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Autor: Franklin M. Bekker

Erstellt am: 04.11.2001

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Nicht dunkel Nicht kalt



Geschrieben von:   Franklin M. Bekker


Ich lag in meinem schwarzen Zimmer. Alles hier war schwarz, die Tapeten, die Decke, mein Bett. Alles so sinnlos und leer. Pur und blank, eben und gleichmäßig. Mir war nicht nach leben zu mute schon lange nicht mehr. Da blickte ich in den Spiegel und glitt durch ihn hindurch, mitten in einen endlosen Ozean, der voll Licht war. Mein Herz füllte sich mit Freude alles um mich herum war schön, obwohl immer noch leer und das Wasser sah überhaupt überall gleich aus. Wasser. Oh Wasser! Ich hatte Atemnot, bekam Panik und begann instinktiv nach oben zu schwimmen, strampelte mich ab immer panischer. Vielleicht sollt ich aber einfach hier bleiben, hier bleiben und sterben? Endlich Frieden finden, einfach Ruhe haben. Aber ist Tod Ruhe? Hat man dann Frieden? Oder ist man einfach nicht mehr? Ich wollte nicht nicht sein. Meine Lunge protestierte, wollte Sauerstoff haben. Der Kohlenstoffdioxid Anteil im Blut schoss beinahe spürbar in die Höhe. Wo war die Wasseroberfläche? Gab es hier keine Wasseroberfläche? In Gedanken hielt ich inne. Es musste doch eine Möglichkeit geben zu erkennen...? Ja genau das Licht kam von oben, die Lichtquelle war im Wasser nirgendwo zu entdecken. Schwamm ich überhaupt nach oben? Wegen Sauerstoffmangel wurde ich ohnmächtig und kam wahrscheinlich grad in diesem Moment an die Wasseroberfläche.. Die Wellen trugen mich an Land, wo ich Jahre später erwachte. Ich drehte mich um und setzte mich in Sand das Meer betrachtend. Ja das Meer. Das Meer. Fast glaubte ich alleine hier zu sein doch neben mir saß mein Bruder. „Ist schon komisch oder?“, fragte er.
„Was ist komisch?“
„Nun ja das Meer, der Sand, unser Haus es ist alles so dunkel.“
„Wie soll es denn sonst sein?“
„Kannst du dich nicht erinnern? Ich auch nicht. Einmal war es besser, aber ich weiß nicht wie es war. Schon komisch. Dieser Sand. Er hat keine Farbe.“
„Farbe welche Farbe soll er denn haben?“
„Ich weiß nicht – irgendeine. Er ist so schwarz.“
„Wie er immer ist.“
„Nein nicht immer. Er war mal anders.“
„Wie anders?“
„Ich weiß nicht. Nicht dunkel. Wie das Haus mal anders war.“
„Nicht dunkel? Wie soll er dann sein, wenn er nicht dunkel ist? Was ist mit dem Haus? Es ist doch immer noch so praktisch wie immer.“
„Ja praktisch aber so kalt.“
„Was hast du gegen kalt?“
„Nichts, nur glaubst du nicht es muss etwas anderes noch geben?“
„Wie anderes?“
„Nun ja nicht kalt. So wie der Sand anders sein muss als dunkel.“
„Anders sein muss? Was redest du?“
„Ich weiß nicht. Es ist nur, als wenn nichts mehr stimmt.“
„Nichts stimmt?“
„Erinnerst du dich nicht? Irgendwann war es anders, wie anders weiß ich nicht.“
„Nein, aber was kümmert es uns?“
„Es war nicht so dunkel und nicht so kalt. Findest du nicht dunkel und kalt ist unangenehm?“
„Unangenehm? Nein!“
„Weißt du ich sehne mich danach, wie es damals war. Ich glaube ich will hier nicht mehr sein?“
„Hier nicht mehr sein? Wo willst du dann sein?“
„Ich weiß nicht.“
„Ich weiß nicht? Warum weißt du nicht? Du willst etwas von dem du nicht weißt, wie es ist.“
„Ich weiß es ist nicht kalt, nicht dunkel. Komm lass uns von hier fort gehen.“
Er drehte sich mir zu und schaute direkt in meine Augen. Und da blickte ich tief in die Seinen und ganz unten, im letzen Winkel dieses unermesslich dunklen Tunnels, sah ich etwas, dass nicht dunkel, das anders war. „Was schaust du so merkwürdig?“, fragte er.
„Deine Augen da war etwas das war anders. Ja ich erinnere mich es war nicht immer dunkel hier und nicht kalt – nein. Anders! Aber wie?“
„Ja, ja komm lass uns fort gehen von hier. Wir finden heraus, wie es ist.“
„Wohin gehen wir?“
„Sieh dort!“, er zeigte mit seinem Arm die Küste entlang „Überall dort ist das dunkle Meer, über und durch das ich nicht gehen will. Hinter uns ist viel Land, dass auch dunkel ist, aber wenn wir weiter gehen, als wir schauen können, vielleicht gelangen wir dann in ein anderes Land, in dem es nicht so ist wie hier.“
Und wir machten uns auf den Weg. Wir ahnten ja nicht wie weit man gehen musste, um das schwarze Land hinter sich zu lassen. Unsere spärlichen Vorräte reichten nicht lange und bald krochen wir auf allen Vieren durch die Öde, an verdorbenen Wasserlöchern vorbei, durch Täler voller Dornengestrüpp, über unwegsame, zerklüftete Berge. Bis auf einem der so unendlich vorhanden scheinenden Hügel mein Bruder umfiel, seinen baldigen Tode sehend. Ich kroch noch einige Meter weiter, bevor mir klar wurde, dass er nicht mehr hinter mit war. Als ich bei ihm wiederangekommen war, lebte er kaum noch. „Geh weiter suche. Du musst es schaffen und das wirst du. Ich bin nun von der Qual erlöst und scheide.“ Wieder trat in seine Augen dieses nicht dunkel, doch diesmal stärker. Er war glücklich! Und in diesem Moment viel es mir ein. Licht! Licht! Ich schrie es in die Welt hinaus „Licht! Licht! Licht!“
„Licht !Ja Licht!“, keuchte mein Bruder „Und sieh nur deine Augen sie sind grün und strahlen förmlich.“ Er schied dahin ohne zu wissen, dass auch seine Augen farbig geworden waren. Und blau waren sie. Blau wie das Meer. Das Meer! Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Das Meer dort ist Licht. Ich war damals nicht nach oben geschwommen, nein nach unten. Ich musste zum Meer. Wo war das Meer? Ich kehrte aus meinen neuen Gedanken zurück in die dunkle Welt, die mich jetzt schon viel zu lange umgeben hatte. Mein Blick schweifte den Horizont entlang und in der Ferne sah ich es dann – das Meer dunkel, wie ich es zuletzt gesehen hatte. Doch meine Hoffnung erstarb nicht, denn diesmal wusste ich in welche Richtung ich zu schwimmen hatte. Zunächst allerdings musste ich zum Wasser gelangen und die letzten Kilometer durch die Öde wurden mir schwerer als der gesamte Weg bis hierher. Erst jetzt, da ich meine Erinnerungen wieder gewonnen hatte, wurde mir ganz und gar klar, wie trostlos, kalt und dunkel die Welt war in der ich all die Jahre gelebt hatte. Brechreiz war das Einzige was ich noch fühlte und ständig trat nichts aus mir zu Tage außer purer Säure, die nach und nach meine Speiseröhre zersetze. Wie Jahre kam es mir vor, bis ich denn endlich das Meer erreichte. Einen letzen Blick warf ich auf unser Haus, dass man einmal mit rotem Backstein, der sich in der Sonne erwärmte, gebaut hatte und dann stürzte ich mich in die Fluten. Warum konnte ich atmen? Eigentlich konnte das doch gar nicht gehen. Die Luft wurde mir knapp.

Auf der anderen Seite des Meeres oben, saß am Strand betend ein junger Mann, dem die Sonne in den Rücken strahlte. Er betete für seinen verstorbenen Bruder. Auch sie beide hatten sich durch das Meer gekämpft zweimal sogar, doch beim erstenmal hatten sie gezweifelt, ob sie nach oben schwammen und ob man im Wasser atmen konnte. Wer zweifelte schwamm nach unten, das war die Regel. Dieser junge Mann nun hoffte, dass sein Bruder ein drittes Mal sich erinnern könnte, doch je öfter man zweifelt, desto schwerer wird es und nicht wenige blieben in der dunklen Welt nicht einmal mehr ahnend, zurück.