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Autor: Funkelfang

Erstellt am: 06.05.2001

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Schwarzes Blut (?)



Geschrieben von:   Funkelfang


Da stand sie nun im Badezimmer ihrer kleinen Wohnung am Rande des Sees. Sie war gerade hierher umgezogen, nichts erinnerte mehr an das, was sie schlimmes erlebt hatte. Nichts außer den Tränen, die sich langsam ihren Weg über ihr Gesicht in Richtung Abgrund bahnten. Sie betrachtete sich im Spiegel, lange... plötzlich senkte sie den Kopf, drehte den Hahn auf und ließ das kalte Wasser über ihre Arme laufen. Da bemerkte sie etwas. Sie drehte den Hahn zu und betrachtete ihre Handgelenke. Diese dünnen blauen Adern an ihren Armen, sie waren ihr noch nie so aufgefallen, wie deutlich sie doch zu sehen waren... sie blickte einige Sekunden schweigsam auf ihren Arm, fuhr dann mit der anderen Hand darüber, versuchte das Blut zu fühlen, das dort bis zu ihrem Herzen und wieder zurückfloß... - blaues Blut? Nein, es wird wohl schwarz sein, es muss schwarz sein, schwarz wie das Herz das es schickte und wieder zu sich rief... - Dann schüttelte sie den Kopf und verließ das Badezimmer.
Am nächsten Tag stand sie wieder vor dem Spiegel und betrachtete ihr rot verweintes Gesicht. Sie drehte den Hahn auf und hielt ihre Hände darunter. Neben dem Waschbecken auf dem kleinen Tisch lagen zwei Klingen. Sie sah einige Zeit auf ihre nassen Handgelenke und wendete dann ihre Augen den Klingen auf dem Tisch zu. Mit ihren Blicken fuhr sie die Schneiden der Klingen entlang, prüfte, ob diese auch scharf genug wären... dann schüttelte sie wieder den Kopf und ging.
Als sie am dritten Tag in das Zimmer kam blickte sie sofort auf den kleinen Tisch und überprüfte, ob die Klingen auch wirklich noch dort lagen. Sie blieb vor dem Spiegel stehen, fuhr langsam mit den Händen über ihr Gesicht, über ihre Augen, ihren von Tränen feuchten Mund. Da fing sie an schneller zu Atmen, immer heftiger. Sie presste ihre Hände an ihr Herz, ihre Augen wanderten hastig über ihr Spiegelbild an der Wand. Schnell wendete sie den Kopf ab und lief aus den Bad.
Freitag, Freitag Morgen, sie wollte heute nicht zur Arbeit gehen, heute sollte ein besonderer Tag sein. Im Bad nahm sie eine der Klingen und führte sie an das Handgelenk ihrer linken Hand, genau dort, wo das schwarze Blut fließen musste. Langsam drückte sie die Klinge auf ihren Arm, lies sie schwer einige Zentimeter hinunter gleiten. Dann lies sie los, sah wie das Blut herausquoll. Schnell nahm sie ihr Handgelenk an den Mund. Sie schmeckte es, dieses schwarze Blut, das Tag für Tag so quälend durch ihr kleines Herz pumpte. Da erfasste sie die Wut. Sie fing an ihr Blut zu trinken, all das, was aus der Wunde an ihrem Arm kam, fing an, an der Wunde zu saugen, immer mehr. Die Tränen liefen ihr über die Wangen, sie weinte bitterlich und trank immer weiter. Sie wollte dieses schwarze Blut für immer aus ihrem Herzen verbannen, nie wieder sollte es durch ihre Adern fließen und ihren Körper verunreinigen. Plötzlich lies sie ihren Arm sinken, wendete ihren Blick wieder dem Spiegel zu und sah sich an. Ihre Augen waren geschwollen, ihr Gesicht rot und an ihrem Mund klebte Blut. Ihr eigenes Blut, doch es war nicht schwarz, es war rot wie das Blut jedes anderen Menschen auch. Da fing sie an zu schreien, sie schrie und weinte, weinte und schrie bis sie kraftlos zusammen brach...
Man fand ihre Leiche erst ein paar Tage später, zusammengekauert auf dem Boden liegend. Sie lag da wie ein kleiner Engel, als ob sie schlafen würde, doch der vertrocknete Bluttropfen an ihrem Mundwinkel verriet, das dieser Schlaf ein anderer war, der, den sie sich immer so sehnsüchtig gewünscht hatte und der ihr nie vergönnt worden war. Ein roter Tropfen jungen Blutes... wir haben alle sehr geweint, nur sie nicht, sie schlief und das rote Lächeln, das ihr Gesicht verzerrte, zeigte uns, das sie nun endlich glücklich war...