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Autor: knochengott

Erstellt am: 23.10.2014

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downtown 506 - Das Schicksal



Geschrieben von:   knochengott


Teil des Episodenwerkes: downtown

  - Einleitung
  - Kapitel 1: downtown 608 - Der Prinz
  - Kapitel 2: downtown 303 - Der Beschützer
  - Kapitel 3: downtown 409 - Der Kranke
  - Kapitel 4: downtown 408 - Die Herrscherin
  - Kapitel 5: downtown 414 - Die Maskierte
  - Kapitel 6: downtown 000 - Der Krieger
  - Kapitel 7: downtown 211 - Der Gefangene
  - Kapitel 8: downtown 506 - Das Schicksal




Der Autor hat folgende Stimmungen f�r sein Werk angegeben:
gespannt



Der Mieter von 506 sitzt wie immer mit dem Rücken zur Tür auf einem Drehsessel und starrt auf eine Wand aus Monitoren. Saul kann die Wohnung des Irrsinnigen sehen, in der ein muskulöser Kerl hinter einem vornübergebeugten Mädchen kniet und sich an ihr zu schaffen macht. Wahrscheinlich der Irrsinn in Person. Und Saul möchte auch gar nicht so genau wissen was er da tut.
Es ist ein anderer Bildschirm, der seine Aufmerksamkeit fesselt. Auf ihm ist er selber zu sehen, eine Nahaufnahme seines Gesichtes in denen er in aller Detailverliebtheit die Schatten unter seinen Augen sehen kann. Das Bild ist gestochen scharf. Er hebt die linke Hand an den Mund und Bildschirm folgt seiner Bewegung. Saul kann nirgendwo eine Kamera entdecken.

„Was?“ fragt Mieter 506 ohne sich umzudrehen und reißt Saul aus seinen Gedanken. Er tritt näher und schaut sich den Mann, der ihn in der Hand hat und dessen Name ihm unbekannt ist von der Seite genauer an.
Der Mieter von 506 beugt sich über die Monitore und fast zynisch zeichnen sich auf seinen Brillengläsern zwei kleinere Reflexionen der blau flackernden Rechtecke ab. Die Augen hinter den Gläsern sind klein und ohne besonderen Farbton. Ihre leicht geneigten äußeren Winkel lassen ihn traurig erscheinen, deprimiert und hilfesuchend. Etwas Flehendes liegt in diesen nach unten gezogenen Augenwinkeln, es macht die Augen und seinen Blick irgendwie klein. Ein rasches wissendes Lächeln streicht um die Mundwinkel, lässt die feine und fast perfekt gerade Linie seiner Lippen beben und kräuseln. Fast jungenhaft wirkt dieser Mund, mit seiner normalen Breite und der leichten Rötung auf den Lippen. Schmale Lippen ohne große Bögen und Rundungen. Zwischen Augen und Mund trägt eine unauffällige und vielleicht etwas stupsige Nase das Gewicht der eleganten und schlichten schwarzen Brille. Die großen Nasenlöcher wölben sich fast unmerklich bei jedem tiefen Atemzug. Die Haut auf seiner Nase ist großporig und leicht glänzend, im Gegensatz zur ansonsten trockenen und blassen Gesichtshaut. Ein Stoppelbart bedeckt Kinn, Hals und Wangen, doch er ist fleckig und etwas zu lang, um gepflegt zu wirken.

„Ich wollte fragen..“ Saul versagt die Stimme, er muss sich räuspern und nochmal ansetzen.
„Ich habe getan worum Sie mich gebeten haben.“ Der Mieter von 506 nickt kurz ohne sein Augen vom Bildschirm zu nehmen, der den personifizierten Irrsinn zeigt.
„Damit sind wir quitt oder? Ich meine das war..“
Eine erhobene Hand unterbricht ihn, während sich Mieter 506 in seinem Stuhl vorbeugt. Saul wartet und sieht zu.

Der Mieter von 506 rutscht auf seinem Drehstuhl hin und her, ein ständiges Vor und Zurück, Bewegungen und fahrige Gesten. Mal lehnt er sich entspannt zurück, faltet die Hände über der leichten Rundung seines Bauches und rutscht in den Sessel hinein, bis sein Kinn auf der Brust zum Liegen kommt. Er rollt ein paar Zentimeter zurück, streckt die Beine und schlägt sie abwechselnd übereinander, mal links, mal rechts. Dann wieder rafft er sich auf, sitzt vornübergebeugt auf der Kante seines Sitzes und starrt auf den Bildschirm. Der Kopf sinkt tief zwischen die Schultern und reckt sich langsam nach vorne, während eine seiner Hände die Faust der anderen knetet. Dann wirft er sich zurück, setzt sich bewusst aufrecht hin und streicht mit einer fahrigen Geste durch sein Haar. Er fährt sich mit der Hand über die Bartstoppeln und stützt dann seinen Kopf auf die Faust. Die andere Hand spielt nervös herum, die Finger suchen Unregelmäßigkeiten an den Nagelrändern des Nachbarn, streichen darüber, wieder und wieder. Schließlich nimmt er seine Brille ab, wischt er sich über das Gesicht und dreht sich zu Saul um.

„Quitt? Nein.“ Seine Stimme ist etwas laut, nicht aggressiv aber eine Endgültigkeit liegt in ihr. Saul beginnt herumzustottern, er kann es nicht aufhalten, so sehr er sich auch dafür schämt.
„Aber ich habe alles getan, was Sie wollten! Jede einzelne Aufgabe...“
Wieder unterbricht ihn die erhobene Hand.
„Das hast du auch gut gemacht Saul, aber das war noch nicht alles. Ich habe noch eine Menge vor und du hast noch eine Menge zu tun.“
„Aber... aber...“ Sauls Gedanken rasen. Er ist allein mit dem Mieter von 506. Seine Blicke suchen den Raum ab, suchen etwas das er benutzen kann um ihm den Schädel einzuschlagen. Wenn Mieter 506 erst mal aus dem Weg ist wird er das Video schon finden und vernichten.
„Dumme Idee.“ kommt von der Person im Sessel. Saul richtet seinen Blick auf ihn, das wutverzerrte Gesicht zur Grimasse erstarrt.
„Du verstehst es nicht.“ sagt Mieter 506 und Saul verliert das Gefühl in den Beinen. Er bricht auf dem Boden zusammen.
„Du kannst mich nicht verletzen. Niemand kann das. Hier bin ich Gott.“ Das Lächeln von Mieter 506 läßt eine ebene Fläche aus kleinen Zähnen erkennen und wirkt alles andere als freundlich. Plötzlich glaubt Saul zu verstehen, wie sich eine Ameise unter einem Vergrößerungsglas fühlen muss.
„Steh auf. Geh. Ich melde mich wenn ich dich wieder brauche.“ Der Stuhl dreht sich zu den Monitoren um und Saul kann seine Beine wieder fühlen. Schwerfällig steht er auf und schleppt sich zur Tür. Die klinke schon in der Hand stellt er noch eine letzte Frage.
„Warum tun Sie das?“
Saul erwartet keine Antwort und ist überrascht als sich Mieter 506 nochmals zu ihm umdreht. Seine Augen sind hinter den Brillengläsern nicht zu erkennen.
„Weil es mich amüsiert.“