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Autor: Warui

Erstellt am: 14.02.2004

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Der Spiegel



Geschrieben von:   Warui


Der Wecker reist Carola nervenvibrierend aus dem Schlaf. Ihr verquollener Blick aus roten Augen taumelt durch den Raum, bis die Ursache klar wird. Ein kaum artikuliertes Stöhnen lässt sich hauptsächlich ihrem Blick entnehmen, als sie neben sich schaut. Sie wagt es, das Wesen an ihrer Seite anzusprechen. Nach einigen Minuten hat ihr zaghaftes Ringen um Aufmerksamkeit auch eine Reaktion zur Folge. Andreas lässt ein alkoholertränktes Grunzen hören.
"Andreas, du musst zur Arbeit," versucht die eigentlich junge Frau ihrem unwilligen Gesprächspartner klarzumachen.
"Lass mich in Ruhe."
"Andreas, du weißt, dass wir das Geld brauchen." Ein weinerlicher Unterton schwingt ängstlich, zögernd in dem Versuch einer rationalen Lösung mit.
"Hab ich dir noch nicht deutlich genug gesagt, dass du die Klappe halten sollst?"
"Du weißt, dass dein Chef gestern gesagt hat, dass das deine letzte Chance ist." Die Stimme zittert nun wie ihre Besitzerin.
"Frau, du nervst!"
Andreas steht auf und stolpert gegen den Nachttisch, als er nach den Zigaretten greift. Der Spiegel darauf war einst ein Erinnerungsstück, es war das Erste gewesen, was sich die Beiden als junges Paar für die gemeinsame Wohnung gekauft hatten, mit einem Passfoto, Arm in Arm, in der Ecke eingeklemmt. Nicht, dass Andreas das noch bewusst wäre, er schimpft nur über die Glasscherben. Inzwischen ist er dazu fähig, über die Spiegelscherben hinwegzutreten und schlurft, sich zwischen den Beinen kratzend, ins Badezimmer. Den Wecker beachtet er nicht. Carola langt nach dem Gerät und würgt das nervige Piepen ab.
Es ertönt das Klicken eines Feuerzeugs, einen Moment lang herrscht Stille, bis eine Stichflamme aus dem Bad diesen Moment brutal zerreißt.
Vom Bett vernimmt man Carolas Stimme, leise ein Gedicht rezitierend. Es war Andreas' Hochzeitsgeschenk an sie gewesen. Sie hält sich währenddessen die Seite.
"Du bist der Spiegel meiner Seele / Was ich bin, lässt du mich sehn,
Und bin ich einmal nicht ich selbst / Weiß nicht, was ich will, was nicht
Dann hilfst du mir bei dem Entschluß / Du bist der Spiegel meiner Seele"

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Ist mein erster nicht-lyrischer Versuch, etwas zu schreiben ....
Kritik erwünscht ;)

Mata ne
Warui