Benutzer
Passwort

Beitrag   1 Bewertung  
Autor: knochengott

Erstellt am: 02.01.2007

Beitrag für Buch vorschlagen

Zufälliger Beitrag



Artikelliste


Direkter Link zum Artikel



Ne voglio ancora, e bello duro!



Geschrieben von:   knochengott


Tommy trommelte ungeduldig mit dem Fingern auf seinen Oberarm. Er stand zusammen mit anderen in einer langen Reihe vor der einzigen geöffneten Schalter. Das nur einer der Schalter geöffnet war war der erste Punkt, der ihn ärgerte. Das die Tipse dahinter offensichtlich unfähig UND überfordert war das zweite. Und das er nackt war das dritte. Er und der Rest der Schlange. Das wirklich leidliche daran war der Anblick der Frau vor ihm. Einhundertundfünfzig waren die geschätzten Jahre und Kilos, so das er den unebenen Hintern unverpackter und überdeutlicher sehen konnte, als er jemals gewollt hatte.

Der achte Jack Daniels war ganz eindeutig zuviel gewesen, daß merkte Tommy schon als er die Bar verließ und zum Wagen schwankte. Er brauchte beide Hände und ein paar Minuten um das Türschloß zu finden. Egal, er hatte es eh nicht eilig nach Hause zu kommen. Als er endlich den Schlüssel stecken hatte, drehte er ihn voller Stolz ruckartig in die falsche Richtung und brach ihn prompt ab. Ungläubig und schwerfällig starrte er auf den Stummel in seiner Hand und fing lauthals an zu fluchen. Im nachhinein erschien ihm das als ein Zeichen, vielleicht das letzte wirklich wichtige Zeichen, aber in dem Moment war er nur angepißt und fluchte was das Zeug hielt, bis ihm der kleine Knopf an der Unterseite des Stummels auffiel. Er starrte ein paar Sekunden darauf und begann dann hysterisch zu kichern. Er hatte die Zentralverriegelung völlig vergessen. Gönnerisch hob er die Hand, drückte den Knopf und ‘Ping‘ waren alle Türen geöffnet. Er stieg ein, steckte den Zündschlüssel ins Schloß und startete den Motor. Der Wagen machte einen kurzen Satz weil der Schalthebel noch auf ‘Drive‘ stand und schüttelte Tommy ordentlich durch.
„Schnauze, du Mistkarre!“ brummte Tommy.
Er schlug einmal kurz auf den Schalthebel, der sprang in den Leerlauf und er ließ den Motor ein zweites Mal an. Da sein Fuß unbeirrt auf dem Gas stand brüllte der Wagen auf und ohne weitere Verzögerung hieb Tommy den Schalthebel wieder auf ‘Drive‘. Die Reifen quietschen wie gehetzte Schweine und rauchend verließ er den Parkplatz. Auf der Straße fuhr er die ersten Meter unbemerkt auf der Gegenspur, bis ihn eine wild aufblendender und hupender Wagen darauf aufmerksam machte. Er scherte scharf nach rechts aus, wechselte auf seine Fahrbahn, drehte sich nach dem vorbeirasenden Wagen um, um ihn zu verwünschen und lenkte dabei wieder ungewollt nach links. Den Lastwagen sah er gar nicht, zu sehr war er damit beschäftigt, die linke Hand aus dem Fenster zu stecken und den Mittelfinger zu zeigen. Man fand Finger, Hand und Arm ein paar Meter neben seinem Wrack, die Faust noch immer geballt, den Finger zum finalen Abschied erhoben. So starb Tommy.

Und jetzt stand Tommy in der längsten Warteschlange, die er je gesehen hatte und wartete – ja auf was eigentlich? Er schätzte mal auf den Einlaß im Himmel oder sowas. Naja konnte ja lustig werden. Mit plötzlicher Heftigkeit überfiel ihn die Feststellung, daß er stocknüchtern war. Verdammt, da hatte er sich einen kapitalen Rausch antrinken wollen, dann war er verreckt und jetzt das hier. Die fette Alte vor ihm fing leise an zu weinen, faltete die Hände, wobei die schwabbelig herunterhängenden Unterarme zusammenklatschten und stimmte einen weinenden Singsang an. Tommy lauschte kurz und verdrehte dann die Augen. Mein Gott, sie betete! Als ob das JETZT noch was ändern würde! Das schlimme daran war, daß sie sich mit dem Singsang rhythmisch vor und zurück bewegte, was zu einer unangenehmen Wellenbildung auf ihrer Oberfläche führte. Tommy starrte ein paar Sekunden hypnotisiert auf die rollende Masse, dann blinzelte er heftig und riß den Kopf hoch. Er rieb sich die Augen und drehte sich herum, um dem Anblick zu entgehen. Hinter ihm stand ein dürrer pickeliger Teenager, der ihn blöde angrinste und schüchtern sein Ding mit der Hand umfaßt hielt.
„Was gibst‘n da zu grinsen?“ fuhr Tommy ihn an.
Der Teenager zuckte zurück und sein albernes Grinsen wurde noch breiter während sich in seinem Gesicht der Ausdruck breitmachte, den man von den ungezählten Prügelknaben weltweit kannte. Der Ausdruck, der nur mit der Faust entfernt werden konnte. Tommy schwoll langsam aber sicher der Hals. Er wollte sich nicht prügeln, gottverdammt, nicht mit dieser kleinen Made und nicht, verdammt und verflucht, am gottverfluchten Vortor zum Himmel. Hinter ihm erscholl der Singsang der fetten Alten lauter und lauter.
„Ich muß hier weg!“ murmelte er und verließ die Reihe.

Der Gesichtsausdruck des Engels (oder der Engelin, Tommy fragte sich ob es eigentlich eine weibliche Form von Engel gab und wenn nicht, warum?) war eine Mischung aus Nervosität, Panik und religiösem Eifer. Sie gab gerade mit gefurchter Stirn Daten in den Laptop vor ihr ein als Tommy den Schalter erreichte. Achtlos schob er den davor wartenden Mann beiseite und baute sich vor dem Schalter auf. Den Protest des Mannes ignorierte er einfach.
Die Engelin reagierte nicht, tippte weiter verbissen auf ihren Laptop ein und hielt den Kopf stur gesenkt. Zwischen ihr und Tommy war eine Glasscheibe und Tommy hieb mit der Faust mehrfach laut dagegen, so daß sie hochschreckte.
Sie sah ihn verwirrt an.
„Was...?“
„Wie komm ich hier raus?“ fragte Tommy ohne Umschweife. Er hatte von der ganzen Sache hier die Nase voll.
„Wie hier raus...?“ echote die Engelin ungläubig.
„Na RAUS hier! Ich will mich hier verpissen, klar!?“
„Aber da geht nicht...“
„Wie das geht nicht?!“ Tommy beugte sich drohend vor und sah mit Genugtuung, daß sich die Engelin mit ihrem Stuhl zurückrollte, obwohl eine Scheibe zwischen ihnen war.
„Ich stehe hier seit drei Tagen in dieser beschissenen Reihe und die drei Tage sind WÖRTLICH gemeint. Der Anblick der fettärschigen Alten vor mir raubt mir langsam meine Sehkraft, also entweder ich kann mich hier verpissen oder...“
Er ließ das Ende des Satzes aus, beugte sich wieder zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Die Engelin verzog verärgert das Gesicht und funkelte ihn wütend an.
„Oder was?!“
„Oder ich komme zu ihnen rein und rupf‘ sie wie ein Huhn!“
Die Engelin zuckte unwillkürlich zurück und griff sich an die Flügel. Dabei sah sie unverwandt in Tommys Gesicht und entschied, daß er es wohl ernst meinte.
Sie rückte mit dem Stuhl wieder nach vorn und legte seufzend die Finger auf ihre Tastatur.
„Okay. Name?“
„Tomas Redman.“
Sie tippte es in ihren Laptop ein, der mit einem leisen ‘Kling‘ die Daten auf den Bildschirm rief.
„Amerikaner, alles klar!“ murmelte die Engelin und fuhr mit dem Finger den Bildschirm entlang während sie mit zusammengekniffenen Augen las.
„Hier steht, daß sie auf der Warteliste für den Einlaß in den Himmel sind, aber da ist auch noch eine Notiz über ihre Ehe.“ laß sie vor und sah in schief an.
Bei der Erinnerung an Shella wurde er innerlich etwas unruhig.
„Was soll mit meiner Ehe gewesen sein?“
„Nur daß es in geringem Maße Unstimmigkeiten und häusliche Gewalt gegeben hat.“
„Was?“
Die Engelin verdrehte die Augen.
„Sie haben ihre Frau geschlagen, stimmt doch oder?“
Tommy hob protestierend beide Hände.
„Nie im Leben, das schwöre ich bei allem was mir hei...“
Schnell klappte er den Mund zu, aber die Engelin hatte es schon bemerkt.
„Bei allen was ihnen heilig ist was?!“ fuhr sie ihn an. „Das klingt für mich nicht nach Reue. Wenn sie ihre Taten leugnen, werden ihre Privilegien gelöscht.“
Sie drückte einen Knopf auf der Tastatur und ihr Laptop gab ein Geräusch, ähnlich einem Spielshowbuzzer von sich.
„Aber das können sie doch nicht, Gott verdammt noch...“
„Gotteslästerung am Vortor zum Himmelreich!“ rief sie triumphierend und Tommy konnte die Freude in ihrem Gesicht lesen.
„Damit sind sie direkt ein Kandidat für die Hölle!“
„Nein, warten sie ich habe es doch nicht so gemeint!“ Tommy trommelte gegen das Panzerglas.
„Auf wiedersehen. Oder nein, ehe adios!“ sagte die Engelin und hieb mit sichtlichem Genuß auf einen roten Knopf neben dem Laptop. Tommy verlor auf einmal den Boden unter den Füßen und begann schreien zu fallen. Das hämische Grinsen der Engelin folgte ihm.

Er wußte nicht wie lange er gefallen war, aber er mußte kurz die Besinnung verloren haben, als er aufschlug. Sein Kopf schmerzte und dem Rest seines Körpers ging es auch nicht anders. Es fühlte sich an, als wäre er von einem Laster überfahren worden.
Er machte die Augen auf, sah sich um und stutzte. Irgendwie hatte er sich die Hölle anders vorgestellt. Alles um ihn war weiß und strahlend, seine Füße standen auf weichem Untergrund, kein Schwefelfeuer, keine Flammen, kein Kreischen von gequälten Seelen. Er ließ den Kopf weiter herumwandern und entdeckte die Schlange, an deren Ende er stand.
„Was zur...“ war alles, was er herausbrachte.
Die fette Alte vor ihm dreht sich herum und sah ihn mit rotgeäderten Augen an.
„Alles okay Schätzchen?“ fragte sie und kratze sich geistesabwesend unter der linken Brust.
Tommy konnte nicht anders, als angewidert auf den rollenden Brustlappen zu starren, bis sie mit Kratzen fertig war und die Bewegung aufhörte.
„Ja klar, alles okay...“ murmelte er und reckte den Hals, um die Schlange überblicken zu können. Sie reichte sehr weit und ganz am ende sah er klein ein Schalterhäuschen.
„Da lecke mich doch am Arsch!“ stieß er wütend aus und ging auf das Schalterhäuschen zu.

„Wollen sie mich verarschen oder was?!“ brüllte Tommy die Engelin im Schalterhäuschen an, die seinen Ausbruch diesmal deutlich gelassener nahm.
„Ah, Mister Redman. Irgendwas nicht in Ordnung?“ fragte sie mit fühlend, lehnte sich zur Seite und späte an Tommy vorbei die Schlange entlang.
„Oh, sie haben ihren Platz in der Schlange verlassen.“
Sie wackelte mit dem Zeigefinger.
„Sowas sehen wir hier aber gaaar nicht gern!“
„Das ist mir doch scheißegal, verflucht noch eins! Ich will hier raus, ist das klar?!“
„Also nochmal von vorn...“ Die Engelin rückte näher an ihren Laptop heran.
„Ich bin amerikanischen Staatsbürger, ich habe meine Rechte und ich verlange...“
„Blablabla!“ unterbrach ihn die Engelin.
„Also beim letzten mal sprachen wir gerade über ihre Frau. Shella, sie erinnern sich?“ Im zuckersüßen Ton.
Schweratmend ballte Tommy die Fäuste, zwang sich ruhig zu belieben und nickte stumm.
„Und es gab Formen häuslicher Gewalt?“
„Ja, verdammt!“
„Gut und schon sind wir einen Schritt weiter, Mister Redman!“ Die Engelin strahlte über das ganze Gesicht.
„Dann war da nur noch das Trinken, die Gotteslästerung, der Verstoß gegen das zweite Gebot, die unregelmäßigen Besuche in der Kirche...“ Sie stockte und sah hoch.
„Man, daß ist aber eine lange Liste, die sie da haben Mister Redman! Ich fürchte, das können wir nicht alles jetzt gleich aufarbeiten. Warum ziehen sie sich nicht eine Nummer und stellen sich hinten an, damit ich die nötige Zeit erübrigen kann?“
Ihr Lächeln war wie ein Rasiermesser.
Tommy platze der Hals.
Er wußte nicht mehr genau was er gesagt hatte, aber nach den ersten zwei Sätzen ruckte die Hand der Engelin über den roten Knopf und noch immer lächelnd hieb sie darauf. Er verlor seinen Halt und stützte wieder.

Wieder fühlte es sich an, als wäre er von einem Laster überrollt worden, nur diesmal hatte der Laster nochmal zurückgesetzt.
„Das kann doch nicht war sein!“ ächzte Tommy und verließ die reihe, ehe die fette Alte vor ihm etwas sinnloses erwidern konnte.

„Ich bereue alles, alles was ich je im Leben falsch gemacht habe.“ sagte Tommy als erstes, als er wieder am Schalter stand.
„Oh Mister Redman, daß ist aber schön.“ Die Engelin tippte beflissen und strahlend lächeln auf ihren Laptop herum.
„Und wie sehr bereuen sie ihre Vergehen, ihre Trunksucht, die häusliche Gewalt, ihre...“
„Ich bereue es aus tiefster Seele.“ sagte Tommy und meinte es auch so. Im Moment bereute er einfach ALLES, daß ihm diesen Scheiß hier eingebrockt hatte.
„Sehr schön, Mister Redman, ich kann spüren, daß es ihnen ernst damit ist. Vielleicht sind sie doch kein hoffnungsloser Fall.“
Tommy atmete ein klein wenig auf. Die Engelin tippte etwas auf ihren Laptop und wieder ertönte ein leises klingen. Sie sah zu Tommy auf.
„Okay, ihre irdischen Sünden sind ihnen vergeben worden.“
„Gott sei dank!“ entfuhr es Tommy. Er schlug sich vor den Mund, die Augen weit aufgerissen.
Die Engelin lächelte.
„Nein, das ist schon okay, das ist noch keine Gotteslästerung, den sie haben recht, Gott sei Dank.“
„Danke.“ war alles was Tommy noch herausbrachte.
Die Engelin wand sich wieder ihrem Laptop zu.
„So damit kämen wir zu ihren überirdischen Sünden.“
„Meinen was?“ Tommy war fassungslos.
„Aber das wissen sie doch. Die Grundregeln gelten auf Erden genau wie hier oben. Und da steht unter andrem liebe deinen Nächsten.“ sagte die Engelin feierlich.
„Aber was habe ich denn getan?“ heulte Tommy am Rande der Verzweiflung.
„Sie haben sich vorgedrängelt.“
Ihre Hand landete auf dem Knopf und Tommy fiel.

Alles tat ihm weh. Seine Augen brannte in seinen Höhlen, als hätte er Tage nicht geschlafen, seine Füße waren taub und sandten kontinuierliche Schmerzen an sein Rückenmark. Er hatte versucht sich zu setzen, aber mit dem Anblick der Geschlechtsteile links und recht s von ihm und dem davon ausgehenden Geruch hatte er sich entschlossen lieber zu stehen. Sein Rücken schmerzte und knackte inzwischen bei jeder Bewegung.
„Verdammter Himmel.“ murmelte er und kratzte sich geistesabwesend am Sack.
Die fette Alte vor ihm drehte sich um, diesmal den rechten Brustlappen kratzend und sah ihn triefäugig an.
„Himmel?“ krächzte sie „Für mich fühlt sich das eher nach Hölle an.“

viva la LOBO ;o)