchte man sagen epischem Moment, zu singen, ehe es ihn endgültig in die Tiefe zog?
So nutzte er den eingesogenen Himmelsodem in seinen Lungen um damit nicht nur Klänge und Worte zu formen, sondern ihnen auch Leben einzuhauchen und er erschuf ihrer so schön und gefühlsvoll, dass selbst der Himmel angefangen hätte zu weinen, wenn Vater Frost sie hier oben, dicht unterm Himmelsgewölbe nicht in kleine Kristalle verwandelt hätte, die sorglos und leicht auf dem Wind dahintrieben.
Ihn rührte deren Anblick. Die Welt war wohl nicht vollkommen schlecht, doch schlecht genug ihrer zu entsagen und so machte er sich schweren Herzens wieder daran seine verkrüppelten Schwingen auszuweiten um sich von gierigen Händen in die Tiefe reißen zu lassen.
Mit jedem Fuß den er dem Abgrund näher kam, wurde sein Geist mit Erinnerungen gefüllt und sein Herz mit Blei. Als er davor stand, so wie er es vorhin tat, da wog dieselbe Last so schwer wie sie vorher gewogen hatte.
Doch er war kein Atlas! Und er wusste auch nicht wie er nur das Gewicht auf seinen schmalen Schultern aushalten solle ohne darunter zusammenzubrechen?
Er würde es einfach tun, wenn ihn der Berg nur nicht festhielte!
Dann fiel ihm etwas ein: Sein Gedicht! Ja sein Gedicht, wie könnte er nur springen ohne ein letztes mal noch sein Lieblingsgedicht aufzusagen das ihm so viel bedeutete. Er liebte dieses Gedicht und mochte es von allen Zeilen die er kannte am Liebsten und wie er es so schön aufsagte, schienen sich die Geister um ihn herum zu besänftigen.
Jetzt war er ganz still. Kein Herzschlag, kein Gedanke rührte sich. Das war auch gut so! Sonst würden sie vielleicht zurückkehren und ihn vom Fliegen abhalten. Er musste es schnell tun ehe sie wieder kamen. Er würde es einfach tun, ohne zu denken. Ohne zu denken! Denn wenn er dachte, dachte er an die Zukunft. Eine Zukunft in der er keine Rolle spielte. Eine Zukunft in der er nur als unsichtbarer Schatten am Welttheater teilnehmen müsste.
Also verbannte er alles Gedachte aus seinem Kopf, denn jeder Gedanke an die Zukunft war wie das Glied einer Kette welche ihn an den Berg fesselte. Nur an die Vergangenheit durfte er denken und auch nur jene, die ihn kränkte, denn nur diese vermochte es seinen Wunden Flügel zu verleihen.
Und so bereitete er sich auf den Sprung vor und als er gerade im Begriff war den Boden unter seinen Füßen zu verlieren, da schien es als ob der Wind ihm etwas zuflüsterte.
„Ja, er hat recht!“, dachte er sich. Er konnte doch unmöglich davonfliegen ohne ein paar letzte Worte zu sagen. Worte die sich in den Geist derer einbrannten, welche sie vernahmen. Worte die von ihm kündeten und seinem letztem Augenblick auf Erden. Es mussten gut gewählte Worte sein und so überlegte er. Doch er fand keine. Keine die würdig genug wären diesen dramatischen Augenblick in seinem Leben festzuhalten. Frustriert setzte er sich etwas vom Rand weg, den Seine Füße waren es leid ihn weiter zu tragen. Und wie er so dasaß, nachdenklich den Kopf angelehnt, merkte er nicht wie seine Lider immer schwerer wurden. Der Schnee deckte ihn zu und er schlief ein – für immer.