-4 Teil des Episodenwerkes: maschine baby!

  - Einleitung
  - Kapitel 1: -1
  - Kapitel 2: -2
  - Kapitel 3: -3
  - Kapitel 4: -4
  - Kapitel 5: -5


Anmerkungen des Autors:
wusch und weg - Fred - Altmännerhumor - Kuhjubel - Violettwolken


Der Sitz meines Autos empfängt mich weich und klamm. Naja jedenfalls weich, also schon zu 50 Prozent eine gute Sache. Die hab ich jetzt auch nötig. Ich fummle die Kippe heraus, doch ich hab sie in der Jackentasche zerdrückt und Tabak rieselt mir entgegen. Scheiß Herrgott!
"Mist!" fluche ich kurz, drehe das Fenster herunter, überlege es mir aber anders und quetsche sie in den Aschenbecher. Vorbei ist die Hochglanzzeit!
Meine grün schimmernde Uhr im Amaturenbrett informiert mich, daß ich noch eine paar Stunden Zeit hab, bis ich Marla treffe, also starte ich den Wagen und mache mich auf den Weg zum Schädel. Nicht wegen Hanz und seinen idiotischen Footlockers. Ich will Izzy und den Rest warnen.

Der Scheibenwischer schubbert im gemäßigten Takt über meine Scheibe und wischt Regen weg. Tropf tropf tropf - wusche und weg. Tropf tropf tropf - wusch und weg. Wie ein Ballett der Sinnlosigkeit. Ich gondel durch die Stadt, lenke wie mechanisch meine Wagen, nehme die anderen Autos und leute kaum wahr, bis ich an einer Ampel zu stehen komme und schräg links eine Riß in der Realität entdecke.

Ein Kamel, daß wie ein Universum aussieht. Darunter irgendein pseudophilosophischer Spruch, der die Tiefe und Sinnlosigkeit kaschieren soll.
Und darüber eine Universum, daß wie ein Kamel aussieht! Notbremse! Ruder hart steuerbord! Wer denkt sich den diesen Scheiß aus?!
Die Ampel will nicht schalten und mein Blick ist auf dem verdammten Werbeplakat festgenagelt. Ist eins von den neuen, leicht fluktuierenden Dingern, das einen den Blick fesselt. Ich starre wie ein Idiot.
Außerdem schmerzen die Fußzehen meines linken Fußes. Jetzt plötzlich fangen sie an. Eigentlich nicht möglich, aber tja Geist über Körper oder wie sagt man?! Naja, auf jeden Fall jucken sie und ich kann sie nicht kratzen, weil sie (überraschung!) nicht mehr da sind. Verflixten Phantomschmerzen! Hatte ich auch in meinen Finger die ersten paar Tage. Nervt tierisch, vergeht aber.

Endlich, endlich Äonen später entläßt mich die Ampel genädigerweise und ich entschwinde schleunigst aus dem Einflußbereich des Hypnoseplakat. Verdammte Dinger saugen einem das Hirn leer. Heil dem Hypnoseplakat! So ein Schrott...
Mein Vordermann steigt wie wild in die Eisen, läßt mich nicht mal meinen Gedanken zuende denken. Die ganze Welt ist plötzlich winzig und kreischrot. Dann reagieren Synapsen, spannen sich Muskeln, bewegen sich Gelenke und mit einem Kreischen hält mein Wagen. Der Motor würgt, gurgelt und säuft ab. Na herzlichen Dank!
„Verdammter Idiot.“ kommt es von meinen Lippen, Worte so weich wie Watte. Das reicht nicht! Mein spärlicher Verstand schaltet um und das zweite „Verdammter Idiot!“ hat nur noch entfernte Ahnlichkeit mit Watte. Ach geben wir der Wahrheit die Ehre - die Ahnlichkeit ist selbst unter dem Mikroskop nicht mehr nachweisbar!
Ohne mich eines Blickes oder einer Reaktion zu würdigen fährt mein Vordermann wieder an, beschleunigt und bremst dann wieder abrupt herunter. Ich stehe imme noch an der selben Stelle und glotze. Das ist aber nicht nett, Fred! Hat mal jemand ne Sicherung dabei?

Ein Hupen von hinter weckt mich. Okay, okay bin ja schon dabei! Ich orgel am Anlasser, der Motor springt rülpsend an (wieder ein kurzer Moment der Kopfschmerzen - auch dafür herzlichen Dank an Fred!) und ich fahre weiter, stehts darauf bedacht, den Abstand zu Fred großzügig zu bemessen. Ich biege so schnell wie möglich auf die Stadtautoibahn ab, erstens um dem wahnsinnigen Bremser zu entkommen, zweitens weil ich nicht mehr weiß wohin ich eigentlich will. Also wenn schon sinnlos durch die Gegend fahren, dann wenigstens schnell! Auf der Autobahn ist wenig los, also bin ich ungekrönter, unangefochtener, ungewollter Herrscher der linken Spur. Auf ihrer Spur ziehen Lkws vorbei, schieben sich gegenseitig durch die Gegend. Diese neuen Multilenksysteme sind schon gar nicht schlecht. Ein orangener Konsumtanker lößt eine Schüttellähmung und die Erinnerung an Hanz und mein Ziel bei mir aus. Ist aber auch ein scheißorange!

Endlich erreiche ich den Schädel und parke irgendwie halbschräg zum Bürgersteig. Scheißegal, Zeit ist Geld! Meine Zehen jucken, meine Schädel brummt, ich soll für ein paar Labelnazis arbeiten und muß mich noch für Marla zurecht machen. Wie soll ein einzelner Mensch das nur aushalten?!
Indem er in Gedanken den knapp einem Meter zwanzig hohen Pfosten übersieht und ihn sich in die Eier rammt. Plötzlich sind alle Gedanken an Marla, Hanz, die Flaps und meine Zehen weg und werden ersetzt durch einen brüllenden Schmerz in meinen Eiern.
'Haha kleine Sünden straft Gott sofort!' denke ich mir grimmig lächeln und meine Eier haltend als ich am Boden liege. 'Scheiß Altmännerhumor!'
"He man, alles okay?" fragt mich jemand, den ich dank zusammengepreßer Augen nicht sehen kann. Oh scheiße, dieses 'man'! Bloß er nicht, nicht dieser Scheißlabelnazi! Ich öffne ein Auge - mehr traue ich mich nicht.
Kein Hanz weit und breit, nur eine versifft aussehender Späthippi mit blauen Lippen. Ein Flap. Und zudem noch voll auf BliphT.
"Geht schon." ächze ich und reiche ihm eine Hand. Er zieht mich hoch.
"Man, du bist ja voll gegen den Pfahl gelaufen. Hast jetzt bestimm hübsch blaue Eier."
Ich zucke bei der erwähnung meiner Eierfarbe zusammen.
"Ja, danke, daß du es mir nochmal sagst." meine ich säuerlich.
Ich setzte mich erstmal hin und der Flap hockt sich vor mich. Ich lasse meinen Kopf gesenkt und konzentriere mich auf den Schmerz, versuche ihn zu packen und zu vernichten. Es gelingt nicht recht.
"Was willstn hier man?" fragt der Flap. "BliphT?"
"Nee danke. Ich wollte Izzy sprechen, wenn er da ist."
"Izzy, man?" Er richtet den Blick nach oben und stützt sein Kinn auf eine Hand. "Der müßte da sein."
Er springt auf.
"Ich schau mal nach. Bleib einfach hier, okay man?"
"Klar, schaff ich doch spielend."
Ich fürchte fast, er bemerkt meine Sarkasmus gar nicht, ist schon in voller Fahrt und entfernt sich stetig.
Egal, ich lege den Kopf ind den Nacken, schließe die Augen und atme durch. Der Schmerz vergeht. Der Schmerz vergeht. Der Schmerz vergeht. Wenn ich mir das oft genug sage muß es doch klappen, oder?!

Dabei fällt mir wieder Hanz ein, also hole ich mein Handy heraus und rufe ihn an. Ich muß nicht erst mit Izzy reden um zu wissen, daß ich es nicht mache. Nicht für ihn und schon gar nicht für die Footlockers.
Er nimmt gleich nach dem ersten Klingeln ab. Kein gutes Zeichen.
"He Maschine! Und, schon erledigt?"
"Nein Hanz," sage ich langsam "und ich werd es auch nicht tun können"
Schlagartig herrscht Stille am anderen Ende der Leitung und dann höre ich ein leises Geräusch. Zähneknirschen. Ich wußte es würde nicht gut ankommen.
"Weißt du Hanz, das Gebäude steht in einer koaxialen Triangel mit den Mech-charkas und das ergibt einen Verbrennungskoeffizienten, der..."
"Halt dein dummes Maul!" fährt er mich an. "Das hätte deine große Nummer werden können. Nein, das hätte MEINE große Nummer werrden können!" brüllt er. "Aber so leicht kommst du mir nicht davon, hörst du mich?! Ich mach die fertig, daß schwör ich dir! Du wirst dir noch wünschen mich nie gekannt zu haben! Ich mach dir dein Leben lächelnd zu Hölle!"
"Jetzt halt aber mal die Luft an." gebe ich zurück "Was ich nicht kann, daß kann ich..."
"Lächelnd." sagte er nochmals, dann legt er auf.
Ist mir auch recht so.

Ich lasse mich nach hinten fallen und verschränke die Hände hinter dem Kopf. Meine Augen öffnen sich und ich sehe den Schädel. Weiß gar nicht mehr wer das sein soll, der da mit grunzelter Stirn und grimmigem Vollbart über den Platz starrt. Irgendein Diktator oder Revolutionär oder vielleicht auch ein Staubsaugervertreter. Wenn kümmerts?!
Und dahiner auf der Hauswand, daß hat er wohl gesagt.
Bei dem Gedanken drehe ich mich um und endecke das Schild. Es hängt ganz oben an der Wand und überdeckt ein Wort.
'Proleten aller Länder vereinigt euch.' oder so seht da eigentlich. Jetzt nicht mehr. Jemand hat das geändert und jetzt steht da: "Kühe aller Länder vereinigt euch." Ich beginne zu schmunzeln, zu grinsen, zu lachen.
Kühe aller Länder vereinigt euch?!
So ein Schwachsinn. Als könnten Kühe ihren eigenen Staat ausrufen.
Dieser Gedanke führt dazu, daß ich mir Kühe in Frack und Zylinder bei der Unterschreibung ihrer Unabhängigkeitserklärung vorstelle. Alle wohlwollend muhend selbstverständlich. Und im Hintergrund jubeln reichlich andere Kühe. Schwenken Tücher und sowas. Und das bringt mich zu dem Bild einer Kuh, die auf einem Schaukelstuhl vor ihrer Farm sitzt und Banjo spielt. Und das führt zu weiteren Bildern und das führt dazu, daß ich mich japsend und Tränen lachend auf dem Boden wälze als Izzy kommt.

Izzy hockt sich neben mich und macht ein sorgenvolles Gesicht. Darin ist er sehr gut. Ich lache wie ein Wahnsinniger und würde ihm gern erklären, daß alles okay ist, aber sein Gesichtsausdruck reizt mich nur zu noch mehr Lachern. Er dreht sich um und fragt den anderen Flap:
"Was hast du mit ihm gemacht?"
Ich ersticke gleich, weil die Kühe morgen einmarschieren werden. Euterfreiheit für alle!
"Nichts Izzy, als ich ihn hier gelassen hab, war er noch normal. Hat sich die Eier gestoßen."
Noch normal! Ich brech ab vor Lachen! Als ob ich jetzt nicht mehr normal wäre. Der normalste in einer Welt der Kuhstaaten und Stirpbars mit Euterfreiheit! Ein neuer Lachkrampf schüttelt mich, ich hechle nur noch flach, meine Zwerchfell ist überspannt.
"Die Eier gestoßen hmm?" brummelt Izzy während er sich wieder zu mir umdreht. Er legt eine Hand auf meine Stirn und zieht mein eines Augenlid hoch. Ich vibrire wie eine Gitarrensaite unter Lachern.
Dann läßt Izzy mein Lid los, grinst mich dümmlich an und meint nur:
"Dann sollte ich mir öfter mal die Eier stoßen, denk ich."
Ich sterbe. Ich schwöre es bei Gott, ich werde hier vor dem Schädel verrecken. Meine Einberufung zu den Kuhkriegen wird unbeantwortet bleiben, weil ich hier verreckt bin! Mein Bauch tut weh, mein Zwerchfell zuckt nur noch apatisch und ich werde mit Izzys dummen Grinsen vorm Gesicht sterben. Oh mein Gott, jetzt laß mich schon los und nimm dir nen anderen!

Ich nehme eine tiefen Schluck aus der Bierflasche, die Izzy mir gegeben hat. Das Bier habe ich angenommen, die Kippe abgelehnt. Scheißspiel, ich bin schon ganz fickrig nach blauem Dunst, aber ich halte durch . Wir sitzen in einem spärlich beleuchteten Zimmer irgenwo in der Nähe. Das Bier ist kalt und tut gut. Das hier ist mein sechstes, nachdem mein Lachkrampf endlich aufhörte und ich Izzy erzählen konnte was los war. Danach war er derjenige der breit grinste und mir stolz mitteilte, daß das Schild sein Werk wäre. Nur das warum konnte er mir nicht erklären. Er sich selbst aber auch nicht mehr.
Das Bier ist inzwischen auch fast alle und unser Gespräch gerade beim Knackpunkt angekommen.
"Scheiße, diese blöden Foots." brummelt Izzy, während zwei zügen an seiner pfeife. Das rosa Kraut darin ist 1A BliphT, der Exclusivstoff nur für Izzy und Freunde.
"Du wirst das Angebot doch nicht annehmen oder?"
Ich starre ihn über meiner Bierflasche hinweg an und lasse sie sinken.
"Natürlich nicht Izzy. Wer bin ich denn?!"
"Okay, man, schon okay." Er pafft Violettwolken.
"Und was willst machen?"
Ich leere die flasche.
"Hab ich schon. Hab Hanz angerufen und ihm bißchen blabla erzählt, dies und das, ich könnts nicht machen und damit Ende der Geschichte."
"Hmmm..." Er wiegt den Kopf vor und zurück wie ein Semi-Joda.
"Aber du solltest aufpassen. Wenn ich es nicht mache..."
"...dann suchen sich die Foots nen anderen. schon klar." beendet Izzy meinen Satz.
"Genau."
Er legt die tote Pfeife beiseite und sieht mich mit einem schrägen Blick an.
"Warum machst du das Maschine?"
"Warum mach ich was?" gebe ich zurück.
"Warum warnst du uns? Ich mein wir kennen uns lange, aber wir sind nicht die dicksten Freunde."
"Scheiße, ich dachte ich tu dir einen Gefallen! Arbeite mal an deinem Danke!" Ich bin wütend und stehe auf.
"Schon gut Maschine, war nicht so gemeint." beschwichtigt mich Izzy
Ich lasse mich zurück in den Sessel fallen. Staub steigt auf.
"Ich meine nur..." Er ringt mir seinen Worten.
Dann beugt es sich vor und schaut mir direkt in die Augen.
"Wieviele Freunde hast du? Also ich meine keine Leute wie mich, sonderen richtige Freunde?"
"Keine Ahnung." Ich überlege kurz, aber mir fällt auf Anhieb niemand ein.
"Keine."
Er lehnt sich wieder zurück und gibt dem Satz damit etwas entgütliges, daß ich nicht ertragen kann.
"Quatsch Izzy, ich kenn eine menge Leute..."
"Genau, DU kennst ne Menge Leute, aber wieviele von denen kennen DICH?"
Ich schweige.
"Das meine ich! Nicht mal ich weiß, wer du bist oder was du als nächstes machst, dabei kennen wir uns seit fast vier Jahren."
"Ich muß jetzt gehen." sage ich kurz, stehe auf und laufe hinaus.
"Sag mir einen, sag mir nur einen!"
Izzy gibt nicht auf und folgt mir.
"Komm schon, sag mir nur einen und ich laß dich in Ruhe." Er packt mich am Arm und ich wirble herum, bereit ihn zu schlagen.
"Marla!" schreie ich ihm ins Gesicht und reiße mich los.
Er weicht eine Schritt zurück.
"Oh Marla." sagt er tonlos.
"Ja Marla!" schreie ich noch lauter, drehe mich um und gehe. Diesmal folgt mir niemand.

Unter dem Schädel bleibe ich stehen und atme tief durch. Verdammt soll er sein, verdammt mit seinen ganzen Flaps. Ich scheiß auf sie. Und auch auf Hanz und die Footlockers. Als ob einer von denen wüßte wie es ist so wie ich zu sein.
Allein.
Allein und einmalig.
Erschreckend einmalig.
Ich kenne nur noch eine die so ist wie ich.
Die einmalig ist.
Ich sehe auf meine Uhr und stelle fest, daß ich nur noch eine Stunde zeit habe. Also gehe ich schnell zu meinem Auto und lenke es vom Bordstein herunter. Ich fahre nach Hause. Muß mich noch umziehen, herricheten, restaurieren, wie auch immer.
Und dann zu Marla.