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Autor: Silence

Erstellt am: 28.04.2006

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Heißer Sand



Geschrieben von:   Silence


Teil des Episodenwerkes: Das Leben des Tod

  - Einleitung
  - Kapitel 1: Ach ja, der Morgen
  - Kapitel 2: Spaß an der Arbeit
  - Kapitel 3: Auf leisen Sohlen?
  - Kapitel 4: In Gedanken
  - Kapitel 5: Kinder und Haustiere
  - Kapitel 6: Die Liste
  - Kapitel 7: Arbeit, Technik und Frauen
  - Kapitel 8: Heißer Sand


Wo kam dieser Gedanke eigentlich her? Hatte so was ähnliches nicht dieser eine Komiker gesagt, den er letzte Woche abgeholt hat. Der arme Kerl, ist beim Ausräumen des Schranks seiner Freundin auf einem leeren Joghurtbecher ausgerutscht und hat sich das Genick gebrochen. Aber wie es in einem finnischen Dialekt so schön heißt: „Fünü“
Am nächsten morgen wacht Tod bestens gelaunt auf, kein Sense vibriert, kein Arbeitsstress zu erwarten. Gestern Abend, mal wieder so frühzeitig wie es nur ging, kam die Absage zu dem Treffen, dass ja auch erst heute stattfinden sollte – verschoben auf irgendwann später.
‚Endlich mal wieder ein volles Wochenende nur für mich - oder so. Die Seelen von heute und morgen sammle ich am Montag mit ein. Da kann ich ja glatt mal aus der Arbeitskleidung raus, sonst lohnt sich’s ja nie so wirklich den Mantel abzulegen. Na ja, hab ja jetzt aus reiner Gewohnheit schon wieder darin geschlafen.’
Gesagt, getan, Tod geht zu seinem Schrank, wühlt sich durch die zwanzig Ersatzkapuzenmäntel und greift in ein verstaubtes Eckchen um seine Shorts und das eine Urlaubs- Kapuzen- T-Shirt raus zunehmen.
„Alea, hol deinen Badeanzug raus, wir gehen an den Strand!“
Ein lautes Gerumpel, das Geräusch von eilig verdrängter Luft und Alea steht in der Tür und fragt:
„Wie jetzt, Strand? Ich denke du hast heute Meeting und musst eh arbeiten.“
„Du hast ja gestern schon geschlafen, als ich die Absage bekommen habe, hast so friedlich geschlummert, dass ich dich einfach nicht wecken konnte. Ich habe beschlossen, heute und morgen ein ganz normales Wochenende zu verleben. Einsammeln kann ich die Seelen auch am Montag noch und …“
Alea unterbricht ihn, mit großen Augen schmunzelnd, ins laut Lachende übergehend, herauspustend: „WIE SIEHST DU DENN AUS?? In dem Aufzug hab ich dich ja seit 1962 nicht mehr gesehen. Einige Hamburger Seelen sind damals vom Glauben abgewandert, weil du so daherkamst.“
„Wie ich schon sagte, wie gehen an den Strand, hast du diesen tollen Bikini noch, den du mir mal ‚vorgeführt’ hast?“
„Gib mir fünf Minuten, dann hab ich Sonnenschutzcreme, Kühltasche, Handtuch und meinen Bikini zusammen.“
Mit dem letzten Wort noch unausgesprochen schon wieder verschwunden spricht Tod in die aufgewirbelte Leere der Flurecke:
„Wozu denn Sonnencreme, spende ich dir nicht genug Schatten?“ – keine Antwort – „Hmpf, ich muss das ganze ja nur schleppen.“
Eine Stunde später sitzt Tod im Sand und bewundert Aleas Vielseitigkeit, während sie sich entziffert um ihren Bikini anzuziehen.
‚Ich liebe den Zufall’ denkt er so bei sich und schmunzelt unsichtbar.
Während die Frau sich in der Sonne räkelt stürzt der Tod sich in die Fluten. Endlich mal wieder Wasser ohne Seemänner.
Ein paar Bahnen auf dem Rücken, ein paar Bahnen Schmetterling und er fühlt sich wie ein toter Fisch im Wasser. Plötzlich taucht ein kleiner Junge vor ihm auf und sieht IHN an. ‚Ich hab die Fernbedienung doch zu Hause gelassen?’
„Wer bist du, warum hast du kein Gesicht?“
„Warum kannst du mich sehen?“
„Ich hab zuerst gefragt. Wenn du mir nicht antwortest sag ich das meinem großen Bruder, der verhaut dich!“
„Pass mal auf kleiner, ich bin der Tod, wenn du mich sehen kannst dann bist du das auch!“
„Ich glaub dir nicht, nein. Ich konnte schon in der Badewanne fünf Minuten tauchen. Du bist gemein, wo ist meine Mami?“
Tod macht eine sachte Handbewegung und gleitet mit den Fingern direkt durch den Jungen hindurch, er wird dabei immer kleiner, bis er auf seiner Handfläche sitz.
„Ich bin der Tod, du bist tot und Gemeinheit ist Ansichtssache. Deine Mami sucht dich bestimmt schon, wird dich aber nicht finden können. Setz dich auf meine Schuler, man wird dich gleich abholen.“ Den jetzt weinenden Jungen ignoriert er, mit den Gedanken schon woanders: ‚ als nächstes überfällt mich die Arbeit wohl auch noch im Schlaf. Am besten ich gehe wieder aus dem tödlichen Element und lege mich ein wenig zu Alea, sagen tu ich ihr allerdings nichts. Ist am Besten so.’
Gesagt, getan. Wie er so neben Alea liegt und in die Sonne starrt denkt er darüber nach, wie es war, als er noch jeden Sommer am Strand lag, sich mit gotischen Kindern um Sandburgen tummelte und römische Kinder vertrimmte. Langsam in den Tagtraum sinkend merkt er nicht, wie die Zeit an ihm vorbeizieht.
Zwei satte Stunden später weckt Alea ihn, sie hat schon ein wenig Farbe bekommen und ihre Haut glänzt frisch geölt in der Sonne. Was für ein Anblick. Sie sieht ihn an, grinst und klatscht ihm auf die Wade. Mit einem Hechtsprung gen Himmel steht er aufrecht, tanzt auf einem Bein und erinnert sich dunkel an zwei Worte: „HEISS!“ und „SCHMERZ!!“
Würde irgendeiner der Menschen um ihn herum ihn so sehen, hätte er wohl seinen Lebtag keinen Respekt oder gar noch Angst vor dem Tod. Alea, nun vom amüsierten auf leicht bedauernden Blick umgesprungen, erhebt sich (nein, sie steht nicht einfach auf, sie ist eben graziös), nimmt ihn in den Arm und flüstert beruhigend: „Mein armer Tod, die Sonnencreme wolltest du nicht, nun ist es schmerzhaft einzugestehen, dass auch du dich dem Glanz des Rah nicht erwehren kannst. Mein kleines Kapützchen.“
Wieder gefangen rappelt er sich aus ihren Armen auf: „Du weißt, dass ich diesen Kosenamen nicht mag, ich bin auch niemand, der solche Ironie verträgt und Mitleid ist was für Ikarus.“
Alea ein bisschen gekränkt: „Kannst du mich immer noch nicht verstehen, wir gehen auf unseren zweitausendsten Hochzeitstag zu und du hast es immer noch nicht geschafft! Es gibt exakt ein Wesen, dass sich liebevoll um den Tod sorgt, das bin ich. Du jedoch verhöhnst mich mit Ironie und abgewiesener Fürsorge. Ich geh nach Hause.“
„Warte, so wollte ich das nicht … so war das doch nicht gemeint. Ich dachte du spielst mal wieder mit mir. Es tut mir leid. Alea!“
Sie kramt kurz in ihrer Tasche, holt einen Stift und einen Kalender raus und macht einen dicken, fetten Kringel um den heutigen Tag.
„Jetzt lohnt es sich wirklich, den heutigen Tag im Kalender anzustreichen. Wenn die Sterblichen das wüssten: Der Sensemann hat 1. Urlaub und nicht eine Seele gesammelt 2. Sonnenbrand und tanzt wie ein angestochenes Tier im Sand 3. einen Fehler gemacht und sich auch noch dafür entschuldigt!“
Ein Satz nach hinten befördert ihn mit dem hintern in den Sand, er sitzt, Beine von sich gestreckt und kann nur noch verblüfft sagen:
„Alea iacta est, genau wie ich“