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Autor: Khaine

Erstellt am: 11.02.2006

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Eintagsfliege



Geschrieben von:   Khaine




Der Autor hat folgende Stimmungen f�r sein Werk angegeben:
genervt
gelangweilt
frustriert
einsam



Himmel, schwarz. Der Morgen schlief mit festgeschlossenen Augen im warmen Mutterleib.
Die Tür wurde aufgeschlossen. Der Büroangestellte betrat seinen Arbeitsplatz. Von weitem erhellte ein weißer Eisberg aus Papier seinen Weg. Stehend lies er seine Tasche zu Boden gleiten und starrte aus dem Fenster vor ihm. Kindlicher Neid überkam ihn beim Anblick des neugeborenen Tages. So mochte er auch noch in seinem warmen Bett schlummern. Instinktiv griff er zum Schalter. Künstliches Licht erhellte den Raum. Es war golden, doch irgendwie falsch. Katzengold. Ein groteskes Abbild der Neuauferstehenden Sonne, wie ein verzerrtes Spiegelbild. Doch es genügte um zu arbeiten. Der Computer wurde hochgefahren. Er summte dabei. Eine tiefe beruhigende Melodie, den ganzen Tag, bis taub das Ohr es verstummen ließ. Die Kaffeemaschine tat es der Hochleistungsmaschine nach. Brummend spuckte sie einen schwarzen Saft so dunkel wie die Nacht, welche es dem müden Geiste entriss. Er mischte etwas kalter Milch bei. Wie ein Säugling das sich auf die Muttermilch freute führte er das kakaofarbene Getränk zu seinen Lippen während er den heutigen Tag auf seinem Kalender einstellte.
Mit einer Hand blätterte er vor. Viele Tage lagen noch vor ihm. So zahlreich wie die Sterne am Himmel. Leichter Unmut überkam ihn. Doch unter seinem gehorsamen Geist, ruhte ein starker Wille, eingesperrt als wildes aber edles Tier in einem viel zu kleinem Käfig. Er setzte sich. Es wurde Zeit. Eine Unzahl an Anträgen und Formularen warteten auf ihre Bearbeitung. Kratzende Stifte auf rauem Papier krächzten wie Rabenvögel. Die Uhr über ihm an der Wand sagte ihm stets wie spät es war. Sie arbeitete immer gegen ihn. Als wären sie Konkurrenten, Gegner. Und immer war sie schneller. Die Zeit schien ihm zu entgleiten, zerrann ihm wie Sand durch die Finger angesichts der vielen Arbeit die noch zu erledigen war. Und gleichzeitig stand sie still. Zäh wie Gummi, ein Eisklotz der im tiefsten Winter schmelzen solle. Noch so viele Stunden bis zum Feierabend, bis zur Erlösung. Wenn er endlich wieder er selbst sein konnte. Raus aus dieser Maske, raus aus der Verkleidung.
Und immer noch wartete eine Unmenge an Arbeit darauf vollendet zu werden. Erschöpft lehnte er sich zurück in seinem unbequemen Stuhl um sich die Schläfen zu reiben und für einige Sekunden zu vergessen wo er war. Die Zeiger der Uhr waren weit vorwärts gewandert. Er wusste nicht zu sagen ob dies gut oder schlecht war. Einen kurzen Augenblick noch. Er kam nicht rum aus dem Fenster zu spähen in die Welt da draußen. Es war immer derselbe Ausblick, derselbe alte Baum auf dem Rabenkrähen ihre rauen Lieder sangen, während sie seine Stunden zählten. Doch immer gab es etwas Neues zu entdecken. Das Fenster zur Welt da draußen. Wie ein Gefängnisinsasse sah er nach draußen und zählte seine Stunden bis auch er in die Freiheit entlassen wäre.
Es half nichts. Er musste weiter machen. Wie ein Klavierspieler legte er sich in die Tasten seines Computers. Er spielte eine träge Melodie. Seine Notenblätter schienen unendlich. Ein langes Stück, mit vielen Pausen in denen ein krächzender Stift sein Solo gab. Hin- und wieder mischte sich der Klang des Taschenrechners bei. Im lauten Takt schob er die eingespannte Papierrolle vor, die er zuvor mit Zahlen beschriftet hatte. Auch in seinem Kopf waren nichts als Zahlen. Zahlen, Zahlen, Zahlen. Zahlen die eingegeben werden mussten. Eine Wanderung vom Papier zum Monitor. Seine Finger tanzten rhythmisch über den Zifferblock. Zeit verstrich. Vor lauter Zahlen wusste er nicht mal mehr wo er war, wer er war. Er sah vor seinem inneren wie äußerem Auge bloße Zahlen. Als arbeitete sein Gehirn nicht mit Worten oder Bildern sondern mit Zahlen wie ein Computer, aus denen er in mühevoller Kleinarbeit, Pixel für Pixel zusammensetzte bis ein großes Meisterwerk vollendet war. Zeit verstrich. Ein dumpfer Hammer schlug mehrmals an seinen Schläfen. Er unterbrach das Stück. Verblassende Ziffern wie Erinnerungen und räumten den Platz zu Gunsten seiner Gedanken. Eine neue Welt tat sich vor seinem Auge auf. Wie durch einen Nebeln, oder grauen Starr, verschwamm das bedruckte Papier und gab Licht auf die reale Welt. Er sah sich um. Er erinnerte sich wieder. Er saß in diesem winzigem Raum, mit grauweißen Einheitsmöbeln ausgestattet. Mit verspanntem Rücken lehnte er sich zurück. Grün das Laub des Baumes. Rosarote Frühlingsblüten waren abgefallen und gegen eine warme Sonne spendete er einem jungen Liebespaar milden Schatten. Worüber tuschelten sie wohl? Wie lieb sie sich gegenseitig hatten? Oder über ihre großen Zukunftspläne. Sprachen sie über Kinder? Wehmütig kam er zurück, in seine kleine Papierwelt. Die Mittagspause neigte sich dem Ende. Arbeit.
Viele tote Worte warteten geschrieben zu werdeb. Bloße Worte in einem Lückentext. Sätze, Absätze, Briefe und Vordrucke. Sie waren entstellt und künstlich. Sie drückten etwas aus und doch verschleierten sie die Wahrheit für den der nicht eingeweiht war. Sie waren lang und verdreht ohne den Satz zu verstümmeln. Doch was nützt dem Mann der Arm am Ellenbogen, auch wenn das Skelett ist seiner Ganzheit richtig war?
Tote Worte warteten geschrieben zu werden, doch keines um lebendig gemacht, denn er war allein und hatte niemanden zum Reden. Etwas Kaffee sollte ihm etwas Ablenkung geben. Den Rest seines Krafttrunks goss er sich ein und warf wieder einen Blick auf seinen Rivalen an der Wand. Es dauerte nicht mehr lange, dann brächen seine Ketten. Doch die Arbeit bliebe dann stehen und liegen, wartend auf den Morgen. Dabei musste das alles schnell erledigt sein. Auch der Nachmittag neigte sich dem Ende. Das fahle Sonnenlicht war schwächer als das künstliche Licht des falschen Propheten auf seinem Schreibtisch, der wie ein Flaschengeist kam und ging, je wie man ihn rief.
Die Zeit war gekommen, die Akten wurden zur Seite gelegt. Ein gebeugter Greis erhob sich von seinem Platze um die Stätte zu verlassen. An der Tür stehen geblieben, wendeten sich seine müden, alten Augen dem Fenster zu, um ein letztes mal aus ihm hinausschauen.
Auf kahlen Bäumen, deren Äste wie tödliche Dornenklauen gen Himmel ragten, krächzten schwarze Galgenvögel. Sie kreischten laut unter einem blutgetränktem Himmel, als eine verwundete Sonne zu Boden stürzte. Quietschend fiel die Tür ins Schloss. Der Tag starb und ruhte unter einem mit Sternen besetzten Leichentuch.