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Autor: knochengott

Erstellt am: 19.07.2014

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ODDVILLE04



Geschrieben von:   knochengott


Teil des Episodenwerkes: ODDVILLE

  - Einleitung
  - Kapitel 1: ODDVILLE01
  - Kapitel 2: ODDVILLE02
  - Kapitel 3: ODDVILLE03
  - Kapitel 4: ODDVILLE04
  - Kapitel 5: ODDVILLE 6
  - Kapitel 6: ODDVILLE08
  - Kapitel 7: ODDVILLE11




Der Autor hat folgende Stimmungen f�r sein Werk angegeben:
belustigt
frustriert



Alex - Basislager - 'heutzutage' - Helden

Es war wie immer voll in der Tram. Alle Welt wollte Richtung Alex um ihre wie auch immer geartete Tagestätigkeit aufzunehmen. An jeder Haltestelle drängelten Leute rein und raus, blieben an der Tür stehen kaum das sie in der Tram waren und fauchten die nachdrängenden an: Hör auf zu drängeln man! Ein normaler Montag morgen.

Ich hatte wegen des Nieselregens mein Fahrrad zuhause stehen gelassen und war wie der Rest mittendrin im feuchten, stickigen Morgenstau.
"Ich dachte der gehört zu ihnen."
"Nein, ich hab mich noch gewundert was der will."
Plötzlicher Tumult hinter meinem Rücken. Ich hatte mich gern umgedreht um zu sehen was los war, aber der Rucksack, des vor mir stehenden hatte mich fest gepinnt.
„Haben sie gesehen wie der aussah?“
„Ja so ein kleiner Mann mit einer hellen Jacke. Fehlt denn was?“
Ich wurde von einem Ellbogen unsanft mehrfach in den Rücken getroffen als hinter meinem Rücken eine Bestandsaufnahme stattfand.
„Meine Hand ist weg. So ein Mist meine Hand ist weg.“
Plötzlich drängte mich eine massive Kraft, gespeist von hochoktanischer Hysterie in den Rucksack hinein.
„Entschuldigung! ENTSCHULDIGUNG!“ Mein Gesicht nahm wegen zunehmendem Druck die Konturen des Rucksacklogos an.
„Halten sie bitte die Tür auf!“
Eine Frau drängelte sich an mir vorbei, in der linken Hand eine Sammlung an Einkaufsbeuteln von halten und stellte sich in die Tür. Ihr folgte eine zweite Frau, schmal mit Campingrucksack und Trekkingstiefeln. Vielleicht wollte sie den Fernsehturm besteigen. Womöglich an der Außenfassade, vermutlich mit Basislager auf halber Höhe ihrer Ausrüstung nach zu urteilen. Rote Flecken der aufopfernden Hilfsbereitschaft trug sie wie ein Indianer die Kriegsbemalung bei einer Schlacht gegen den weißen Teufel.

„Sehen sie ihn?“ fragte die hochoktanische Hysterie die aufopfernde Hilfsbereitschaft. Die warf einen schnellen Blick nach links und rechts.
„Nein. Aber gerade eben war er noch da.“
Die hochoktanische Hysterie ging auf Alarmstufe 2: gelber Alarm.
„Ich hatte mir nix dabei gedacht, immerhin drängeln hier ja alle beim ein und aussteigen.“ rief sie etwas zu laut und warf sie einen strafenden Blick auf die anwesenden Leute, der aber größtenteils hilflos an steinernen Mienen verpuffte,
„Es ist ja leider normal geworden heutzutage!“
Die gerechte Hilfsbereitschaft richtete sich zur vollen Größe auf. Bei ihr klang 'heutzutage', als ob sie noch den Inkas persönlich den Untergang gebracht hatte. Dabei schätzte ich sie so alt wie mich. Aber man konnte ihr ansehen, dass sie die Lebenserfahrungen mehrerer Menschen in sich vereinte. Sie war eine Weitgereiste.
Ihre Art 'heutzutage' zu sagen drückte aus, dass sie schon lange lange lange Erfahrungen sammeln konnte und alle Art von menschlichem Versagen in ihrem Leben gesehen hatte.
Zweimal.

„Was mach ich denn jetzt?“ Jammerte die hochoktanische Hysterie und verlor etwas an Schwungkraft.
„Das war meine Schreibhand. Und damit tippe ich auch auf meinem Handy.“
„Keine Sorge sie müssen nur die Fingerabdrücke sperren lassen und sich dann eine neue besorgen.“ versuchte die Weitgereiste zu beruhigen.
„ Aber dafür habe ich doch keine Zeit, ich muß arbeiten. Wer kann schon stundenlang auf den Behörden rumsitzen? Und das kostet wieder alles! Die neuen Fingerabdrücke, die Änderung im Personalausweis, die Anpassung von Hauttyp und Fingernagel. So ein Mist!“
Die hochoktanische Hysterie war den Tränen nahe. Irgendwie tat sie mir leid. Die Hand geklaut zu bekommen ist aber auch echt beschissen.
„Und sie sehen ihn ganz sicher nicht?“ fragte sie nochmal, aber ohne echte Hoffnung. Die Weitgereiste trat nochmal anstandshalber einen halben Schritt aus der Tram und reckte den Hals. „Der ist eh schon über alle Berge!“ brummte ein Mann im Blaumann neben mir. Die hochoktanische Hysterie warf ihm einen blick voller Trauer und Sorge zu, dass er es gewagt hatte ihre Ängste in Worte zu fassen. Sie wirkte als ob sie erwartete gleich aufzuwachen oder sich das ganze als schlechter Scherz herausstellen würde. Was beides kaum wahrscheinlich war.

„Machen se ma die Tür frei!“ knarrte es über den Lautsprecher.
„Ich wurde bestohlen!“ rief die hochoktanische Hysterie und fand die Kraft durch die Trauer nochmal nach ihrer Wut zu greifen: Sie schaltet auf Alarmstufe R: feuerrot! Offenbar ging hier nichts nach ihrer Vorstellung.
„Tut mir leid, ich sehe ihn wirklich nicht.“ Die Weitgereiste trat in die Tram zurück. „Ich glaube der ist...“
„Wird die Tür ma bald frei, ick möchte losfahrn!“ schnarrte der Lautsprecher.
„Warten Sie!“ Das kam von außerhalb der Tram „Ich habe ihre Hand! Ich habe die Hand!“
Plötzlich drängte alles zur Tür und ich wurde mit nach draußen gerissen. Ein Mann kam angelaufen und schwenkte eine Hand in seiner Hand. Er erreichte uns, völlig außer Atem.
„Ich hab gesehen.. wie der Kerl ihre Hand... geklaut hat und.. bin ihm nach... gelaufen... er hat sie fallen... gelassen... hier!“ Er übergab der hochoktanischen Hysterie die Hand, die ihr Glück kaum fassen konnte. Sie war sprachlos, drückte ihre Hand an die Brust und grinste ihren Helden selig an.
Der fand sich plötzlich im Blick der allgemeinen Aufmerksamkeit und sich einer Sammlung Zahnreihen gegenüber, die sich zwischen lächelnden Lippen zeigten.
Er schluckte.
Er leckte sich die Lippen.
Er öffnete den Mund um etwas zu sagen.
„Rein oder raus, verdammt nochmal! Ick hab'n Zeitplan einzuhalten!“ kam ihm der Lautsprecher zuvor.