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Autor: Franklin M. Bekker

Erstellt am: 13.11.2003

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ich definiert



Geschrieben von:   Franklin M. Bekker


Menschen tun merkwürdige Dinge, wenn sie alleine sind. Aber manchmal heulen sie auch. Ich passe auf meinen Bettvorleger, bin also so klein, wie ich mich fühle. Meine Finger zittern beim Tippen. Die Heizkörper sind abgedreht. Die Ventile geschlossen. Das Fenster ist undicht und der Wind rauscht. Rauscht durch die Zimmer. Meine Tränen fließen in die Tastatur. Es ist keine Kraft in den Dingen, die ich tue. Sie sind nur eine Widerspiegelung von dem, was schon da ist. Ein Spiel mit den Möglichkeiten, die ich ohne Aufwand ineinader fließen lasse. Was ist Sinn und was ist Zweck von mir? Die Welt kann an mir ein Baumhaus errichten, ich nicht. Die Äste eigens treiben zu lassen, bin ich hier.
Es gibt diese Theorie von mir, dass ich das bin, was von mir übrig bleibt, wenn ich ein viertel Jahr lang mit einem Spiegel und einer Lampe in einen dunklen Raum gesperrt werde. Wieviel Abrieb braucht ein Mensch damit seine reine, blanke Seele zum Vorschein kommt? Wie lange muss ich die Welt mit einem Geschirrtuch polieren, damit sie zu strahlen beginnt? Die Haare sind dann zerrauft, die Zähne gelb, Stoppelbart auf der ganzen Vorderfront meiner Selbst. Die Finger verstümmelt. Die Wände sind beschrieben, in die Tapeten gekratzte Sätze, Weisheiten, Gedichte. Fingernägel brachen ab, aber Fingerkuppen begannen zu bluten. Mit Blut beschmiert Fußboden und Decke. Ohne Papier bin ich ein Tier. Man wird mich meditierend finden und wenn sie kommen erkläre ich ihnen die Relativitätstheorie. Ohne Verwirrung wäre ich Gott. Dies ist eine Schöpfungsgeschichte in der ich Gott wurde. Meine Genesis.
Was ist ein Mann? Ich denke an den Jack aus Titanic... eine Maus. Googenheimer war ein Mann. Der Typ, der sich in den Vorraum vom Restaurant setzt und sich einen Whiskey bringen lässt, während ihm längst klar ist, dass das Schiff untergehen wird. Hätte er einen Wodka genommen... Aber er ist glücklicher als ich, denn er opferte sein Leben in dem Wissen, dass es seiner Familie gut gehen wird. Ich opfere meine Liebe und weiß nicht, ob es ihr gut gehen wird. Jedenfalls ist mein Opfer ein Teil davon.
Was ist Moral? Glaubt ihr, wenn alle "Nein" gesagt hätten "Ich steige in kein Rettungsbott solange andere zu retten sind...", die Titanic wäre nicht untergegangen? Ich bin mir dessen sicher. Eine Entscheidung getroffen zu haben erschreckt alle Anderen. Du kannst das nicht machen! Ich kanns sehrwohl, denn das Risiko zu sterben ist bei Weitem nicht so hoch, wie diesem Weg zu folgen. Man spart sich keine Kraft für den Rückweg auf, wenn der Rückweg es nicht wert wäre gegangen zu werden und arbeitet mit doppelter Kraft. Vielleicht ist man ein Sumpfmonster, wenn man aus dem tiefsten Morast empor gekrochen kommt, aber das ist nur oberflächlich. Unter der Dusche... Vielleicht war der Abrieb groß, die Seele ist rein geworden.
Aber nein ich rede nur Stuss. In Wirklichkeit stehe ich vor dem Spiegel und bürste meine Kopfhaut wund. Es ist so leicht. Ein Ritual, das mich an vergangene Tage erinnert, wo meine Haare lang waren. Immer ineinander verknotet. Nur es sah geschossen aus. Eine strenge Frau gratuliert mir zu meiner Entscheidung, andere vermissen meine Individualität. Fickt euch! Ist das genug davon? Soviel Dummheit von einer Endorphinsüchtigen, die während ihres Vortrags an den langweiligsten Stellen plötzlich in leises Gekicher fällt.
Der Yoga-Kurs tanzt, bewegt sich frei zu irgendwelchen Rhythmen, die auch in einem indischen Kloster erklingen könnten. Seht ihr wild durcheinander wrbelnde, karlköpfige Mönche? Nehmt euch vor den Perlenketten in acht. Die Gewänder kriegen schnell Impulse. Hier, da! Es ist regelloses Spiel in der Musik. Warum ist grad der Lehrer ein so begnadeter Tänzer? Fuß vor, zurück, die Arme nach oben geworfen und... aus dem Weg jetzt komme ich. Die Augen geschlossen, ein wildes umher Springen. Keiner da zum Pogen? Head banging war auch schon mal besser. Ein unartikuliertes Hüpfen, Rennen, Trampeln, Wirbeln. Meine ungestümen Bewegung fegen die Leute vom Hallenboden. Ich bin allein in meinem Kraftausbruch, bis ich ruhig werde und mich dem Rhyhmus anschließe. Ich tanze langsamen Walzer mit einer Unsichtbaren. Man nimmt es auf, so dass halbe Paare in möglichster Vollständigkeit das Prakett bevölkern. Dies ist eine Schöpfungsgeschichte in der ich Gott wurde. Meine Genesis.