Benutzer
Passwort

Beitrag   4 Bewertungen  
Autor: Silence

Erstellt am: 28.03.2006

Beitrag für Buch vorschlagen

Zufälliger Beitrag



Artikelliste


Direkter Link zum Artikel



Ach ja, der Morgen



Geschrieben von:   Silence


Teil des Episodenwerkes: Das Leben des Tod

  - Einleitung
  - Kapitel 1: Ach ja, der Morgen
  - Kapitel 2: Spaß an der Arbeit
  - Kapitel 3: Auf leisen Sohlen?
  - Kapitel 4: In Gedanken
  - Kapitel 5: Kinder und Haustiere
  - Kapitel 6: Die Liste
  - Kapitel 7: Arbeit, Technik und Frauen
  - Kapitel 8: Heißer Sand


Anmerkungen des Autors:
Veränderungen verworfen



Morgens um halb Acht, die Sense vibriert, es ist Zeit für die Seelenernte. Gevatter Tod ist ein Morgenmuffel, er stößt gegen die Sense, schlüpft mit den Ohren genervt unters Kopfkissen und grummelt verschlafen. Die Sense wackelt ein wenig die Wand entlang, stupst an den Nachttisch und saust, Klinge voran, Richtung Boden.
Ein schneidendes Geräusch schreckt Tod aus seinem Kissen, er schaut auf, Augenringe aus der Kapuze hervorschwellend, Willhelm ll ist so eben von uns gegangen. Die Sense hat den Hamsterkäfig getroffen und dem armen Willi bei der schönsten Morgengymnastik auf Katharina ll den Kopf gespalten. Er schaut Tod vorwurfsvoll an und sagt: „Wenigstens bei der Geburt von Friedrich, Peter und den 10 anderen, für die ich noch keine Namen hatte, hättest du mich noch dabei sein lassen können. Aber nein, 16 Tage warten ist dir ja zu lang!“ Mit einem Kopfschütteln wandert nun des Hamsters Seele den rechten Ärmel von Tods Umhang hinauf, Buddhisten nehmen immer den rechten.
Katharina ll wimmert noch etwas angewidert von der Sauerei, die sich grade auf ihrem Fell verteilt aber Tod zuckt nur mit den Schultern.
Die Sense ist das Schicksal eines jeden.
Wer weiß schon, ob der Tod in seinem morgendlichen Tran nicht schon morgen oder übermorgen wieder mal die Sense schweifen lässt.
Nun, da er sowieso schon wach ist kann er ja auch gleich zum Frühstück in die Küche watscheln. Alea hat ihm heute sogar ihre Spezialität gemacht, angebrannten Toast mit Erdbeermarmelade. Er ist ja heilfroh, dass sie wenigstens das kann, er liebt sie und würde niemals mit ihr über solche Banalitäten wie Kochkünste streiten. Sie hilft ihm schließlich auch, wann immer sie kann, bei der Entscheidung über die täglichen „Abgänger.“ Eine ihrer 6 wohlgeformten Seiten hat für jeden eine Antwort.
Der Toast zerbröselt zwischen seinen Zähnen und kombiniert sich mit der Marmelade zu einem bittersüßen Brei. Da der Tod ja bekanntlich nicht wählerisch ist mampft er den letzten Bissen, trinkt seine Milch und macht sich so langsam auf den Weg zu seinen Kunden.
Es ist ein sonniger Tag, ganz schön bescheuert, bei solch einer Hitze mit einem schwarzen Kapuzenmantel auf die Straße zu gehen. Aber was soll er machen, Das Marketing von AfterLife INC. hatte nun mal vor einer halben Ewigkeit diesen Mantel als Markenzeichen etabliert und ihm auch von einem Imagewechsel abgeraten.
Alea hat ihm heut sogar einen Toast mitgegeben und ihn zusätzlich noch gewarnt: „Nasch mir ja nicht wieder von den Polytheistenseelen, bloß weil die Armen nicht entscheiden können wo sie hinsollen und deshalb ewig im Nichts wandeln müssen hast du noch lange nicht das Recht dir einen Snack draus zu machen. Außerdem solltest du wirklich mal auf deine Linie achten, wer soll dich mit deiner Killerplauze denn noch ernst nehmen?!“ Aber Tod toleriert jegliche ihrer Anmerkungen und Kritiken und richtet sich meist auch danach. Er nascht zwar trotzdem heimlich, wenn er meint sie merkt es nicht aber Sie hat ja auch recht, früher als er noch dürr wie ein Skelett war, hat ihn jeder gefürchtet. Sie hat sowieso immer Recht, denn sie trifft alle Entscheidungen, für jeden!
Nur kochen lernt sie nicht, warum auch, ein Top Entscheidungsträger in der Wirtschaft z.B. kocht auch nicht, er lässt kochen.
So völlig in Gedanken stapft Tod die Straße lang und merkt auf einmal, dass er fast an seinem ersten Kunden vorbeigegangen wäre. Ein kleiner Junge, vielleicht 6 oder 7 Jahre alt, der sich gerade daran versucht mit einem Ball zwischen den parkenden Autos hin und her zu dribbeln. Jemand anders hätte eventuell gesagt oder gedacht: „Der arme kleine Junge, er hat es doch verdient weiterzuleben, er ist doch noch so jung und unschuldig.“ Tod jedoch stört so etwas schon lange nicht mehr, wenn man in seinem Gewerbe eine Zeit lang tätig ist stumpft man nun mal ab.
Der kleine Junge dribbelt gerade hinter einem Auto hervor, da kommt eine große Limousine angeschossen und begräbt ihn unter seinen Rädern. Während das quietschen der Bremsen viel zu spät durch die Straße hallt nimmt der Tod den etwas verdutzt kuckenden Jungen an der Hand und setzt ihn direkt auf seine Schulter. Kleine, unschuldige Kinder bekommen immer einen Freifahrtschein.
Den kreidebleichen Fahrer ignorierend geht er weiter die Straße hinunter. Den Fahrer hat er erst später auf seiner Liste, nachdem die Ärzte ihre Unfähigkeit einen Infarktpatienten zu behandeln unter Beweis gestellt haben. Während er dem kleinen Jungen erklärt, was grad passiert ist und noch passieren wird öffnet er die Tür zu einem China-Restaurant und geht unbeirrt in Richtung Küche. Das ist der schöne Part an seinem Job, er kommt viel rum und bei einigen Kunden gibt es immer was Leckeres zu essen. Vor dem Wok stehend fischt er für einen Moment in den brutzelnden Zutaten herum um sich einige Garnelen einzuverleiben. Dabei denkt er flüchtig an Aleas Worte aber manchmal kann selbst der bestimmteste Zufall den Tod nicht von seinem Ziel abbringen.

© Silence