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Autor: knochengott

Erstellt am: 09.07.2006

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Geschrieben von:   knochengott


Teil des Episodenwerkes: cold

  - Einleitung
  - Kapitel 1: gereinigt
  - Kapitel 2: getrieben
  - Kapitel 3: gefangen
  - Kapitel 4: gefunden
  - Kapitel 5: gefallen
  - Kapitel 6: gewesen


Mit dem Rücken an die Wand gelehnt sehe ich nach oben und sehe die Sterne. Zum ersten mal seit dem ich wieder da bin hat es aufgehört zu regnen. Ein gutes Zeichen? Ich weiß nicht. Die Sterne sehen schön aus, sie funkeln und schimmern auf mich herab. Ich klammere mich an dieses Bild, während meine Gedanken ungewollt abschweifen. Ich bin wieder ich, endlich wieder ich. Mein Freund hat mir so viel erzählt, viel mehr als ich wissen wollte. Und endlich habe ich Namen, Namen die ich Gesichtern zuordnen kann.

Wolf! Ich bin Wolf. Ich war Wolf.
Geschaffen von den großen Alten für den großen Plan. Damals ohne weiteres Wissen, heute ebenso. Ich bin eine Art Waffe, ein Schlüssel, ein Schutz, ein Ding. Menschlich, oh ja, ich bin ein Mensch, doch ich bin nicht nur das.
Mehr als das.
Weniger als das.
Nichts und alles.
Meine Gedanken sind so wirr, immer noch so wirr, trotz der Antworten, trotz der erwarteten Klarheit. Doch mein Name ist nur einer.
Nur eine von dreien.

Prettyhate.
Ich liebe sie.
Ich liebte sie.
Sie wurde geboren, geboren als Zen, als Herrscherin des Chaos, als Zerstörerin der Ordnung. Und sie hat mich erwählt. Oder hat sie mich in eine Falle gelockt? Die Frage konnte er mir nicht beantworten. Nur ich weiß die Antwort, doch ich weiß sie nicht. Ich weiß nicht mehr was war und was ist. Ist es immer noch dasselbe? Oder nur die Erinnerung. Und da ist dieser Schmerz, dieser Schmerz, der mich packt, immer wenn ich an sie denke. Meine Hand tastet nach meiner Brust. Die Narbe ist gerade noch zu spüren. Ich balle eine Faust, schlage mir gegen die Brust, doch nichts tut sich.
Es ist still.
Herrlich still.
Totenstill.
Auch das hat er mir erzählt. Doch da ist noch ein Name, der einzige Name, der mir neu ist.

Stonelord.
Das ist er.
Er der nur ist.
Der immer war und immer sein soll.
Nie geboren, nie erschaffen, einfach nur da.
Existent.
Nicht menschlich.
Nicht sterblich.
Doch zerstörbar.
Ich weiß fast nicht über ihn, nur eine Sache war mir sofort klar: er ist der Mann im Hintergrund, der Mann oder das Ding, das die Fäden zieht. Prettyhate, ich, wir alle sind nur Schachfiguren, nur Bauern und er ist der König. Ich denke jedenfalls er ist der König. Mein Freund konnte mir auch diese Frage nicht beantworten. Vielleicht ist er auch nur ein Glied in der Kette. Nur eine weiter Figur. Doch wichtig genug, um mich zu erwählen, zu verraten, zu töten. Meine Finger streichen noch immer sacht über meine Brust, meine taube Brust.
Nicht ist mehr.
Nicht wird mehr sein.
Nur er und ich - Anfang und Ende.

Ich raffe mich auf, als ich die Tür schlagen höre und sehe vorsichtig um die Ecke. Dort ist er – Stonelord. Prettyhate begleitet ihn und mein Herz möchte sich erwärmen angesichts ihrer Schönheit, ihrer perfekten ungebrochenen Schönheit. Doch halt, ich habe kein Herz, denn sie hat es mir genommen.
Mir zuerst geschenkt und dann doch wieder genommen, nicht in Gedanken, sondern in Taten.
Meine Finger beginnen zu kitzeln, als die Waffe, die mir meine Freund gegeben hat seine Nähe bemerkt. Ich werde es zu Ende bringen.
Heute und hier.
Mein Schicksal ist sein Schicksal ist ihr Schicksal.
Wir sind die wahre Dreifaltigkeit der Mitte. Meine Arme beginnen zu vibrieren als er den Weg entlanggeht und sich mir weiter nähert.
Doch mein Blick gilt ihr, nur ihr.
Sie ist so herrlich, so schön. Als mich wieder einmal dieser Schmerz durchfährt, erwarte ich ihn, begrüße ich ihn. Er wird mir meine Aufgabe erleichtern, wird mein Schicksal lenken. Und schließlich - endgültig, war es ja sie, die mich zu dem gemacht hat was ich jetzt bin – tot und doch nicht tot.

Die Narbe auf meiner Brust schmerzt, der Apparat, die Maschine darunter schmerzt. Ich habe kein Herz, sie hat es mir genommen. Ich erinnere mich an diesen Traum, den Traum, in dem sie in mich griff, in mich griff und mir das nahm, was mich ausmacht – mein Herz. Sie entfernte es, ersetze es durch kaltes Metall, eine Maschine, ohne Gefühl, steuerbar, kontrollierbar. Er dachte ich wäre dann steuerbar.
Doch ich bin nicht tot!
Noch nicht tot!
Wieder überkommt mich dieser rasende Schmerz und mit ihm Wut. Wut über das was ich war und was ich jetzt bin, was ich verlor, was sie mir genommen haben, sie durch ihre Hände, er durch seine Befehle.

Sie sind nah, nah genug für meine Falle. Ich trete hinter der Ecke hervor und sofort friert die Situation ein, als Adrenalin meine Nerven zum glühen bringt. Prettyhate erblickt mich zuerst und ihr Ausdruck ist so köstlich wie erschreckend – freudige Erschütterung.
Ja ich bin verfallen, körperlich verfallen, nur noch ein Schatten meiner selbst, fast tot. Mein Tod liegt inzwischen Jahre zurück und die Zeit hat es nicht gut mit mir gemeint. Dann reagiert auch Stonelord und seine Reaktion ist gelassenen Feindseligkeit.
Meine Arme vibrieren jetzt so, daß ich sie kaum noch heben kann, doch mit meiner ganzen möglichen Anstrengung gelingt es mir. Die Fäuste sind geballt und als sich meine Arme heben, erkennt er was ich vorhabe und endlich zerbricht seine Fassade und ich erblicke Angst. Grimmige Freude erfüllt mich über diesen Sieg, diesen kleinen, unscheinbaren Bruch in seiner Person. Kaum sind meine Arme ausgestreckt, öffnen sich mein Hände und ich erlebe, wie sie Kreise und Formen beschreiben, die ich nicht kenne, nie gelernt habe. Sie sind ferngesteuert, gesteuert durch meine Freund.
Ein Licht erscheint, wird heller und heller, so hell, daß ich die Augen schließen muß. Doch kurz sehe ich, wie er sich niederbeugt wie ein Vampir vor Sonnenlicht, das Gesicht vor Entsetzten verkrampft, Todesangst in den Augen und dieser Anblick entschädigt mich für sie. Denn das ist meine Schuld an meinen Freund – sie zu opfern. Und als meine Hände ihren Tanz beenden geht eine neue Sonne auf, in deren Licht wir alle vergehen.

Ihr Kopf liegt schwer auf meinen Schoß. Ich lasse meine Finger durch ihr Haar streichen und fühle diese feste Zartheit. Mein Blick liegt auf ihrem Gesicht, das weiß und leer zu mir aufstarrt. Mit sanften Fingern schließe ich ihre Lider und ziehe sie noch ein bißchen näher an mich heran. Ich bin endlich allein mit meiner Liebe.
Der Liebe die mir alles gegeben und alles genommen hat.
Ihr Mund sieht so wunderbar süß aus, ich möchte ihn küssen. Und da erkenne ich meine Verlust und Maschine hin oder her, dieser Schmerz ist menschlich und so hebe ich den Kopf, sehe die Sterne an, die herrlich kalten Sterne und mein Gesicht wird naß, obwohl es nicht regnet.