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Autor: Franklin M. Bekker

Erstellt am: 08.03.2002

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Where have all the answers gone?



Geschrieben von:   Franklin M. Bekker


Es war schon wirr. Was war wirr? Na es. Und was war es? Das Leben. Das Leben war wirr. Das Leben ist wirr, wie die vorangegangenen Sätze. Wirr! So wirr wie mein Zimmer jetzt. Erst aufgeräumt, wenn auch nicht sauber, dann total verwüstet. Reinstes Chaos. Leicht ordentliches Chaos dachte ich der Philosophielehrerin zu liebe. Was hatte ich gesucht, dass ich mein ordentliches Zimmer in einen zustand leicht ordentlichen Chaos versetzt hatte? Muss man etwas suchen, um sein Zimmer zu verwüsten? Wohl eher nicht. Trotzdem meinen Kugelschreiber hatte ich gesucht und nicht gefunden. Daher waren mir diese Gedanken gekommen, die ich aufzuschreiben gedachte, weshalb ich meinen Kugelschreiber suchte. Intensiver, zimmerverwüstender suchte. Nur einen Weg gab es diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Ich nahm einen anderen Kugelschreiber. Diesen hier. Er ist nichts besonderes, nur das er für das Studienbuch gedacht war. Wahrscheinlich wir er leer, dachte ich. Wahrscheinlich wird er leer. Dann musste ich mir halt für das Studienbuch, das kleine, hässliche, Gott sei dank gesponserte einen neuen zulegen. Und so hatte alles seine leicht ordentliche chaotische Ordnung.
Undurchschaubar diese leichte Ordnung, sodass jeder seine Antworten, seine Ordnung alleine finden muss. Auch ich. Gerade ich, weil ich die Fragen sooft stellte. Fragen, die jeder kennt. Was soll ich in der Schule? Gibt es nichts wichtigeres? Wo ist Susi? Man kann es auch anders formulieren. Was ist der Sinn des Lebens? Kann ich nicht etwas Verantwortung haben? Wer ist meine Traumfrau? Ihr merkt schon ich bin entweder ein Kerl oder lesbisch. Letzteres bin ich nicht. Ob ich ein Kerl bin weiß ich auch nicht. Jedenfalls von männlichem Geschlecht.
Manchmal, und wir sind jetzt bei der Frage nach Susi, gibt es Momente, seltene Momente, da ist man einfach verzaubert und verknallt. Einfach so noch kein Wort gehört, keinen Blick gespürt und es ist schon passiert. Früh bei mir, denke ich, noch im Kindergarten, kurz vor der Einschulung. Ich sah Stefanie, Steffi, mit ihren zwei Freundinnen Bauklötze spielen. Verschossen hab ich mich so heftig, dass ich noch heute die Namen ihrer beiden Freundinnen weiß. Ihren natürlich auch. Alle drei tun aber nichts weiter zur Sache. Was die Sache ist? Das leicht ordentliche aber chaotische Leben. Euers ist chaotisch genug und ich will euch nicht mehr als ich will mit meinem verwirren.
Zu meiner Steffi zurück. Damals war sie meine Steffi, obwohl sie das nie erfuhr. Heute ist sie dies nicht mehr. Sie kam aus der unteren Kindergartengruppe sollte aber gleichzeitig mit uns in die Schule gehen. Auch an diesem Abend, als ich jetzt mein Zimmer verwüstet habe, hab eich ein Auge auf solch ein kluges Mädchen geworfen, von ihr schon vorher fasziniert. Meine Steffi war von dem Augenblick an, da ich sie das erste Mal erblickte, vier Jahre lang und etwas darüber hinaus meine Steffi. Die Grundschule Groß Kiesow musste ich aber verlassen, damals freiwillig, und nach Gützkow auf das Gymnasium gehen. Weil ich Steffi von da an nicht mehr sah, wurde sie mit der Zeit die Steffi, eine Steffi, irgend eine Steffi, eine meinem Universum entschwundene Steffi. Überhaupt dämmerte mir langsam eine gewisse Arroganz und ein Desinteresse für mich ihrerseits.
Ich litt keinen Trennungsschmerz, denn wieder hatte ich so ein magisches Erlebnis. Eines ähnlich der Begegnung mit Steffi. Auch dieses Mädchen erfuhr nichts davon, dass sie auf einem Podest stand. Nicht schlimm. Wenig später verliefen meine Gefühle gegen sie im Sand. Von da an stellte ich viele Mädchen auf Podeste, bis ich meinem krassen Hang zur Idealisierung gewahr wurde und mich selber drauf stellte. Mag sein es kommt mal wer und versucht sich neben mich zu stellen. Einige haben es probiert und die hab ich konsequent hinunter gestoßen. Gesucht wird Reinhold Messner in weiblich/feminin.
Hohe Ansprüche? Warum nicht? Das noch leicht ordentliche, aber dennoch chaotische Leben stellt hohe Ansprüche an uns. Jedenfalls wird das gesagt. Warum sollten wir da nicht auch hohe Ansprüche an das Leben stellen. Zum Beispiel den Anspruch es zu entwirren und meinen Kugelschreiber wiederzufinden.
Na ja kein hoher Anspruch ist die wohl wahr, doch wenn ich Pech haabe finde ich den Kugelschreiber nicht mehr. Bis jetzt jedenfalls ist das Leben meinen Ansprüchen gerecht geworden. Oder ich den Seinen? Beides möglicherweise. Grenzen wurden mir erst einige wenige aufgezeigt. Diese nennt man kurz Naturgesetze. Kurzes Wort für eine enorme Menge an Gesetzen, die das Mögliche definieren. Angemessen kurz, denke ich, denn sie sind akzeptabel und wenig in ihrer Zahl, wenn man an all die Freiheiten denkt. Zumal man sich ohnehin an die Gesetze, die Unumgänglichen, gewähnt hat. Hingenommen sind sie und von mir sollen sie nicht überwunden werden. Ja ich wird den Ansprüchen des Lebens gerecht, zweifellos, problemlos. In diesem Jahr bis jetzt immerhin ohne Fehltage, tu ich auch, was die Gesellschaft, das Leben in ihr verlangt. Finde deinen Platz in mir, verlangt sie. Mit Nichten irgendeinen, nein deinen Platz! Einen zu finden ist nicht schwer, meinen zu finden schon. Manchmal glaube ich ist es zu einfach und dann will ich einen Platz mit mehr Verantwortung. Die Schule scheint zu einfach, während die Gesellschaft mit mir zufrieden ist, weil wenigstens ich nicht wirr umher renne und mich auf irgendwelche, reservierte Stühle setze. In diesen Momenten wird es meinen Ansprüchen nicht gerecht, da will ich mehr. Eine Aufgabe oder dergleichen. Oder dergleichen... Was ist oder dergleichen? Eine Phrase hingeschrieben von einem Unzufriedenen mit noch leicht ordentlichen, total chaotischen Gedanken. Eine Aufgabe will ich und es findet sich meist keine. Das sind die Plätze von Schülern. Zu klein sind sie, dass sie unweigerlich überfüllt werden von uns. Keiner aber kann auf zwei ganzen Plätzen sitzen. Da zahlt man ja das Doppelte. Nicht an Geld aber an Zeit möglicherweise. Und soviel Zeit ist dann doch nicht. Das A und O ein wunderbarer Spruch. Arbeit ist das halbe Leben, Ordnung ist die andere Hälfte. Nun wird aber Arbeit nur drei Viertel von der Hälfte gegeben und in den Köpfen der meisten herrscht, wenn auch leicht geordnetes doch allgemeines Chaos.
Ich kann mich an Tage erinnern da hatte ich entweder auf alle Fragen eine Antwort oder die Frage noch nicht. Wenn wir eine Antwort kennen brauchen wir nicht mehr zu fragen, aber wenn wir die Frage nicht kennen, kennen wir auch die Antwort nicht. Manchmal ist es gut eine Antwort nicht zu kennen, die größte Ruhe jedenfalls hat man, wenn man die Frage nicht kennt. Ach unbeschwerte Kindertage. Manchmal sehne ich mich nach den Augenblicken, da ich mit naivem Blick die Mädchen auf ein Podest stellte.
Kinder stellen Fragen über das, was sie sehen.
Erwachsene stellen Fragen über das, was sie denken. So geht sie los so hört sie auf die Denkerei. Das Leben tut es ihr gleich. Das Menschenleben wohl gemerkt.
So ist es halt und das scheint ein Naturgesetz zu sein, das wir in unserem leicht ordentlichen, chaotisch verwüstetem Zimmer sitzen und überlegen, ob nicht unser Kugelschreiber dort unter dem Berg stinkender Socken liegt.
Ja stinkende Socken. Antriebsquelle auf die sich einige Dinge besser zurück führen lassen als durch die Existenz Gottes erklären. So zum Beispiel die Entstehung der Erde. Es ist möglich, dass sich eine Menge stinkender Socken von unbekanntem Ausmaß der zukünftigen Umlaufbahn der Erde näherte, worauf hin ein Haufen Materie fürchterlich Angst bekam. Sie verdichtet sich sodann zum späteren Erdklumpen und floh, konnte aber der Anziehungskraft der Sonne doch nicht entkommen und dreht sich noch heute um diesen Feuerball herum. Wie groß diese Angst war und wie immens der Gestank der Socken gewesen sein muss können wir nur noch anhand der momentanen Erdgeschwindigkeit erahnen. Es muss grausig gewesen sein. Man stelle sich noch vor Gott trage stinkende Socken und schon sieht man einiges viel klarer. Was ich sagen will ist Folgendes: Wir können jedes noch so wenig ordentliche Chaos im Nu ordnen und klassifizieren. Mag sein der Kugelschreiber liegt unter dem besagten Haufen Socken. Wie akzeptabel unsere Antworten sind müssen wir abwägen. Eine Ordnung zu schaffen aus der nachher ein weniger als zu vor ordentliches Chaos erwächst ist zwecklos.
Ich lehne mich zurück, entspanne mich und denke über diese klugen Worte nach. In diesem Stuhl fühle ich mich wohl. Ein sehr bequemer Platz.
Doch werde ich mich nicht noch verändern? Ist mir nicht irgendwann der Stuhl zu hart? Möglicherweise rostet er, denn er ist aus Metall. Gut pflegen könnt ich ihn. Soll man aber etwas über seine Zeit hinaus ziehen? Wie ein Fußballspieler, der nicht merkt, wann Schluss sein muss, zu sehr an den Erfolg, den warmen Platz gewöhnt? Zu faul aufzustehen und sich einen neuen Platz zu suchen?
Erst mal egal. Und ich hatte meinen Platz gefunden, jemand kam hinauf zu meinem Podest und ich ging ihr entgegen, hatten unsere Plätze nebeneinander gefunden.
Obwohl uns das Glück davon ablenkt ergibt all dies dennoch keinen Sinn. Beinahe enttäuschend ist dieser Zustand. Es, das Leben, ist wie ein schlechtes Restaurant, indem die Bedienung unfreundlich ist und es nur Fertiggerichte gibt. Die Herausforderung besteht darin die Bedienung zu überreden einen in die Küche zu lassen, wo man sich für eine Unmenge von Geld mit selbsteingekauften Waren etwas kochen kann. Das Gas ist alle und ich kann nicht kochen. Dieses Gleichnis verweigert natürlich jede Antwort auf die Frage, was der Sinn des Lebens ist, und ob es einen gibt. Die Sinnfrage ist nämlich eine Frage zweiter Art.
Fragen erster Art sind Dinge wie Papa warum ist der Himmel blau. Fragen bei denen die Antworten egal sind. Wo der eine Papa irgendwas von Gasen erzählt und das Kind sich gelangweilt Papas lustig auf und ab springendem Schnurrbart zuwendet.
Und wo der andere Papa mit einer Geschichte anfängt: Als ich noch so alt war wie du und das ist schon ne ganze Weile her, da war der Himmel noch grün, aber ein Familie, eine reiche, in der Nachbarschaft hat ihr Haus streichen wollen, als doch dummerweise die falsche Farbe geliefert wurde. Blau wurde geliefert. Wie schaut aber ein blaues Haus aus? Nicht schick oder? Sie haben sich neue Farbe bestellt und weil die Blaue nicht verderben sollte haben sie damit den Himmel gestrichen. Wie der Himmel aber richtig aussieht kann man nur von der anderen Seite, vom Weltraum aus, sehen.
Anschließend treffen sich die beiden Kinder. Das eine, das Gas-Pappa-Kind meint, wenn es groß ist, will es auch so einen Schnurrbart haben wie sein Papa.
Das andere aber will Himmelsfahrer werden, sagt es.
Und da ist das Gas-Pappa-Kind natürlich Feuer und Flamme und beschließt auch mitzukommen. Bei Fragen erster Art ist die Antwort egal, Hauptsache es gibt eine.
Bei Fragen zweiter Art ist die Antwort grundlegend und wichtig, dummerweise gibt es keine.