Benutzer
Passwort

Beitrag   1 Favorit  
Autor: knochengott

Erstellt am: 28.12.2006

Beitrag für Buch vorschlagen

Zufälliger Beitrag



Artikelliste


Direkter Link zum Artikel



-2



Geschrieben von:   knochengott


Teil des Episodenwerkes: maschine baby!

  - Einleitung
  - Kapitel 1: -1
  - Kapitel 2: -2
  - Kapitel 3: -3
  - Kapitel 4: -4
  - Kapitel 5: -5


Anmerkungen des Autors:
Holzbein-Smitty - scheißorange - Mordmoskito - Biertrauer - das universelle Zerwürfnis - heiter und wolkig



Der Reißverschluß am Ärmel meiner alten Lederjacke reibt an meiner Stirn. Ich schlage die Augen auf und halte meinen Oberkörper an, der sich ohne meine Kontrolle vor und zurück beugt. Meine Knie sind unter meinem Kinn, ich halte sie mit meinen Armen umschlungen. In der Dämmerung sehe ich mich um, höre meinen Hals knacken und spüre meine verspannten Schultern. Ich hocke in meinem Schrank. Verdammte scheiße, ist es wieder soweit. Langsam löse ich meine Arme von den Knien und strecke die Beine aus. Gleich schreien meine Muskeln los und beschweren sich über die ungemütliche Nacht. Es dauert ein paar Minuten, bis die Krämpfe nachlassen, während dessen ich mit zusammengebissenen Zähnen lautlos fluche. Das hasse ich wirklich an meinem Job. Diese ersten Nächte danach. Mein Kopf dröhnt.
Irgendwann gelingt es mir, meine Beine normal zu bewegen und ich stehe auf, indem ich mich an den Wänden des Schrankes abstütze. Ein letzter Krampf fährt durch meine linke Wade, hält aber glücklicherweise nicht an und schon stehe ich unsicher auf meinen Beinen. Ich schiebe die Tür auf und helles Licht fällt mir in die Augen, die sich krampfhaft schließe.
Ein sonniger Tag erwartet mich!
„Verfickte Scheiße!“ stoße ich aus und mache den ersten Schritt aus dem Schrank heraus. Mein Fuß trifft auf den Teppichboden, ich lehne mich nach vorn und plötzlich ist mein Halt weg und ich falle stumm aus dem Schrank. Ich bin zu verdutzt um zu schreien.
Hart knalle ich auf den Boden und stoße mir das rechte Handgelenk. Ich rolle auf den Rücken, umschließe das Handgelenk und eröffne die zweite Runde Zähne-zusammenbeißen-und-fluchen. Auch aus dieser gehe ich nach ein paar Minuten als Sieger hervor. Aber nur ganz knapp. Versuche es noch einmal und rappel mich auf, halte mich aber vorsichtshalber am Bett fest und ziehe mich auf die Kante hoch. Mein Blick fällt nach unten und entdeckt das Problem - die Hälfte meines linken Fußes fehlt.

Ich bin mir sicher das er gestern noch da war, aber jetzt sind die Fußzehen und der vordere Teil verschwunden. Er sieht gut verheilt aus, die Narbe ist kaum noch zu erkennen. Ich sehe mir meinen anderen Fuß an, aber der ist in Ordnung.
„So eine scheiße!“ fluche ich. Ich wußte das dieser Job übel werden würde! In Gedanken kratzt meine rechte Hand an der leeren Stelle wo mir der linke kleine Finger und der Ringfinger fehlen. Ein anderer Job, nicht ganz so übel. Aber das ist hart. Ich stoße mich vom Bett ab und versuche zu stehen. Es ist eigentlich gar nicht so schwer, man muß nur auf der Ferse balancieren und mit ein bißchen humpeln schaffe ich es ins Bad.
Tap klok - tap klok - hier kommt Holzbein-Smitty.

Im Bad sehe ich mich im Spiegel an und betrachte die Ringe unter meinen Augen mit müdem Blick. Das wird alles wieder werden sage ich mir und öffne den Schrank hinter dem Spiegel mit einem Ruck. Eine Schachtel Tabletten fällt heraus, die ich trotz Augenringen und Klumpfuß mit einer Hand geschickt fange. Kein Kunststück, nur die letzte Packung Kopfschmerztabletten im Haus. Reine Selbsterhaltung. Ich schluckte drei Stück und drehe den Wasserhahn auf, um sie mit einem Schluck runterzuspülen. Sehe dabei meine Hände und erstarre.
Scheißorange. Meine Hände sind scheißorange. Ich hebe sie prüfend vors Gesicht und drehe sie hin und her. Feiner Kreidestaub in grellem orangerot bedeckt sie vollständig. So ein Mist! Die Tabletten in meinem Mund fangen an sich aufzulösen, also wasche ich mir schnell die Hände und schöpfe einen Schluck Wasser in den Mund, um den bitteren Brei runterzuschlucken.
Ich sehe an mir herab, prüfe die Linien und finde den Rest meines Körpers anwesend. Am ganzen Körper, oder besser gesagt an allen Gliedmaßen habe ich mir Striche tätowieren lassen. Das sind Querlinien, die alle möglichen Amputationslinien angeben. Ab und zu nach einem Job fehlt ein Stück, erst nur einen Finger, diesmal etwas mehr. Scheinbar versucht die Natur was gegen mich zu unternehmen. Kann ich ihr nicht verübeln, immerhin bin ich ja auch sowas wie ein großer Fehler.
„Du wirst langsam aber sicher ausradiert.“ sage ich meinem Spiegelbild und lächle es freundlich an. Es lächelt zurück. Ein freundliches Gesicht, das mir den Tag versüßt! Ich lächle noch breiter und meine Gegenüber tut es mir gleich. Ein paar Minuten versuche ich erfolglos das Lächeln länger als mein Gegenüber zu halten, doch dann fällt mir wieder ein, daß ich ja nicht Lucky Luke bin und lasse den Schwachsinn sein.
Danach wasche ich mir das Gesicht und verlasse das Bad. Verliere den Halt und stürze.

Im Schlafzimmer sehe ich mich nochmals um. Meine Tasche liegt neben dem Bett auf dem Boden, sie ist umgekippt und ein paar Stifte sind herausgefallen. Das Bündel Geldscheine ragt eben gerade über den Rand. Ich gleite stockend zum Bett und schlage die decke beiseite. Sofort ist die Luft von orangen Staub erfüllt. Mein ganzes Bettzeug, das Laken und die Decke sind orangerot. Verdammte Scheiße, ich hasse orange. Ich lasse mich aufs Bett fallen, nehme meine Tasche hoch und starre hinein. Orange! Die Stifte, die Kreide, die Kohle, das Futter, das Geld, die Kamera - alles ist orange bestäubt. Fluchend werfe ich die Tasche in die Ecke und springe vom Bett hoch. Verliere den Halt nach dem ersten Schritt und stürze fluchend in meinen Wäschekorb, der natürlich nicht für derartige Belastung gedacht ist. Er ergibt sich und zersplittert unter meinem Gewicht. Wenigstens bin ich halbwegs weich gelandet Diesmal spare ich mir das Fluchen, stehe einfach nur wieder auf und gleite langsam und bedächtig, wie ein alter Knacker in die Küche. Unterwegs mache ich einen Abstecher zum Fernseher und schalte ihn ein. Ich brauche erst einmal ein Bier. Und eine Kippe. Dieser Gedanke schlägt hart auf eine Betonmauer auf. Ach ja, ich hab ja aufgehört...

Als ich mit dem Bier in der Hand zurückkomme läuft gerade irgendeine sinnlose Wiederholung. Eine dürres, moskitohaftes Trickfilmetwas mit Mordlust im Blick prügelt gerade mit einem blauen Ding auf eine dümmlich aussehenden rote Katze ein, das die Schwarte nur so kracht. Jeder Schlag wird mit einem Geräusch begleitet. Dazu wechselt der Hintergrund als Untermalung in verschiedene psychedelische Farben, während das Mordmoskito etwas mit slawischem oder russischem Akzent brüllt. Na endlich etwas ohne lästigen Inhalt. Sinnlos und unterhaltsam.
Ich lasse mich aufs Sofa sinken, nehme noch einen Schluck und habe glückliche Sekunden später vergessen, das es eine Realität gibt.

Die Flasche ist viel zu schnell alle und ich hole mir Nachschub. Langsam und bedächtig. Ringe mit dem Gedanken eine Schachtel Kippen zu holen und kann ihn unter Einsatz eines weiteren Bieres niederzwingen. Guter Mann! Etwa drei ein drittel Flaschen später klingelt das Telefon. Ich quäle mich vom Sofa hoch und tapse in Richtung Klingeln. Verliere den Halt und stürze. Ach ja, da war ja noch was! Stehe wieder auf, betrauere das Bier und bewege mich auf allen Vieren fort. Ist eh viel stabiler. Blöder Gang auf zwei Beinen. Ich mache mir eine geistige Notiz, daß ich rauskriegen muß, wer dafür verantwortlich ist und ob ich ihn verklagen kann. Das Klingeln hält an und gibt mir eine ungefähre Richtung. Da ich mich glücklicherweise auf Kniehöhe aufhalte, fällt mir das Handy unter dem Bett sofort ins Auge. Muß wohl beim Taschenweitwurf rausgeflogen sein. Ich lasse mich vor dem Bett auf den Bauch plumpsen und schiebe meinen Hand darunter. Nachdem ich drei- viermal Staub und Drek eingeatmet habe treffen meine Finger auf das Gehäuse und mit dem letzten Klingeln halte ich das Telefon in der Hand. Reiße es ans Ohr und drücke noch währenddessen auf die Rufannahme. Stille antwortet mir. Ich sehe auf mein Display und werde mit eine komplizieren Ziffernreihe konfrontiert, die meine Denkfabrik als Nummer meines Agenten identifiziert. Nicht so wichtig. Schnaubend lege ich das Telefon wieder beiseite, überlege es mir dann anderes und nehme es mit zum Sofa. Ich will nicht nochmal lostürzen. Der Weg zum Sofa ist mit einem halbleeren Bier in der einen und einem Handy in der anderen Hand auf allen Vieren nicht einfach, also bedanke ich mich doch noch artig für den aufrechten Gang und nehme diesen auch wahr. Unsicher, aber langsam nähere ich mich meinem Ziel und falle in mein Sofa zurück, gerade als das Handy in meiner Hand einen neuen Salsa startet. Ich hasse diesen Vibrationsalarm.

„Was!?“ brülle ich mein Handy an.
Es ist noch einmal mein Agent, der mich winselnd um die neuen Bilder bittet. Scheiße total vergessen!
Ich würge ihn mit ein paar Sätzen über die Ganzheitlichkeit des Seins und den Koeffinzient des universellen Zerwürfnissen ab und lege wieder auf. Muß gleich mal meine Kamera prüfen, ob was drauf ist.
Ich werfe einen Blick zum Fernseher, identifizieren die flackernden Bilder als Unsinn und lasse es sein. Stehe auf und will ins Schlafzimmer.
Verliere den Halt und stürze. Verdammt verdammt verdammt!
Wo ist ein Taschentuch mit Knoten, wenn man eins braucht?! Lasse die Bierflasche neben dem Sofabein liegen - hat eh keinen Sinn mehr. Ich krieche/humpele/stolpere/taumle ins Schlafzimmer und schaue mich nach meiner Tasche um. Kratze mir am Kopf und fluche laut, als ich sie nicht finden kann. Durchwühle mein Bett, was neuen orangen Staub aufwirbelt. Entdecke meine Tasche schließlich in der hinteren Ecke liegen. Wie kommt die da nur hin zur Hölle?! Ist ja auch egal. Ich schnappe mir die Tasche, krame darin herum und bekomme den vertrauten Umriß meiner Kamera zu fassen. Hole sie heraus und blase den Staub so gut es geht herunter. Die Anzeige gibt an, das dreizehn Bilder gemacht wurden. So weit, so gut. Ich setzte mich aufs Bett, klappe das Display auf und lasse die Bilder durchlaufen. Drei sind in ganz gutem Zustand, der Rest ist verwackelt. Die drei guten zeigen eine Hauswand, an der mit orangefarbener Kreide ein kompliziertes Muster aus Dreiecken, Kreisen, Zahlen und Strichen gemalt ist. Mein letzter Auftrag.

Ich stehe vom Bett auf und gehe ins Wohnzimmer. Verliere den Halt, kann mich aber am Türrahmen auffangen. Nicht noch mal, oh grausiges Schicksal. Ich erreiche meinen Schreibtisch, klappe den Laptop auf und fummel das Kabel in die Kamera. Der erste Anschlußversuch schlägt fehl. Ich stöpsle die Kamera wieder aus, puste den Anschluß sauber und versuche es nochmals. Erfolg! Die drei Bilder landen auf meiner Platte, wo ich sie später noch etwas nachbearbeiten werde und dann meinem Agenten schicken kann. Den Rest lösche ich. Lasse alles wie es ist liegen und humpele langsam in die Küche. Na also wird doch langsam! Ich öffne den Kühlschrank, doch Leere gähnt mir entgegen. Mist, muß noch einkaufen. Ich humpele zurück ins Schlafzimmer, greife mir meine Tasche vom Bett und hole die zwei Bündel Geld daraus hervor. Zwanzig Mille - nicht schlecht. Ich nehme das Geld mit ins Wohnzimmer und werfe sie auf den Couchtisch. Direkt daneben plaziere ich meine Füße und zappe mich zum Nachrichtenkanal durch. Nichts neues. Ein Bürgeraufstand hier, eine Autobombe da, Unfälle, Morde, Politiker und das Wetter. Heiter und wolkig - ein neuer perfekter Tag!
Sehnsüchtig wartet meine recht Hand nach einem Glimmstengel, aber vergebens. Ich stehe auf und ziehe mir eine Hose an, stopfe mich in meine Schuhe und werfe mir die Jacke über. Ich gehe zurück zum Couchtisch, ziehe ein paar Lappen aus einem der Bündel und lasse sie in der Hosentasche verschwinden. An der Tür überlege ich - gehe ich einkaufen oder ins HQ? Marla oder Magen? Ach, sieben Bier sind so gut wie eine Mahlzeit, also wird es wohl Marla sein. Hinter mir fällt die Tür ins Schloß, während ich in Richtung Fahrstuhl strebe. Verliere den Halt und stürze. Gottverdammte Scheiße!