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Die Anderen



Geschrieben von:   emotions



Die Anderen
geschrieben von Morgenstern am 22.05.2013
Bewertung zum Beitrag Die Anderen
Das hier ist ungewöhnlich persönlich, in Relation zu dem, was ich sonst so von dir gelesen habe.

Das Gedicht verzichtet auf durchgezogenes Versmaß oder Reimschema. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Aneinanderreihung von Anklagen, die gegen eine größere Gruppe, beispielsweise die Gesellschaft, gerichtet sind.

Bei näherer Betrachtung jedoch wird ersichtlich, dass die Anklage gegen einen engeren Kreise gerichtet sind. Das l. Ich sucht einen unbestimmten Adressatenkreis, um die eigentlich Adressaten nicht zu konfrontieren. Fortwährend wird von den Tätern in unpersönlicher, dritter Person gesprochen, dem persönlichen Inhalt zum Trotz.

Das l. Ich fühlt sich belogen und betrogen. Das Genommene bzw. Gestohlene halte ich daher nicht für etwas Materielles, sondern vielmehr für Begeisterung, Selbstvertrauen, Lebensfreude. Dieser Raub, denn die Gewaltkomponente in der dritten Zeile der ersten Strophe verdeutlich, dass es sich hierbei um einen solchen handelt, geschieht durch (vielleicht unnötige) Abwehrmanöver, Rundumschläge und Anfeindungen. Den Tätern ist die Gewalt ihrer Handlung womöglich gar nicht bewusst. Kurz kommt bei mir die Idee empor, dass die Frauen Täter sind, aber das ist nur Spekulation. Also Strophe eins: Kraft wird gewaltfrei genommen und gewaltbereit entrissen.

Strophe zwei gibt ein wenig Interpretationsmaterial über die Art und Weise der Beziehung und des Raubes. In der persönlichen Beziehung scheint eine subjektiv empfundene Limitierung stattzufinden, das l. Ich weist Schuld zu. Die Freiheit (vollkommen überbewerteter Begriff btw.) kann vom Täter nur durch ein Passieren der Grenzen erreicht werden, die das vermeintliche Opfer gezogen hat. Ob es eine romantische Beziehung ist, die Kraft raubt und zerbricht oder mehrere (Stichwort: Frauen) oder Freundschaften, wird offengelassen. Der Schluss aber, dass die Flucht der Gewaltkomponente entspricht (oder mit ihr einhergeht), das gewaltfreie Nehmen aber dem Verhältnis vor der Flucht, drängt sich auf.

Strophe drei ist eine Mischung aus Angriff und Verteidigung. Wiedergegeben werden Aussagen der vermeintlichen Täter, der Verräter, der Deserteure. Denn dieses Bild entsteht bei mir durch den Brückenschlag, die Möglichkeit, einem vorherigen Konsens zuwider, zu neuen Ufern aufbrechen zu können. Diese Komponente ist defensiv. Die letzten beiden Zeilen allerdings sind offensiv, wenn auch nicht aggressiv, ein guter Angriff als beste Verteidigung quasi. Der Brückenschlag soll dadurch gerechtfertigt werden, dass der Staudamm, der das diesseitige Ufer vor der Überflutung schützt, eingerissen wird. Zumindest angebohrt.

Um ehrlich zu sein ist mir das Gedicht zu persönlich, um es in irgendeiner Form zu bewerten. Es ist zu emotional, um ein literarisches Experiment zu sein, zu verletzt, um eine wirkliche Kritik ertragen zu müssen. Ich denke, dass es sich um einen Verarbeitungsprozess handelt. Allerdings ist die ganze Geschichte äußerst subjektiv, sodass ich den Heilungserfolg in Frage stelle. Ein Schritt zurück könnte gut tun. MfG


Kommentar des Autors vom 24.05.2013.

Ja, es ist persönlich, allerdings nicht minder als die anderen Gedichte. Damit, dass das Genommene/Gestohlene immaterieller Natur ist und Anfeindungen die Folge sind, liegst du richtig. Mich würde interessieren, was du mit vielleicht unnötigen Abwehrmanövern meinst. Allerdings ist den Tätern (v. a. Männern) die Gewalt ihrer Handlung bewusst, vllt. jedoch nur, wenn sie fremde Normen akzeptieren. Ich würde die Grenzziehung nicht zwingend als Flucht auffassen, sondern als Angriff auf fremde Werte. Denn wenn es Flucht wäre, könnte nur die Normausweitung einen Angriff bedeuten. Genau das ist aber schädlich in der Situation. Es wäre ein Angriff gegen sich selbst. Es sei denn, du siehst in einem anderen Verhalten einen entsprechenden Angriff. Verräter passt sehr gut zur dritten Strophe. Ich wünsche Kritik. All meine Gedichte sind einem Verarbeitungsprozess geschuldet. Wieso denkst du, dass die ganze Geschichte äußerst subjektiv ist?
Die Anderen
geschrieben von Morgenstern am 25.05.2013
Bewertung zum Beitrag Die Anderen
Wahrscheinlich habe ich es als persönlicher empfunden, weil es konkreter als andere ist. Ich werde in nächster Zeit ab und zu mal eins von dir lesen und, sofern du brav aktiv bleibst, auch ein bisschen mehr auseinandernehmen. ;-) Sed tempus fugit und es wird daher immer ein Weilchen dauern.

Abwehrmanöver- Wenn ich die Strophe lese, habe ich einen kleinen Film vor Augen. Beziehungsweise in meinem wahnsinnigen Kopf :D, aber das spricht ja sehr für die Aussagekraft der Verse. Ich verbinde für meine Interpretation Strophen eins und zwei, sehe den Raub Hand in Hand mit dem Ziehen von Grenzen, dem Drang nach Freiheit. Die Anderen (hier also Männer) fühlen sich durch ihre eigene Inkompetenz, sich zu öffnen, sich einzulassen (schöne Doppeldeutigkeit in dem Wort, sehe ich gerade) in die Defensive gedrängt. Vielleicht auch durch dein Nähebedürfnis. Ihre Reaktion ist ein Angriff, ein von sich stoßen, das nur zur vermeintlichen Verteidigung dienen soll.

Ich habe die Grenzziehung hier der falschen Rolle zugedacht und damit vorbei interpretiert. Ich dachte daran, dass dir unterstellt wird, Grenzen gezogen zu haben. (Was ja im Gedicht ebenfalls impliziert wird) Dass Du niemanden an dich heranlässt und nicht umgekehrt. Ob nun Flucht oder Attacke ist wohl eine Gratwanderung. Ohne Grenzen funktioniert eine echte Beziehung erfahrungsgemäß nicht, mit zu vielen prangt ein Verfallsdatum auf ihr.

Subjektiv ist dieses Gedicht für mich, weil es nur aus einer Perspektive erzählt, der deinen. Es wird von Prozessen und Menschen gesprochen, die sich wehren könnten und wahrscheinlich anders darstellen würden, als Du es hier tust. Die Wildgans im Wind, um klassische Metaphorik zu verwenden, kann das nicht. Es ist wahrscheinlich aber gut, dass Du nicht versuchst, in Köpfe von Ex-Freunden zu steigen und ihre Darstellung lyrisch präsentierst, so ein Unterfangen wäre wohl zum Scheitern verurteilt.

Echte Kritik aber, bekommst Du bei einem anderen Gedicht. ;-) Das hier wollte ich nu
r gänzlich verstehen und dich wahrscheinlich wissen lassen, dass ich es tue.^^ Und Einsicht geben, wie es auf den Leser wirkt.


Kommentar des Autors vom 03.08.2013.

"Ich dachte daran, dass dir unterstellt wird, Grenzen gezogen zu haben. (Was ja im Gedicht ebenfalls impliziert wird) Dass Du niemanden an dich heranlässt und nicht umgekehrt." Damit liegst du ganz richtig. Aber es war mehr freundschaftlicher Natur. Allerdings ist es leider so, dass es schwer ist, sich richtige Freunde zurechtzuargumentieren. Worte sind nicht Taten und so kommt es, dass man über Taten die Echtheit des Wortes eines vermeintlichen Freundes in Frage stellt und damit ihn als Freund selbst.