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Autor: Anetreus

Erstellt am: 16.08.2006

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Kapitel 7



Geschrieben von:   Anetreus


Teil des Episodenwerkes: Die Gnobbls

  - Einleitung
  - Kapitel 1: Kapitel 1
  - Kapitel 2: Kapitel 2
  - Kapitel 3: Kapitel 3
  - Kapitel 4: Kapitel 4
  - Kapitel 5: Kapitel 5
  - Kapitel 6: Kapitel 6
  - Kapitel 7: Kapitel 7


Zwei Gnobbls fanden in dieser Nacht keinen Schlaf. Im Semi-ergonomischen Studentenwohnheim lernte ein fauler Student ausgerechnet von einer Pflanze, wie man produktive Aktivität entwickelte und die ganze Nacht durcharbeitete.
Im Wunderwohn-Hyperhabitat lernte ein einst übereifriger Professor, wie man die ganze Nacht im Bett liegend depressiv an die Decke starrte.
Snip hatte noch nicht viel Erfahrung mit Depressionen, daher stellte er sich noch recht stümperhaft an. Doch seine Begeisterungsfähigkeit war noch nicht versiegt – sie offenbarte sich nur in anderer Form. Snip fand eine Musikpille mit Melodien der quasitoten Nekrophilisten vom öden Planeten Null, der als Sonne ein Schwarzes Loch und als Mond den Totenschädel einer ausgestorbenen Lebensform besaß, die zu Lebzeiten mehrere hundert Kilometer groß wurde. Unter uranschweren Klängen und todesfeehaftem Gesang einer Musik, die von den melodiologischen Chemikalien der Musikpille direkt in seinem Gehirn erzeugt wurden, ließ sich Snip vom Dingsbumsionator einen Drink produzieren, der selbst Photonen betrunken davon torkeln ließ, wenn sie auf ihn trafen. Das Getränk wurde in einem Glas aus Neutronium serviert um welches sich automatisch ein Vakuum bildete, da die Luft kein Interesse hatte, mit der Flüssigkeit in Kontakt zu kommen. In der Substanz, zu deren Grundbestandteilen Dunkle Materie gehörte, schwammen supragekühlte Diamanten und klirrten gegen das halbtransparente Neutronium.
Später kam Snip der Gedanke, dass er es vielleicht etwas übertrieben hatte. Aber die Erkenntnis kam im, wie gesagt, später. Viel später. Sehr viel später.
Und zwar dann, als der Weckornithopter in sein Schlafzimmer geflogen kam und das subsonische Signal sendete, das eigentlich unhörbar war und dafür sorgte, dass man automatisch die Augen öffnete und aus dem Bett sprang, bevor man überhaupt auf den Gedanken kommen konnte, noch liegen bleiben zu wollen.
Bei Snip hatte das eine etwas andere Wirkung. Seine Augenlieder schob sich über die Hornhaut seiner Augen, wie steinerne Sargdeckel. Riesengroße Pupillen zogen sich wie fauchende Mäuler zusammen und Kruste bröckelte herab. Luft strömte durch einen Atemweg, der die Qualtität eines Abwasserrohrs einer Chemiefabrik für Kampfstoffe besaß und kehrte aus der Lunge zurück als schwarzer Nebel, der in größerer Konzentration den Giftstoffalarm ausgelöst hätte.
Irritiert darüber, dass der Bewohner noch immer im Bett lag und unglaublich langsam reagierte, sendete der Weckornithopter ein stärkeres Signal. Es sollte ausreichen, um jedermann wie eine Stahlfeder aus dem Bett zu katapultieren, ähnlich der Wirkung eines Defibrillators.
Vor der Tür von Snips Wohnung stand sein Nachbar Wipli Doppelhebel und wollte die Klingeltaste drücken, um sich über den strengen Geruch zu beschweren, als ihn ein gewaltiger Kall zusammenzucken ließ und sich eine Beule in Form eines Weckornithopters in der Tür abzeichnete. Wipli überlegte sich, dass er sein Anliegen auch ein anderes Mal vortragen könnte und eilte in Richtung Kybernetischer Kantine davon.
Normalerweise vergingen exakt drei Minuten und zwölf Sekunden vom Wecksignal bis zum Austreten Snips aus der Tür. Nun war es eine halbe Stunde und ein paar Minuten, die viel zu schlecht gelaunt waren, um sich messen zu lassen.
Die Wohnungstür öffnete sich langsam und ruckelte, als die Stelle mit der ornithopterförmigen Beule versuchte, in der schmalen Versenkung zu verschwinden. Die Luft entwich zischend aus Snips Wohnung und die gasigen Wogen strömten wie Vorboten der intergalaktischen Verderbnis in beide Richtungen des Ganges entlang.
Eine Gestalt zeichnete sich im Türrahmen ab. Sie bewegte sich mit einer Vorsicht vorwärts, als enthielte ihr Gehirn flüssigen Sprengstoff von empfindlichster Qualität.
Snip gab ein Stöhnen von sich und hob die Hand vor die Augen, als er in das helle Licht des Ganges hinaustrat. Langsam schritt er vorwärts, den Gang hinunter, zur Kantine. Die Wände zogen wabernd links und rechts an ihm vorbei, über ihn glitten die Lampen wie gleißende Wüstensonnen dahin und die weit geöffneten Türen der Kantine näherten sich wie ein ohrenbetäubender Mahlstrom am Schlund eines schwarzen Loches.
Doch als Snip die Kantine betrat, wurde es ruhiger. Die dem Eingang am nächsten sitzenden Gnobbls sahen auf, rissen die Augen auf und erstarrten. Dieser Effekt bewegte sich mit quadratischer Geschwindigkeit radial aus, bis die gesamte Kantine in erschrockenes Schweigen gehüllt war.
Irgendwo in Snips Kopf, der die subjektive Größe einer Dysonsphäre angenommen hatte, meldete sich eine Hirnfunktion, die zur funktionierenden Minderheit gehörte. Sie verknüpfte die Information 'Kantine' mit dem Wort 'Essen' und Snip eilte mit würgenden Lauten sofort zum Ausgang wieder heraus. Er beschloss auf direktem Wege in sein Labor zu gehen um dort ein paar Löcher in seinen Kopf zu bohren und flüssiges Helium einzufüllen. Oder so etwas in der Art.

Zwei Stunden später in Snips Labor: Plia Kupferschräubchen öffnete in ihrer selbst bestimmten Funktion als Überbringerin niederschlagender Nachrichten die Tür und trat ein. Ihr fieses Grinsen gefror, als sie Snip entdeckte. Er stand an einer Metallsäule gelehnt, hatte die kurzen Arme vor der kleinen Brust verschränkt und starrte seine Kollegin aus blutunterlaufenen Augen an.
„Meine Güte, Sie sehen ja aus wie eine wandelnde Leiche!“ gab Plia von sich.
Zur Antwort spuckte Snip lässig aus dem Mundwinkel in ein Reagenzglas. Es zischte kurz und eine winzige grüne Wolke stieg auf.
„Sie sollten sich mal rasieren!“ sagte Plia und fand schnell in ihre Rolle als Nervensäge zurück. „Und dieser Gestank! Haben Sie sich betrunken? Also wirklich! Herr Flitzgewinde, ich ahnte ja schon immer, dass Sie -“
„Schnauze“, sagte Snip mit einer Stimme, die so ruhig wie ein geladenes und auf ihr Ziel ausgerichtetes Scharfschützengewehr war, das nur noch auf den leichten Druck am Abzug wartete.
Plia schluckte.
„Doktor, Doktor, Doktor“, stotterte sie.
Snip drückte sich von der Metallsäule weg, holte eine Fernbedienung hervor und drückte einen Knopf.
Die Metallsäule war gar keine Metallsäule. Es handelte sich vielmehr um ein Bein. Zwei Meter daneben stand ein weiteres Bein aus Metall. Plia schaute nach oben. Und schaute noch etwas weiter nach oben.
Gerade noch rechtzeitig entdeckte sie die Metallarme, die nach ihr griffen. Die Doktorin wirbelte herum und rannte mit dem Satz „Wir sprechen uns noch!“ aus dem Labor.
Snip schaltete die Plia-Kupferschräubchen-Verscheuch-Maschine, die er spontan erfunden und gebaut hatte, wieder ab und grinste. Die Doktorin würde so schnell nicht wieder kommen.
Dann verblasste sein Grinsen und er wusste, dass es nun Zeit war, etwas zu erfinden, um seine Kariere zu retten. Aber was? Aber was?! Es musste etwas Großes sein! Etwas Beeindruckendes! Etwas, was seinen Kollegen Respekt einflößte! Aber was? Was konnte das nur sein? Wenn er doch bloß nicht solche Kopfschmerzen hätte, dachte Snip und rieb sich die Schläfen.
Und dann war da noch die Sache mit dem Einbruch in das Lager. Wer interessierte sich für den Gigagewaltigen Expansionator? Das war doch antike Technologie, veraltet und nutzlos! Und was für merkwürdige Dinge heckte Plia Kupferschräubchen mit diesem Unbekannten aus?
Und wieso hat noch niemand etwas gegen den Kater am nächsten Morgen erfunden?
Moment mal! Snips Gesicht erhellte sich. Das ist die Idee!