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Autor: knochengott

Erstellt am: 26.09.2014

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ODDVILLE11



Geschrieben von:   knochengott


Teil des Episodenwerkes: ODDVILLE

  - Einleitung
  - Kapitel 1: ODDVILLE01
  - Kapitel 2: ODDVILLE02
  - Kapitel 3: ODDVILLE03
  - Kapitel 4: ODDVILLE04
  - Kapitel 5: ODDVILLE 6
  - Kapitel 6: ODDVILLE08
  - Kapitel 7: ODDVILLE11




Der Autor hat folgende Stimmungen f�r sein Werk angegeben:
belustigt
gespannt





Schwester Peggy – Himmel – Orgrimmar - GROSSBUCHSTABEN

Nachdem die Bibliothek eh noch für ein paar Tage geschlossen bleibt, ungeachtet dessen was auch immer Herr Steiner verstanden zu haben glaubt, bat ich heute um einen freien Vormittag um mal wieder meine Seele aufpolieren zu lassen. Mein Arzt des Vertrauens dafür ist Doktor Wurstmann, der neben Dermatologie auch Spiritologie gelernt hat.

Schwester Peggy im Wartezimmer begrüßte mich wie immer freundlich aber ohne wirklich von mir Notiz zu nehmen. Sie hatte den Grad der Professionalität erreicht, an dem sie alles sah und doch nichts sah. Sie wusste wer sich im Wartezimmer befand ohne auch nur mit einem einzelnen Augenkontakt gehabt zu haben. Aber das kannte ich bereits also richtete ich den Blick auf ihr Namensschild und trat an den Tresen.

Bei der Spiritologie habe ich Glück gehabt, denn meine Krankenkasse zahlt die Reinigung einmal jährlich, weil ich das passende Leistungspaket mit Ersatz für Brillen und Zähne, einer jährlichen Augendruckmessung, Zahnsteinentfernung und Seelenrepolarisierung habe. Das Plus Paket garantiere noch ein Nahtoderlebniss im Falle eines Auto- oder Haushaltsunfalls, aber so gefährlich lebe ich nun wirklich nicht.

"Hallo Frank. Karte bitte."
Trotz meiner bisherigen Erfahrungen löste ich meinen Blick von ihrem Namensschild und versuchte Blickkontakt herzustellen. Das ist wie gesagt zu bekommen man darf einen bestimmten roten Knopf auf gar keinen Fall drücken. Sobald man das weiß will man ihn umso mehr drücken. So ähnlich war es mit Schwester Peggy. Mein Versuch scheiterte, wie er es unweigerlich jedes mal tat. Lustlos warf ich meine Karte hin und erntete eine gerunzelte Stirn. Beziehungsweise die Stirn war auf mich gezielt traf aber die Schreibfläche des Tresens, da Schwester Peggy beharrlich vermied mich anzusehen.
"Na wir sind aber drauf heute."
Ritschratsch war meine Karte durchgezogen und ich setzte mich in Bewegung um mich zu setzen.
"Frank, das Formular." Auf den Flachbildschirm rechts von ihr sehend hielt sie mir einen Klemmblock mit einem A4 Blatt hin. Darauf standen gute zwei dutzend Fragen zum meinem allgemeinen Wohlbefinden. Ich konnte bei den meisten nein ankreuzen und den Zettel dann zurückgeben.
„Rückseite.“ sagte Schwester Peggy, den Kalender dabei fest im Auge haltend. Auch die Rückseite wollte persönliche Informationen zu meinen körperlichen Leiden und auch hier konnte ich die Masse verneinen.
„Kannst dich hinsetzen. Geht gleich los“ war Schwester Peggys abschließender Kommentar.

Herr Doktor Wurstmann empfing mich wenig später in seinem Behandlungszimmer. Nach der Begrüßung legte ich mich mit freiem Oberkörper auf die Liege, die er vorher mit einer langen Papierrolle abgedeckt hatte und bekam die Elektroden am Bauch aufgeklebt. Dort sitzt nämlich, entgegen der allgemeinen Vorstellung die etwas höher zielt die Seele. Dann begannen wir mit den üblichen 8 Assoziationsfragen, während der sich Doktor Wurstmann auf einem Hocker sitzend über einen Touchscreen an der Seite der Liege beugte und die seelischen Reaktionen beobachtete.
„Himmel.“
„Hölle.“
„Rot.“
„Schwarz.“
„Blumenkohl.“
„Tauziehen.“
„Frau.“
„Mann.“
„Himmel.“
„Hatten wir schon.“
„Was?“
Doktor Wurstmann sah mich fragend an.
„Hatten wir schon.“
Er sah auf seinen Touchscreen und blinzelte.
„Richtig. Mein Fehler. Okay weiter. Skiurlaub.“
„Schlager.“
„Hollywood.“
„Manson.“
Doktor Wurstmann tippte auf dem Touchscreen herum und sanftes Kribbeln durchzog meinen Bauchraum.
„Kuh.“
„Krieg.“
Doktor Wurstmann ließ eine Augenbraue hochschnellen, korrigierte aber nichts auf seinem Touchscreen.
„Angeln.“
„Orgrimmar.“
Er stutzte. Runzelte die Stirn und ging etwas näher an den Touchscreen ran. Rückte wieder ab und warf mir einen sorgenvollen Blick zu.
„Ogimma? War bitte ist Ogimma?“
„Die Hauptstadt der Horde bei WoW. Dort angele ich ab und zu abends. Ist entspannend.“
Doktor Wurstmann Verwirrung war mit Händen zu greifen.
„Ein Computerspiel? World of Warcraft?“ versuchte ich zu helfen.
„Ach so.“ Man mußte kein Profi sein um zu erkennen, dass er nur so tat als ob er verstünde.
„Gut, ich war mir nicht sicher, ob dieses Ogimma zum allgemeinen Sprachgebrauch zählt oder nicht.“
„Orgrimmar. Und ja tut es.“
„Okay fein.“ Er sah auf seinen Touchscreen, lächelte sein bestes Halbgott-in-weiß Lächeln und klatschte in die Hände.
„Picobello sauber. Aber soviel gibt es da ja auch nicht zu reinigen. Wann haben sie ihre dunkle Seite eigentlich das letzte mal besucht?“
Ich stotterte irgendetwas unzusammenhängendes über Arbeitszeiten und Verpflichtungen.
Doktor Wurstmann stieß sich seufzend von der Liege ab und rollte auf seinem Hocker zur anderen Seite des Raumes. Dort war meine Akte auf dem Laptop aufgerufen.
"Das war..." brummte er vor sich hin während ich mich auf meine Ellbogen aufstützte "Das letzte Mal vor über 9 Monaten!" Doktor Wurstmann warf mir einen Blick voller fachlicher Empörung zu.
Ich überlegte. Konnte es wirklich schon so lange her sein?
"Das geht so nicht. Diese jährliche Säuberungsaktion ist durch ihre Kasse an ein Erfolgsmodel gekoppelt. Wenn sie also meine Versuche meine Arbeit und ihre Seele rein zu halten untergraben wird das negative Auswirkungen auf ihren Gesundheitsbericht haben. Und dann kann ihre Kasse die Kostenübernahme verweigern! Wollen sie das?"
Neben dem Laptop lag eine Lesebrille, die er immer dann aufsetzte um die jeweilig aufgerufene Akte zu lesen. Und um solche Vorträge mit dem passenden väterlich/strengen "Ich blicke dich über den Rand meiner Brille die Weisheit suggeriert an und bin damit sowohl rhetorisch als auch praktisch im Recht" Blick zu beschenken. Und was soll ich sagen: es funktionierte, ich knickte ein.
"Okay Doc, kümmere ich mich drum."
"Wann?"
"Bald."
"Wann bald?"
"Noch diese Woche okay?"
Doktor Wurstmann lächelte ein kleines Siegerlächeln und ich hätte ihn mit Freude auf der Stelle erwürgt.
"Gut. Ist notiert."
Und er trug wirklich eine Notiz in meiner Akte ein.
"Tja." sagte er schlieslich, erhob sich und reichte mir die Hand, was zwei indirekte Aufforderungen zu gehen mehr waren als ich brauchte.

Im Hausflur der Praxis stieß ich beim öffnen der Tür gegen etwas hartes und kantiges.
„Autsch!“
„ENTSCHULDIGUNG.“
Meine Ohren sagten mir, das die Entschuldigung von links, wo der Gegenstand sich befand gekommen sein musste, aber mein Verstand war sich sicher das Gesagte direkt vermittelt bekommen zu haben.
„Bitte was?“
„ICH SAGTE ENTSCHULDIGUNG.“ ertönte die Stimme erneut und diesmal war ich ganz sicher sie mitten in meinem Kopf zu hören. Als hätte jemand einen Lautsprecher mittendrin eingebaut. Zudem klang die Stimme, als ob alles in Großbuchstaben gesagt wurde.
Da übermittelten mir meine Augen erst, dass es sich bei dem Gegenstand eigentlich um einen Mann in langer schwarze Robe mit hochgeschlagener Kapuze handelte. Die Ärmel der Robe endete in Knochenhände die ein Blackberry hielten. An der Wand neben ihm lehnte eine Sense.

„Warte mal, dich kenn' ich.“ rutschte mir ungefragt heraus und überlegte krampfhaft.
Die Robe, die Sense, die Worte in Großbuchstaben.
„Du bist der Tod.“
Der Kopf drehte sich zu mir und offenbarte eine Totenschädel in dessen Augenhöhlen zwei blaue Feuer leuchteten.
„WAS HAT MICH VERRATEN?“ Sagte der Tod und grinste aus Mangel an anderen Gesichtsausdrücken. Bleischwer hallten die Worte durch meinen Schädel.
„UND ES HEISST TOD, NICHT DER TOD. EINFACH NUR TOD.“
„Siehst du! Genauso hatte ich dich erwartet.“
„ERWARTET?“ Tod lies das Blackberry sinken.
„DEINE ZEIT IST NOCH NICHT GEKOMMEN. WIESO ERWARTEST DU MICH?“
„Nein nicht dich habe ich erwartet, nur die Art wie du redest und deine Stimme klingt und dieses IN GROSSBUCHSTABEN REDEN und all das hatte ich erwartet.“
Tod steckte das Blackberry ein und griff seine Sense.
„DU KANNST DAS ZIEMLICH GUT MIT DEN GROSSBUCHSTABEN.“
„Danke.“
Er zog die Sense näher. Ihre Schneide glänzte und ich bildete mir ein zu hören, wie sie Luftmoleküle zerschnitt.
„HAST DU DENN KEINE ANGST VOR MIR?“
Ich machte eine oberflächliche emotionale Inventur. Aufgeregt, neugierig und gespannt.
„Nein, kein Stück.“
„DAS IST UNGEWOHNLICH. DIE MEISTEN MENSCHEN BEKOMMEN BEI MEINEM ANBLICK KEIN WORT HERAUS.“
Er musterte mich von oben bis unten.
„DIE MEISTEN SEHEN MICH NICHT EINMAL.“ Obwohl ihm die körperlichen Voraussetzungen fehlten konnte ich spüren, das er die Stirn runzelte.
„Ich bin eben neugierig.“ versuchte ich zu erklären und zuckte mit den Achseln.
„OFFENSICHTLICH.“
„Und du bist sozusagen mein Idol.“
Tod beugte sich näher heran und seine Augen glühten hell auf.
„INTERESSANT. SATANIST?“
„Was? Nein!“
„OH.“
„Nein, seit dem ich das erste mal von dir gelesen habe warst du mein Lieblingscharakter. Und jetzt stehst du vor mir, in Fleisch und Blut sozusagen. Metaphorisch.“
„METAPHORISCH, NATÜRLICH.“ Tod lehnte sich wieder zurück und seine Augen verloren ihr leuchten.
„GELESEN?“
„Ja! Ich lese eine ganze Menge und Terry Pratchet ist mein...“
Ein Geräusch verdrängte alles andere. Tod lachte und es klang wie zwei Granitplatten die aneinander schlugen ohne zu zerbrechen. Das entstehende Geräusch lies vor meinem inneren Auge ein Bild entstehen, dass beiden Platten mit gotischem Schriftzeichen verziert zeigte und sie wie übergroße Grabsteine wirkten ließ. Tods Lachen war so etwas wie Trivialität offenbar egal.
„TERRY PRATCHET. DAS ERKLÄRT EINIGES! ICH KANN NICHT GERADE SAGEN DASS ER MEIN DASEIN ERLEICHTERT HAT. OBWOHL ES NICHT UNANGENEHM IST AB UND ZU EINEN FAN ZU TREFFEN BEI DER ERFÜLLUNG DER PFLICHT.“

In den Tiefen der Robe begann es zu brummen.
„AUGENBLICK.“
Tod griff in eine Falte und zog das Blackberry heraus. Er warf einen blick auf das Display und zuckte zusammen. Knochen klapperte gedämpft unter der Robe.
„MEIN TERMIN.“
„Oh Mist, ich wollte dich nicht aufhalten.“
Schuldbewusst sah ich zu Boden.
„KEIN PROBLEM. ABER JETZT MUSS ICH WIRKLICH LOS.“
Er schulterte die Sense und setzte sich in Bewegung Richtung Treppe.
„Sieht man sich mal?“ fragte ich bevor mir klar war wen ich da was gefragt hatte.
Tod war schon halb die Treppe rauf und warf mir einen Blick über die Schulter zu.
Sein linkes Auge flackerte.
„AUF JEDEN FALL.“
Das Flackern kam mir seltsam vor bis ich begriff dass Tod mir zuzwinkerte.