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Autor: Weltenbruch

Erstellt am: 10.10.2019

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Geschrieben von:   Weltenbruch




Der Autor hat folgende Stimmungen f�r sein Werk angegeben:
frustriert
melancholisch



Auch auf YouTube eingesprochen: https://youtu.be/AqseIdOt5VY

Sie hatte mich um drei Uhr nachts angerufen. Das war der scheiß Teil an meinem Job. Sie riefen immer nachts an, waren immer verzweifelt und ich musste immer sofort kommen. Und immer die Armutsviertel. Sie riefen uns an, weil sie dem Staat nicht vertrauten – wir streuten regelmäßig Meldungen über die Zustände in den staatlichen Einrichtungen; das war nicht unethisch – die Zustände waren ja real. Ich zog mich an, Hemd, Hose, Gürtel. Seriös aussehen, das war das Wichtigste. Man zog sich ja für sein Gegenüber an, nicht für sich selbst; das verstand nur niemand. Es war knapp eine Stunde von der Zentrale entfernt. Ich tätigte auf der Fahrt ein paar Anrufe, damit alles vorbereitet werden würde. Ein Arzt musste schließlich untersuchen, wie es dem Baby ging.

Die Straßen rein und leer. Ereignislose Fahrt, die Klimaanlage feuerte ohne Pause. Schließlich erreichte ich die heruntergekommene Kleinstadt und fuhr zur durchgesagten Adresse. Es war eines dieser Fickhäuser. 100 Zimmer in einem Betonklotz. Irgendeine der Nutten war schwanger geworden. Es war immer dasselbe. Ich wusste nicht weshalb, vielleicht wurde sie vergewaltigt oder hatte es für zwanzig Dollar mehr ohne Kondom gemacht oder es war einfach geplatzt. Es war ja auch egal. Viele dieser Babys waren schlecht zu vermitteln. Die dünnen Oberlippen bei den meisten Alkoholikerkindern waren ja noch vertretbar, aber Hasenscharten fielen direkt auf. Und das Klientel war ja gebildet, ließ die Kinder selbst noch untersuchen. Herzfehler und andere Organschäden durch die Drogensucht. Niemand wollte ein Kind, das schon krank zur Welt kam. Wenn die Mutter nur kiffte, ging es, aber für Gras ging niemand auf den Strich.

Als ich mit dem Auto auf den Parkplatz fuhr, kam direkt eine der Damen zu mir und bot mir einen Blowjob ab. Ich lehnte dankend ab, stieg aus, gab ihr fünf Dollar und fragte nach der Zimmernummer, die ich suchte. Sie sagte sie mir und ich nahm einen Tragekorb von der Rückbank mit und lief in das offene Treppenhaus. Es roch nach Schweiß, Alkohol, Pisse und Crack. Ich hörte Leute ficken. Eine Kakophonie aus Stöhnen, Grunzen und dem Klatschen von Fleisch auf Fleisch als ich die durchgetretenen Stufen nach oben stapfte. Abgeblätterte Tapette, Zigarettenstummel überall. Dritter Stock hatte die Frau gesagt. Nummer 313. Ich klopfte an. Eine Frau öffnete. Sie hatte offenbar alleine entbunden vor einigen Stunden, war schwach auf den Beinen, das Baby auf dem Arm. Sie sprach nicht, sondern legte es einfach in den Korb. In ihren Augen lagen tausend Geschichten und keine interessierte mich. Ich gab ihr etwas Geld, dass sie etwas zu essen kaufen konnte. Nicht viel – für jeden Fick bekam sie wahrscheinlich mehr, aber genug für ein großes Fast Food Menü.

»Brauchen Sie einen Arzt?«, fragte ich, aber sie schüttelte den Kopf. Ich ging. Das Baby fing an zu schreien, weil es von seiner Mutter getrennt wurde, aber es musste nicht schreien. Das hier würde kein Leben sein. Es war weiß und makellos. Wir hatten ein reiches Pärchen, das genau so ein Kind suchte und uns zwanzigtausend dafür bot. Es würde als Teil der Oberschicht aufwachsen, hätte Chance auf Bildung, hätte alle Möglichkeiten. Die Alternative war in diesem Drecksloch großzuwerden oder in einem staatlichen Kinderheim. Dann könnte ich das Baby auch direkt im Fluss ertränken wie den Hamster meiner Tochter.

Ich brachte das Kind nach unten. Die Leute kannten Menschen wie mich und sie wollten, dass das Kind nicht hier aufwuchs. Niemand beachtete mich wirklich trotz der Schreierei. Ich packte das Baby auf den Rücksitz, machte den kleinen Racker fest und fuhr vorsichtig. Wie würde er wohl heißen? Linus? José? Miguel? Irgendwann beruhigte sich der Kleine. Wir kamen sicher bei der Zentrale an und ich übergab ihn dem leitenden Arzt, der alle Tests machte. Dann rief ich schon einmal bei meinen staatlichen Kontakten an, um Bescheid zu geben, dass sie später eine Geburtsurkunde durchwinken müssten. Schließlich legte ich mich auf die Couch, schlief etwas und wartete die Ergebnisse ab. Ich wurde wenige Stunden später unsanft geweckt. Es gab gute Neuigkeiten: Das Baby war kerngesund.

Ich setzte mich an meinen Laptop und suchte die E-Mails heraus, die ich mit dem Paar ausgetauscht hatte, um die frohe Botschaft zu verkünden, aber dann sah ich, dass ein gewisser Elias mehr geboten hatte. 50000 Dollar. Das waren dreißigtausend Dollar mehr als das Paar. Ich kannte die Person nicht und rief eine der anderen Zweigstellen an. Man informierte mich, dass dieser Elias immer wieder neue Babys bestellte. Der Mann am Apparat sagte mir, dass nicht bekannt wäre, was er mit den Kindern tat. Aber ich wusste es. Es gab diese reichen Wichser, die Kinder vergewaltigten, aßen oder schlimmeres. Aber am Ende des Tages hatte ich das letzte Wort.

Eine Woche gut schlafen oder dreißigtausend mehr. Kurz überlegte ich, dann gab ich den Zuschlag.