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Autor: Franklin M. Bekker

Erstellt am: 24.08.2005

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Beziehungsutopie



Geschrieben von:   Franklin M. Bekker


Beziehungsutopie

Kerzenschein. Rot, samtene Vorhänge. Hohe Glasfenster. Dunkelgrüner Teppich. Runde Tische aus Eichenholz. Es ist kurz vor zwölf. Sterne funkeln, der Mond wirft Licht gegen den in Bronze glänzenden Kerzenleuchter. Zwei lupenreine Weingläser klingen hell und schneiden die unbewegte Luft zwischen ihnen. Einmal mehr taucht er aus ihren braunen Augen auf. Er genießt den trockenen Traubensaft. Sie zwingt sich das Getränk zu mögen.

Mit einer Serviette tupft er sich Wein von der Oberlippe und aus den Mundwinkeln. Er überreicht ihr eine Rose. Mit einer Stimme so fein, dass nur sie es hören kann singt er leise ein italienisches Liebeslied. Er legt seine Hände in die Mitte des Tisches. Sie legt ihre in die Seinen und findet darin ein schwarzes Kästchen, das sie aufklappt. Zwei Ringe funkeln, funkeln sogar im Kerzenlicht, ein wenig auch im Mondschein. „Willst du mich heiraten?“

Das zugeklappte Kästchen liegt vor ihr. Ganz aufrecht sitzt sie im Stuhl und seufzt. Er senkt jetzt seine Augen. Die Gedanken rasen. Rasen über ihren Körper, den er ganz liebt. Über ihren Charakter, den er teilweise liebt. Über ihre Beziehung, die bis dato unkompliziert war. Dann funkeln seine Augen, wie die Ringe in dem verschlossenen Kästchen, wie sie es nicht mag, wie sie funkelten, als das mit ihnen beiden begonnen hatte. So wie sie funkeln, wenn er einen seiner wahnsinnigen Einfälle hat.

„Wenn wir die ganze Beziehung als gescheitert betrachten?“
„Erst machst du mir einen Heiratsantrag und jetzt willst du Schluss machen?“ Ihre weit offenen Augen versuchen sich irgendwo an ihm festzuhalten.
„Stell dir vor du hättest ja gesagt, was du tun würdest. Wir würden ein paar Jahre zusammen leben, zwischendurch arbeiten gehen und eine schöne Zeit haben. Bis es vorbei wäre. Bis dieses Ding zwischen uns ausgebrannt wäre. Ich meine wir können diesen ganzen Kram überspringen...“
„Es wird bestimmt ausbrennen.“
„Wir müssen das Schicksal nicht heraus fordern.“ Er klingt etwas heiser.
„Du bist sicherlich gut in der Rolle des geschiedenen Ehemannes. Und wir brauchen nicht diesen ganzen Ballast vergeudeter Jahre mit uns herum schleppen.“
„Genau! Meine Liebe, wir lassen die ganze Krise mit den Seitensprüngen, Beschimpfungen und Tränen einfach ausfallen.“
Jetzt funkeln auch ihre Augen „Willst du mein Ex-Mann sein?“