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Phillip



Geschrieben von:   knochengott


Anmerkungen des Autors:
fragt mich nicht nach der idee dazu - ich sag nur soviel - meiner war bestimmt die reinkarnation eines schlägers



Gleich ich Phillip das erste Mal sah war mir klar, dass er ein 1a Charakterschwein war. Das lag einfach in der ersten Berührung und an der Art und Weise, wie er sich anfühlte. Es ist im Nachhinein schwer zu beschreiben was genau der Auslöser für meine Antippathie war, aber es ist unumstößlich, dass er es bemerkte. Und es ihn anzog. Ja, so krank sich das anhören mag, aber er fühlte sich davon angezogen. Das Problem, sofern es denn ein Problem ist – SIE sagen jedenfalls dass es ein Problem oder genauer MEIN Problem ist – also das ‚Problem’ ist, dass nur ich weiß was für einer Phillip ist. Die anderen sehen ihn nur an, zucken mit den Schultern und denken sich nichts dabei, doch ich sehe hinter die Fassade, hinter die Oberfläche und sehe das verdorbene Böse in ihm. In seiner Seele wenn man so will.
Ich weiß, dass er bis ganz tief runter teuflisch ist, aber alle anderen sehen nur was er ist – ein Fünfeuroschein.
Aber fangen wir am Anfang an.

Eine gelangweilte Kassiererin, von denen es wohl massig gibt – vielleicht haben sie sich organisiert und versuchen so auf das Elend des Einzelhandels aufmerksam zu machen – gab mir Phillip zusammen mit dem passenden Wechselgeld. Er glitt behaglich in meine Hand und es löste sofort eine Ekel in mir aus, wie er sich dort breit machte und mich boshaft anzugrinsen schien. In der ersten Millisekunde drückte er mir sein ganzes Leben, angefangen von der Geburt durch einen Bankautomaten über die unzähligen Kniffe und Faltungen die seinen glänzende Oberfläche spröde und stumpf hatte werden lasen, bis zu den fettigen Fingern, die ihn für ungezählte Bier- und Schnapsflaschen aus ebenso ungezählten Taschen geangelt hatten. Er war eingerissen und verknickt, geflickt und geglättet worden, war feucht geworden, beschmiert, bekleckert – kurzum er hatte alles schon gesehen.
Und jetzt hatte ich ihn.

Mein erster Reflex war ihn umzutauschen, aber das zuschnappe der Kasse besiegelte mein Schicksal. Phillip nahm das gelassen, ja sogar erfreut hin. Er genoss meinen Ekel. Ich packte mit zitternden Fingern die Münzen ein und tat das nächstliegende – ich faltete ihn bis es nicht mehr ging, machte ihn so klein wie möglich und verstaute ihn ganz hinten in meiner Börse, zusammen mit den jahrealten Quittungen und den Staubflusen. Ich hoffte es würde ihm ungemütlich werden – ich drängte geradezu darauf. Doch es wurde ihm nicht ungemütlich. Also versuchte ich ihn loszuwerden, kaufte mir sinnlosen Schrott und knüllte ihn hervor. Er grinste hämisch, als er die Hände wechselte und zwinkerte mir ein letztes Mal verschwörerisch zu, bevor er in der Kasse verschwand.
Mein Herz klopfte bis zum Hals und ich rannte fast, als ich den Laden verließ – doch ich war ihn los.

Für ganze 3 tage.
Meine Mutter war über das Wochenende weg und hatte mir Geld fürs essen dagelassen. Und wer grinste mir da breit und hämisch entgegen, als ich in die Küche kam und das Geld vom Kühlschrank nehmen wollte? Der Magnet, mit dem meine Mutter ihn festgemacht hatte verdeckte den rechten Mundwinkel des Grinsens, aber sein Anblick allein ließ mich schon zusammenzucken. Er war es unverkennbar. Jeder Knick, jeder Riss schrie Dunkelheit und das funkeln in seinen Augen lockte meine tiefsten Ängste hervor. Widerstrebend klaubte ich ihn vom Kühlschrank und ließ ihn in die Hosentasche gleiten. Sofort stellten sich die Beinhaare auf und ein Prickeln überzog meinen Schenkel. Ich biss tapfer die Zähne zusammen und ging Einkaufen.

Es nützte nichts. Egal was ich tat, egal was ich kaufte, egal wann ich ihn wo und wie auch immer abgab, er fand mich steht’s wieder. Und er wurde mit mir vertraut. Sein Grinsen, anfangs bösartig, nahm freundliche, fast sogar gemütliche Züge an. Er lernte mich kennen, doch er verstand nichts. Immer noch schmiegte er sich zu fettig in meine Hand, krümmte sich zu aufdringlich an mich, so dass ich ihn durch die Hosentasche hindurch spüren konnte. Ich sprach ihn darauf an, immer und immer wieder, und jedes Mal nahm er einen verstehenden Ausdruck war, doch er verstand einfach nichts. Ich war mit den Nerven fertig, lief in meinem Zimmer auf und ab, während er mich vom Tisch aus beobachtete und ab und zu freundlich, aufmunternd nickte. Ich sah das alles und wusste, dass er trotzdem so weiter machen würde. Denn es gefiel ihm so. Ich hasste ihn und dafür liebte Phillip mich. Und gerade als ich schreiend und heulend vor dem Tisch kniete und meine Worte mit Faustschlägen unterstrich, um ihm die Ausweglosigkeit meiner Situation klar zu machen, kam meine Mutter herein. Sie sah mich komisch an und fragte was denn los sei. Und da konnte ich es nicht mehr aushalten und alles brach aus mir heraus. Ich sagte alles, während mein Finger immer und immer wieder anklagend auf Phillip niederfuhr, der mich ungläubig und ein bisschen traurig anblickte. Ich glaube er war verletzt, dass ich solche Dinge über ihn sagte.
Etwa eine halbe stunde später wurde ich abgeholt.

Und es ist gut dass ich hier bin. Es ist sicher. Wir dürfen kein Geld besitzen, nicht hier. Die meisten der anderen wüssten eh nichts damit anzufangen. Eigentlich sind fasst alle anderen hier richtig bekloppt. Nur Kornelius am Ende des Flures ist in Ordnung. Er spielt hervorragend Schach. Und er lässt mich manchmal gewinnen. Ich fühle mich gut hier drinnen. Wie gesagt es ist sicher. Da draußen - irgendwo - ist Phillip und warte vielleicht auf mich. Vielleicht hat er auch jemand neues gefunden. Ich hoffe, dass es so ist. Ich denke ich werde hier noch eine Weile bleiben damit er mich vergessen kann. Es ist okay hier. Das einzige was mich nervt ist diese ewige Fragerei. Warum? Warum? Warum? Das nervt. Ich habe es ihnen wieder und wieder erklärt, aber sie begreifen das nicht. Wie ich anfangs sagte sie sehen nicht hinter seine Oberfläche. Und dann fragen sie. Immer und immer wieder.
Was hätte ich den tun können – ihn verbrennen etwa? Verdammt er war zwar ein 1a Charakterschwein, aber er war immerhin auch ein Fünfeuroschein. Und man verbrennt doch kein Geld oder?
Das wäre doch verrückt!