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Autor: knochengott

Erstellt am: 28.12.2006

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Geschrieben von:   knochengott


Teil des Episodenwerkes: maschine baby!

  - Einleitung
  - Kapitel 1: -1
  - Kapitel 2: -2
  - Kapitel 3: -3
  - Kapitel 4: -4
  - Kapitel 5: -5


Anmerkungen des Autors:
Blitzblank - Tanz der Träume - schwitzende Lässigkeit - lieber Herrgott



Im Inneren des Fahrstuhl stinkt es nach Verwesung. Muß wieder der fette Sack aus dem achten gewesen sein, der nie seine Gase bei sich behalten kann. Ich halte den Atem an und warte auf das Erdgeschoß. Als sich die Türen öffnen stürze ich los, kann mein Gleichgewicht gerade so behalten und haste halb fallend die Treppe hinab. Draußen empfängt mich kalte feuchte Luft, der Himmel ist verhangen und feiner Regen fällt. Ich schließe meine Jacke und überquere den Parkplatz, wobei ich den großen Pfützen ausweiche. Meine Schuhe sind schon alt und spröde. Eigentlich erwarte ich einen rostigen alten Zeros, den ich auch gleich erblicke, aber die Farbe ist falsch. Dieser hier ist blau, meiner war rostrot. Scheiße, ich hasse Überschneidungen. Mein Kopf beginnt zu pochen, als ich ihn anschaue, die Augen sehen das blau und meiner Erinnerung beharrt auf rostrot. Dieser Wiederspruch verursacht neue Kopfschmerzen. Mist, dabei waren sie gerade dabei zu verschwinden. Aus fast geschlossenen Augen blinzelnd steige ich rasch ein, öffne die Tür mit einem Schlüssel, den ich nicht kenne und doch kenne und sehe mich innen vorsichtig um. Beige, dreckige Polster. Also wenigstens hier heiles Universum. Ich starte den Wagen und sofort sticht mir ein neuer Schmerz durchs hirn - er springt sofort an. Vorher hatte er immer Probleme bei dem Wetter, weil der Vergaser undicht war. Dieser hier scheinbar nicht. Egal, ich dränge den Schmerz zurück, lege den Gang ein und fahre los, Richtung HQ, Richtung Marla.

Eine Kreuzung weiter fällt mir auf, das der Gummi um den Schalthebel schwarz und sauber ist. Meiner war immer schon grau und schmutzig. Ich öffne den dahinterliegenden Aschenbecher und er ist blitzblank. Die restliche Rotphase grüble ich, ob ich jetzt Nichtraucher bin, oder ob die neue Realität aus mir einen machen will. Aber ich will trotzdem eine Kippe, schon alleine um diesen blütenweißen Aschenbecher zu beschmutzen. Nein, nein ich werde stark sein. Kowabonga! Kamehameha! Tschakka!

Die Vordertür des HQ steht sperrangelweit offen um den Gestank und den Rauch der letzten Nacht rauszulassen. Bei voller Beleuchtung ist das Innere ein seltsamer Anblick. Bin eben viel zu früh da. Ich gehe hinein, ohne Türsteherspirenzchen und wende meine ersten Schritte in Richtung Klo. Meine Blase drückt. Marla ist nirgendswo zu sehen.

Erleichter trete ich ungebremst schwungvoll aus der Tür und knalle voll in Marla hinein. Sie verliehrt leicht den Halt, als ich sie erwische und ich muß sie ein bischen auffangen, wobei mir meine fehlende Stabilität am Arsch vorbei gehen kann, denn ich stehe fest und halte sie. Ich muß mal etwas Grundlegendes zu ihr sagen. Marla ist einmalig. Im wörtlichen Sinne. Sie wurde gebaut, als es mich noch gar nicht gab, ist sicherlich Jahrzehnte älter als der Rest hier und es ist bis jetzt unklar wie sie genau funktioniert. Ihr Erbauer oder Erfinder oder was auch immer hat sie so versiegelt, das eine Demontage eine Demolage wäre. Und da sie ohne Probleme und Wartung funktioniert und gute Androiden selten sind (die neuen Plastikdinger taugen nichts, nur als Kinderspielzeug und für die wöchentliche Neuauflage einer Teenieband), bleibt Marla so wie sie ist. Ihre Augen, von einem weichen braun, sind eigentlich viel zu groß für das Gesicht, aber das ist nicht das bemerkenswerte an ihr.
Das ist ihr Duft.
Marla strömt immerzu einen süßen und doch scharfen Duft aus, würzig, wie Honig, ein Duft der sie umgibt und in dem man eintauchen kann. Ein Duft, der sich in deinen Hirnwindungen festkrallt und sie zu zerreißen droht. Sie blickt zu mir auf, ihre Servomortoren stellen die Linsen scharf und ein Lächeln zieht die Memoaktiven Lippen auseinander.
„Hallo Maschine.“ murmelt sie mit ihrer rauen und flüsternden Stimme und ich beuge den Kopf vor, küße sie sanft auf die Lippen unseren Zungen tanzen einen kurzen Tanz der Träume, ehe wir uns wieder lösen.
„Hallo Marla.“ gebe ich von mir und meine Stimme klangt rauh und kratz im Hals. Dieser Kuß bedeutet nicht und doch etwas. So begrüßen wir uns oft, nicht immer, aber doch dann und wann wenn es passend scheint. Sie meinte das würde bei ihr einen fröhliches Kitzeln im oberen Peripherieabschnitt des Memoalkoven auslösen. Ich weiß was es mir bedeutet.
Eine Strähne gleitet ihr ins Gesicht und sie wirft sie mit einer feinen Bewegung des Kopfes zur Seite.
„Ich weiß nicht, warum ich das mache,“ sagte sie „ aber irgendwie kann ich manchmal nicht anderes. Ich glaube fast du dipolarisierst meine Transferknoten, Baby.“ Ihre Blicken gleiten über mein Gesicht und bleiben kurz an meinem Hals hängen, ehe sie den Blick wieder zu mir hebt. Ich könnte schwören, daß ich ein Gefühl gesehen habe.
„Aber wozu verstehen, wenn das tuen doch soviel mehr Freude macht.“ murmelt sie und lächelt leise.
Sacht richtet sie sich auf und löst sich von mir.
„Ich muß arbeiten Baby, aber was hälst du davon, heute abend nochmal her zu kommen. Ich hab bestimmt eine Minute Zeit für dich.“ Sie macht eine Pause, lächelt und streicht sich mit einem Finger flüchtig über die Lippen.
„Und vielleicht auch eine dafür.“ Damit verschwindet sie nach hinten und läßt mich stehen. Ich glotze ihr nach und brauche ein paar Minuten um zu verstehen, was sie gesagt hat.
Anschließend verlasse ich das HQ. Was soll ich auch noch dort?

Vor der Tür taste ich an mir herunter, um eine eventuelle Kippe zu finden, aber nichts da. Verdammt, zur Feier des Tages muß ich doch eine rauchen! Während ich noch an mir herumklopfe hält mir jemand einen Glimmstengel ins Blickfeld. Ich heb den Kopf und vor mir steht Hanz.
"He Hanz." sahe ich langsam, vorsichtig auf meine Worte bedacht. Ich sehe ihn mir von oben bis unten an. Er trägt einen einheitlich grauen Anzug, Jacke, Hose und Shirt in der selben stumpfgrauen Farbe. Dazu eine Quasi-platte, die restlichen Millimeter recken sich kläglich in den Himmel. Sein Mund ist in dauernder Bewegung, kaut einen Kaugimmi als wöllte er einen Wettbewerb gewinnen. Ich senke den Blick und entdecke graue Socken, in die die Hosenbeine gesteckt wurden. Sieht lächerlich aus, muß aber so sein, denn sonst könnten sie ja die Schuhe überdecken.
Die knallorangen Schuhe. Ich hasse Orange. Schon gewußt?
Hanz ist einer dieser Typen, der immer besonders cool wirken muß. Aber wenn man genau hinsieht fällt einem die Spannung darunter auf. Er schwitzt sozusagen vor Lässigkeit. Seine Augen zum Beispiel. Die stehen nie still. Wenn er mit einem redet springen sie immer hin und her, von dea Augen zu den Lippen, nach unten auf seine Hände, immer in Bewegung. Es ist anstrengend permanent cool zu sein.
Zudem sammelt Hanz Gangmitgliedschaften wie andere Leute Wertmarken. Er wechselt sie mindestens einmal pro Monat und hält sich immer auf dem laufenden, wer gerade am angesagtesten ist. Wenn ich mir seinen Aufzug so anschaue kann das momentan nur eine Gang sein.
"Die Footlockers, hmmm?" frage ich .
"Jau man, die habens echt drauf. Die werden den ganzen Block hier noch übernahemn!" Ich nickte bedächtig und nehme seine Kippe entgegen.
"Klar man, wenn du es sagts..."
"Solln das heißen?!"
Er verkrampft sich unwillkürlich, bereit seine Stellung (so lächerlich sie auch sein mag) zu verteidigen. Erinnert mich an diese kleinen Kläfer, die immer dahin pinkeln, wo die großen bösen Hunde schon waren. Natürlich, wenn die weg sind. Als ob nicht jeder wüßte, daß die Footlockers nicht anderes als Labelnazis sind. Genau das richtige für Hanz.
Ich sehe mir intensiv die Kippe an. Sonst müßte ich ihn ansehen und ernst dabei bleiben. Nicht in einer Million Jahre machbar.
"Nichts Hanz, ist ja deine Entscheidung. Was denn mit den Stripes geworden?"
"Scheiße man, die Stripes sind doch lahme Säcke. Immer nur Überfälle und Schlägereien. Nein man, die Footlockers, die gehen vorwärts. Die haben Ordnung, im ganz großen Stil!" Seine Augen leuchten begeistert.
"Ja schon klar. " gebe ich zurück, immer noch langsam und bedächtig.
Wir sehen uns eine Weile lang an, er breit grinsend, ich die Kippe sinnlos in der Hand haltend.
Die Zeit dehnt sich. Es fängt leise an zu nieseln und zu meinem Bedauern denke ich an den Glimmstengel in meiner Hand, der gerade wertlos wird. Irgendwann ist es mit der Höflichkeit dann aber auch genug, ich richte mich auf, stoße ein" Ja dann ..." hervor und mache einen Schritt an ihm vorbei.
Den einzigen Schritt, denn sofort drückt Hanz Handfläche gegen meine Schulter. Ich senke den Kopf und beiße die Zähne zusammen. Seine Hand ist schwitzig und warm und reib unangenehm gegen mein Jacke.
"Warte mal man, ich wollt was mit dir bequatschen."
Was auch sonst!
"Okay, dann mal los." stoße ich hervor und kann nicht verhindern, daß es wie ein Seufzer klingt. Die sache stinkt mich schon jetzt schon.
"Nicht hier!" Er wirft einen Blick zum Eingang des HQ als ob dort dutzende Polizisten stehen würden und seine Hand schließt sich um meiner Schulter, zerrt, drängt mich vorwärts, weg von der Tür, hinein in eine Seitengasse. Meine Hand wandert in die Jackentasche. Vielleicht kann ich die Kippe ja noch retten. Wenigstens einen teil davon. Bitte lieber Herrgott im Himmel sei gnädig!
Er folgt dicht hinter mir gehend, dirigiert er mich tiefer und immer tiefer in die Gasse. Etwa in der Mitte wird mir das Katz-und-Maus-Spiel zu blöde und ich bleibe abrupt stehen.
Unsanft prallt er gegen meinen Rücken.
"Paß doch auf!" knurre ich .
"Paß du doch auf, man." gibt er giftig zurück und spätestens jetzt sollte allen klar sein, daß wie keine Freunde sind. Nicht mal annähernd.
"Also was willst du?" Ich weiß natürlich, was er will. Das, was alle wollen. Dämlichen verfluchten Hände.
Er sieht sich erst umständlich um, geht mit schnellen Schritten weiter in die Gasse hinein, schaut sich nochmals übergründlich um, zieht dann den Kopf zwischen die Schultern und kommt näher, so nahe, daß er flüstern kann. Wir stehen Schulter an Schulter und ich kämpfe um jeden Millimeter hart.
"Also wir haben da so ne Sache am kochen..." murmelt er.
"Aha."
"Ja, drüben beim Schädel."
Ich horche auf. Da sind Izzy und die Flaps.
"Und was weiter?"
"Naja da hängen immer solche Typen rum, die Flaps, weißt schon man. Verkaufen dort ihr BliphT und knallen sich die Birne zu. Haben voll keine Disziplin."
Mir schwant übles!
"Und da komm ich ins Spiel?"
Das Leuchten in seinen Augen erinnert an vorhin und er packt mich an der Jacke. Denkt wohl er hat mich schon halb im Sack und muß nur noch einmal schubsen und ihn dann zuziehen.
"Genau man, du hast es voll erfaßt. Die Footlocker räumen jetzt richtig auf und du kannst dabei sein. Mach deine Zeichen auf den platz, oder was auch immer du tust und mach sie weg. Dann ist das unsere Ecke."
Er sabbert fast vor Begeisterung.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn in dem Zustand dran erinnern sollte, daß ich n paar Flaps gut kenne. Erstmal löse ich seine Hand leicht von meiner Jacke und trete einen Schritt zurück. Er schaut erst mich und dann seine Hand verwundert an, als wäre mir eine besonderer Zaubertrick gelungen und sagt weiter nichts.
"Ich schau mir die Ecke erstmal an, okay?"
"Heißt das du machst es?" Erwartungsvoll. Gierig. Gehetzt.
"Naja, ich schau es mir mal an. Muß die Lage peilen, Berechnungen anstellen, den Preis bestimmen..." Ich labere totalen blödsinn, aber das weiß er ja nicht.
Kaum hört er meine Kitanei wird er beflissen zurückhaltend.
"Sicher doch Maschine. Berechnungen, ist klar. Und das mit dem Preis..." er breitet großzügig seine Arme aus. Nur sein Lächeln ist noch breiter und großzügiger.
"Die Footlockers bezahlen dir was du willst. Hauptsache du erledigst den Job."
"Dann ist ja alles klar.." Ich wende mich zum gehen, rechne fast mit seiner Hand, die mich aufhalten wir, aber sie bleibt aus.
"Okay, dann meldest du dich nachher bei mir?" schallt es hinter mir her.
"Jaja."
Nur weg von diesem Irren!
"Meine Nummer hast du doch oder?" Schon leiser, aber noch nicht leise genug.
Ein hartnäckiger Irrer!
"Sicher."
Ich gehe schneller, senke den Kopf und ramme die Hände in die Taschen.
"Sonst kann ich mich auch bei dir melden!" Fast nicht mehr zu hören, aber leider nur fast.
Meine Fresse, ein sowas von hartnäckiger Irrer!
"Nicht nötig!"
Schneller.
Ein letzter Schrei folgt mir, als ich aus der Gasse eile und weiter beschleunigend auf meinen Wagen zugehe.
"Die Footlockers, man. Halt dich nur an die Footlockers."
Oh Herrgott, warum hast du mich verlassen?!!